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Interview mit Philipp Löhle
Bitte kein Gefasel!

Philipp Löhle Interview
© Fernando Perez Re

Der Hausautor des Staatstheaters Nürnberg fühlt sich nicht „systemrelevant“. Stattdessen formuliert er 10 Thesen zur Epidemie.

Von Maria Carmen Morese & Johanna Wand


Welchen Raum nimmt Ihre Arbeit in der Isolation ein?

Also erstmal ist meine Arbeit am 14.3.20 auf Null zusammengeschrumpft. Alle Vorstellungen meiner Stücke, alle Lesungen, die angesetzt waren, eine Inszenierung, die für Juni geplant war, ALLES wurde abgesagt. Das war auch erst mal ein Schock, wenn es die eigene Arbeit gar nicht mehr gibt. Ich habe mich auch gefragt, ob denn außer mir überhaupt jemand meine Arbeit/das Theater an sich/Kunst, ob das überhaupt jemand vermisst. Es wirkt erstmal nicht "systemrelevant", wie man das jetzt nennt.
Aber ich habe dann angefangen kleine Filmchen mit den Schauspielern des Staatstheaters Nürnberg zu drehen. Ich bin da Hausautor und somit dem Haus sehr verbunden. Ich fand das eine akzeptable Form, um sich irgendwie zu der Situation zu verhalten: Löhles Kommentar zur Wirklichkeit
Natürlich kann das nur eine vorübergehende Lösung sein, aber man kämpft doch sehr mit sich, wenn man plötzlich zum Verstummen gezwungen ist.

Wie alle schwierigen Momente eröffnet auch die gegenwärtige Krise neue Möglichkeiten. Was können wir aus dieser Situation lernen?

- Wir haben gar nicht die Macht, die wir denken zu haben.
- Alles hängt mit allem zusammen.
- Der Mensch ist ein soziales Tier.
- Im Ernstfall ziehen Staaten sich auf sich selbst zurück. Solidarität gibt es da erstmal nicht.
- Je kleiner der Idiot, der das Land führt, umso besser kommt das Land durch die Krise.
- Es gibt definitiv Dinge von denen niemand eine Ahnung hat.
- Es gibt definitiv Dinge, die alles beeinflussen.
- Es gibt nicht nur Verlierer in dieser Krise, es gibt auch Gewinner.
- Es kann jeden treffen, aber es trifft nicht alle gleich.
- Manches passiert einfach so. Scheinbar aus dem Nichts!
 
Die neuen Umstände erschüttern und beunruhigen uns, aber sie ermutigen uns auch zu visionärem Denken. Von welchem Danach träumen Sie?

Alle liegen sich drei Tage lang in den Armen und singen und tanzen und feiern ein großes Fest. Ach das ist alles Blödsinn, niemandem ist mit dieser Krise geholfen. Das ist Quatsch. Wir brauchen nicht die Opfer und nicht die schmerzhaften Lehren und nicht das Gefasel von der Krise als Chance....
 

Biographie

Philipp Löhle, geboren 1978 in Ravensburg, ist einer der international meistgespielten deutschsprachigen Dramatiker seiner Generation. Sein erstes Stück „Kauf-Land“ wurde 2005 am Theater Erlangen uraufgeführt. Für „Genannt Gospodin“ wurde er mit dem Förderpreis des Bundesverbandes der Deutschen Industrie ausgezeichnet. 2007 gewann er den Werkauftrag des Theatertreffen-Stückemarktes. Mehrfach war Philipp Löhle für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert: 2008 für „Genannt Gospodin“, 2012 für „Das Ding“ und 2014 für „Du (Normen)“. Er war Hausautor am Maxim Gorki Theater in Berlin, am Nationaltheater Mannheim und am Staatstheater Mainz. Auf Einladung des Goethe-Instituts und anderer Institutionen leitete er Schreib- und Theaterworkshops in Japan, Spanien, Burkina Faso, Italien, Argentinien, in der Ukraine und auf Kuba. In Neapel arbeitete er mit dem Ensemble des Nuovo Teatro Sanità unter Leitung von Mario Gelardi in dem von Maria Carmen Morese produzierten Projekt „Cities on the Edge“ zusammen. Seit der Spielzeit 2018/19 ist Philipp Löhle Hausautor am Staatstheater Nürnberg.

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