Coronavirus
Mit der Ausgangssperre ins Museum
Auf einmal ging alles rasend schnell. Vor zwei Wochen war ich noch in Florenz für ein Interview mit dem Direktor der Uffizien Eike Schmidt. Der Coronavirus war schon ein Thema in Italien, aber bislang waren nur 11 Gemeinden im Norden abgeriegelt, im Rest des Landes ging das öffentliche Leben wie gewohnt weiter. Auf der Ponte Vecchio war es etwas ruhiger als normalerweise, doch auf dem Weg durch die berühmte Gallerie am Ufer des Arnos erzählte mir Schmidt, dass die Besucherzahlen noch nicht bedeutend zurückgegangen waren.
Von Christine Pawlata
Eine Woche später mussten per Krisengesetz alle Museen in Italien schließen, drei Tage später kam die Ausgangssperre für das ganze Land. Auf einmal waren alle Italiener zuhause und die Museen leer.
Geschichten gegen die Langeweile
Um die Besucher doch noch ins Museum zu kriegen, dachten sich Schmidt und seine Mitarbeiter mit dem Projekt Uffizi Decameron einen Kniff aus um die Ausgangssperre zu umgehen ohne die öffentliche Gesundheit zu gefährden.Inspiriert haben sie sich an Giovanni Boccaccios Sammlung von Geschichten Decameron aus dem 14. Jahrhundert. Das Werk erzählt von 10 jungen Leuten, die vor der Pest auf einen Hügel vor Florenz flüchteten. Gegen die Langeweile erzählen sie sich jeden Tag eine neue Geschichte. In diesem Sinne hat nun das Museumsteam die Uffizien zu einem virtuellen Fluchtort gegen die Langeweile gemacht in dem sie Ihrem Publikum über ihre Sozialmedien jeden Tag neue Geschichten über die Kunstwerke aus dem Museum erzählen.
Schon vor der Viruskrise war die Online-Präsenz der Uffizien beträchtlich, mit beispielsweise virtuellen Ausstellungen zu aktuellen Themen. Seid der Ausgangssperre veröffentlicht das Museum zusätzlich täglich auf Facebook neue Video-Führung unter dem Hashtag #lamiasala, zu Deutsch „mein Saal“, in denen die Mitarbeiter ihre persönlichen Lieblingsecken des Museums belichten. Dabei enthüllen sie Geheimnisse und Details über die Werke, die man bei einem normalen Besuch des Museums mit großer Wahrscheinlichkeit nicht entdecken würde.
Eine betrogene Liebe
So erzählt die Archeologin Novella Lapini am siebten Tag des Lockdowns die faszinierende Geschichte hinter der Statue der Schlafenden Ariadne. In der griechischen Mythologie half Ariadne ihrem Geliebten Theseus das schreckliche Monster Minothaurus zu besiegen, wurde danach aber von Theseus auf einer verlassenen Insel zurückgelassen. Die Statue, deren zentraler Teil aus der römischen Antike, Kopf und Base hingegen aus der Renaissance stammen, stellt Ariadne in dem dramatischen Moment dar, in dem sie schlafend zurückgelassen wird.Facebook-Video über die Statue der Schlafenden Ariadne in den Uffizien | © Gallerie degli Uffizi / Facebook
Das Konzept der Uffizien ist ein Riesenerfolg. Schon nach den ersten paar Tagen haben sich mehr als 200.000 Menschen die Videoführungen angeschaut. Museumsdirektor Schmidt freut sich über das große Interesse an Kunst auch in Krisenzeiten und fordert sein Publikum auf zuhause zu bleiben: „Wir müssen vermeiden uns gegenseitig anzustecken – außer mit der Leidenschaft für Schönheit“.
Mit YouTube ins alte Ägypten
Auch das Turiner Museo Egizio nimmt sein Publikum täglich über seine Social-Media-Kanäle mit auf Entdeckungsreise. Unter dem Hashtag #aportechiuse, übersetzt 'bei geschlossenen Türen', führen der Direktor Christian Greco und seine Kollegen ihr Publikum mittels YouTube und Facebook durch die Säle des ältesten ägyptische Museums der Welt, erklären etwa warum die alten Ägypter ihre Haustiere mumifizierten, wie sie sich das Leben nach dem Tod vorstellten und wie sie ihre Lebensmittel aufbewahrten.„Ich möchte eine wichtiges Konzept wiederholen: Bleibt bitte zuhause, wir müssen die Verbreitung des Virus eindämmen,“ leitet Greco eine seiner Führungen ein, in der er von einem jahrtausendealten Briefwechsel auf Pergamentpapier zwischen Vater und Sohn erzählt. „Vielleicht sollten wir in diesem Moment, in dem wir alle daheim sind auch wieder anfangen einander Briefe zu schreiben, mit den Menschen die uns wichtig sind zu kommunizieren, und ihnen mitteilen, dass es uns gut geht, weil wir zuhause bleiben.“
Der charismatische Museumsdirektor vermisst sein Publikum. „Ich möchte auch in diesen Tagen mit euch in Kontakt und im Dialog bleiben,“ so der Ägyptologe via Videonachricht. „Wir können es aber kaum erwarten, die Museumssäle wieder für euch zu öffnen und euch neue Geschichten zu erzählen.“
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