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100 Jahre Beuys
Joseph Beuys in Bolognano: Ein Vordenker in Sachen ökologischer Nachhaltigkeit

Bolognano, Blick aus Atelier von J. Beuys. 'The Paradise', Anwesen und Atelier des Künstlers in Bolognano (Abruzzen, Italien).
Bolognano, Blick aus Atelier von J. Beuys. 'The Paradise', Anwesen und Atelier des Künstlers in Bolognano (Abruzzen, Italien). | Foto (Zuschnitt) © picture-alliance / akg-images / Juergen Sorges | Juergen Sorges

Wenn ein Künstler viel Zeit in einem fremden Land verbringt, begegnet er dort unterschiedlichen Einflüssen. In einigen Fällen hinterlässt er den betreffenden Orten als Vermächtnis hybride und oft universelle Arbeiten. Joseph Beuys, dessen 100. Geburtstag wir in diesen Tagen feiern, pflegte ein enges und fruchtbringendes Verhältnis zu Italien, das in einigen Städten bis heute die Kulturlandschaft prägt.

Von Nicola Brucoli

Aus seiner Beziehung zum Bel Paese entstanden Studien und neue Werke in drei Städten: Neapel, Perugia und Bolognano.
 
Beuys’ Erfahrungen in Neapel und Perugia waren vor allem von Begegnungen mit anderen Künstlern geprägt – in der kampanischen Hauptstadt mit Warhol, in der umbrischen mit Burri. Seine Beziehung zu Bolognano war hingegen sowohl im Hinblick auf die Dauer seines dortigen Aufenthalts als auch auf sein konkretes Vermächtnis an die Gemeinde einzigartig. Beuys’ Zeit in den Abruzzen und seine dortige Auseinandersetzung mit dem Thema Umwelt sowie sein Naheverhältnis zur Familie Durini hatten nachhaltigen Einfluss auf seine künstlerische Karriere.
 
Dank seines Wohnsitzes in Bolognano und des großen Engagements von Lucrezia De Domizio Durini gilt Bolognano heute als Hochburg zeitgenössischer Kunst, in der sich an jeder Ecke Installationen und Spuren des Künstlers finden.

Beuys in Bolognano: die Verteidigung der Natur

Es war das Ehepaar Durini, das Beuys im Jahr 1972 nach Bolognano einlud, wo der Künstler schließlich seine zweite Heimat fand. Hier hatte er sein Atelier, hierher kehrte er die letzten fünfzehn Jahre seines Lebens immer wieder zurück. Gleichzeitig rief er in Bolognano eines seiner wichtigsten Projekte, Difesa della natura („Verteidigung der Natur“) ins Leben, das auf dem Gedanken des Umweltschutzes, aber auch auf anthropologischen Überlegungen und der Idee der Einheit von Mensch und Natur beruht. 
Los Angeles, USA, Downtown, 05.01.2020. The Broad ist ein privates Museum für zeitgenössische Kunst an der Grand Avenue. Es umfasst die private Sammlung zeitgenössischer Kunst des Kunstmäzens Eli Broad. Der deutsche Künstler Joseph Beuys ist mit zahlreichen Werken vertreten. Los Angeles, USA, Downtown, 05.01.2020. The Broad ist ein privates Museum für zeitgenössische Kunst an der Grand Avenue. Es umfasst die private Sammlung zeitgenössischer Kunst des Kunstmäzens Eli Broad. Der deutsche Künstler Joseph Beuys ist mit zahlreichen Werken vertreten. | Credit: picture alliance / Norbert Schmidt | Norbert Schmidt Die erste Aktion im Rahmen von Difesa della natura war die soziale Plastik 7000 Eichen, für die 7.000 Steine vor dem Museum Fridericianum aufgeschüttet wurden. Jeder Stein konnte „adoptiert“ werden, für den Erlös sollte jeweils eine Eiche gepflanzt werden. In den Jahren 1982 bis 1987 wurden alle Steine adoptiert und somit insgesamt 7.000 Eichen gepflanzt. Ziel der Aktion war es, den Betrachter zum Akteur werden zu lassen: Das Kunstwerk sollte über die Geste des einzelnen Künstlers hinausgehen und in der Stadt ein ökologisches Zeichen setzen.
 
Parallel dazu setzte Beuys seine Aktionen zur Verteidigung der Natur fort und begründete das Projekt Piantagione Paradise, das die Idee der Anpflanzungen aufgreift, allerdings in diesem Fall gezielt zum Schutz der Biodiversität und bedrohter Pflanzenarten. Ebenfalls in Bolognano realisierte Beuys 1984 das Kunstwerk Olivestone, das durch Stimulation des Geruchssinns Erinnerungen und Empfindungen evoziert und in den 90er Jahren vom Ehepaar Durini dem Kunsthaus Zürich als Geschenk überlassen wurde.

Seine Freundschaft zu Lucrezia De Domizio Durini

Der italienischen Baronessa Lucrezia De Domizio Durini kommt in Bezug auf Beuys’ Produktion in Italien, wie auch auf sein künstlerisches Wirken im Allgemeinen, eine zentrale Rolle zu. Die unermüdliche Kulturakteurin, Journalistin und Schriftstellerin ist zweifellos weltweit die größte Förderin der Kunst und des Gedankens von Joseph Beuys.
 
Seit ihrer ersten Begegnung 1972 bereisten die beiden gemeinsam die verschiedenen Schaffensorte des deutschen Künstlers: von Venedig über Kassel, Bolognano und Tokyo bis hin zu New York. Seit dem Tod des deutschen Meisters im Jahr 1986 kümmert sich Lucrezia De Domizio Durini nun engagiert darum, das Werk des Künstlers durch Schenkungen, Konferenzen, Tagungen und internationale Ausstellungen weiter zu verbreiten.
 
Besonders zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die große Ausstellung Buby Durini for Joseph Beuys in den Musei Civici degli Eremitani in Padua, in deren Rahmen die Beuys-Eiche in der Nähe der Cappella degli Scrovegni gepflanzt wurde. Anlässlich des 100. Geburtstags ihres alten Freundes förderte die Mäzenatin darüber hinaus die Eröffnung des Paradise Museum of Joseph Beuys in Bolognano.

Beuys als Vordenker in Sachen ökologischer Nachhaltigkeit

Heute, vierzig Jahre später, sind Natur und Naturschutz nach wie vor zentrale Themen künstlerischer Produktion. Nachhaltigkeit ist das Thema der Stunde.
 
Zeitgenössische Künstler folgen dabei der von Beuys eingeschlagenen Richtung und legen den Fokus zunehmend auf die prekäre Lage unseres Planeten, indem sie aktiv zur Bewusstseinsbildung beitragen. Ein Beispiel dafür ist etwa die Skulptur Politicians discussing global warming von Isaac Cordal aus dem Jahr 2013, die zur Bekämpfung des Problems aufruft. Oder die Aktion Ice Watch London von Olafur Eliasson, im Zuge derer der Künstler 2018 in den Straßen von London aus Grönland importierte Eisblöcke schmelzen ließ.
 
Die Kunst setzt damit die von Joseph Beuys in Bolognano angestoßene Verteidigung der Natur fort – mit dem Ziel, das Bewusstsein für die prekäre Lage unseres Planeten und die Notwendigkeit eines nachhaltigen Lebensstils zu schärfen.

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