Im Rahmen von „KunstRaum incontra...“ haben wir Giorgio De Finis getroffen. Er ist der neue Leiter des MACRO, Museum für zeitgenössische Kunst in der Via Nizza, unweit des Goethe-Instituts. Seine Projekte versprechen Leben ins Viertel und in die Stadt zu bringen. Aber wie sieht es eigentlich aus mit dem Zustand der zeitgenössischen Kunst in einer antiken Stadt wie Rom?
Von Sarah Wollberg
Zeitgenössische Kunst allgegenwärtig
Das antike Erbe Roms hat der zeitgenössischen Kunst in der Stadt keinen Einhalt geboten, sondern ihr den Weg geebnet. Rom ist mit Abstand die größte italienische Stadt und als solche steht sie in ihrer Beziehung zur Welt. Wie viele andere Metropolen hat sie ihre Konflikte und Schwierigkeiten, die der Entwicklung der zeitgenössischen Kunst aber fruchtbaren Boden liefern. Besonders in den Jahren seit dem Ausbruch der Krise ist Rom auch dank einer jungen Generation an kreativen Kulturschaffenden voller Initiativen. Nicht immer haben diese große Sichtbarkeit, was ein institutionelles und kein städtisches Problem ist, denn es brodelt an vielen Ecken. Das vielschichtige Rom ist voller Mauern, Stadtviertel und Unterschiede, die sich zu einem großen Mosaik zusammenfügen, das die Gegenwart sehr präsent macht. Das sieht man auch daran, dass die Stadt sehr schnell künstlerisch auf politische oder soziale Vorkommnisse antwortet, indem sie beispielsweise mit Murales und Street Art reagiert.
Gemeinsam stark
Das MAAM, eine große Hausbesetzung mit Street Art-Museum in der Peripherie Roms, deren Gründer und Kurator Giorgio De Finis ist, ist ein Null-Budget-Projekt. Diese Erfahrung nimmt er nun mit ins Stadtinnere in die Via Nizza, wenige Gehminuten vom Goethe-Institut entfernt. Auch das dort im Herbst startende MACRO Asilo wird ohne Geld auskommen. Selbst die Eintrittskarte wurde abgeschafft, damit das Museum zu einem offenen Gemeinschaftsort für alle werden kann. Der Austausch untereinander soll in den dafür neu eingerichteten Räumlichkeiten Angesicht zu Angesicht und nicht per Smartphone oder E-Mail stattfinden. “Ihr seid hier willkommen, ihr seid hier zuhause”, ist die Bedeutung eines Raums namens “Rome”, italienische Pluralform des Stadtnamens Rom, in dem es symbolisch Schubladen für alle zum Ablegen der eigenen Dinge geben wird. Die Einladung richtet sich auch an das Goethe-Institut: “Ihr könnt immer vorbeikommen und uns von euren Projekten erzählen. Vielleicht kommt ihr uns mit einem Künstler besuchen und wir kommen mit unserem Publikum zu den Ausstellungseröffnungen im KunstRaum.” In einem Netzwerk aus vereinten Kräften kann Kultur auch heute noch funktionieren. Ein Museum ohne verschlossene Türen und im ständigem Austausch mit seinen Nachbarn und der ganzen Stadt, mit anderen Kulturmachern, aber vor allem mit den vielen Künstlern: Das MACRO Asilo möchte Hunderte von ihnen kennenlernen und vernetzen. Das was zählt sind nicht die Auszeichnungen, die sie mitbringen, sondern viel mehr die Geschichte, die sie erzählen möchten.
Vielfalt als Reichtum
MACRO Asilo setzt auf dreihundert Künstler in fünfzehn Monaten. Eine große Anzahl mit dem Ziel, die Vielfalt der Künste hervorzuheben. De Finis möchte mit diesem ambitiösen Programm die Künstler aus ihren Ateliers an die Öffentlichkeit bringen und sie in Beziehung zueinander stellen. Wenn sie mit ihren Besonderheiten an einem gemeinsamen Ort arbeiten, dann können sie der Stadt vielleicht noch etwas zeigen und sie mit ihrem Schaffen beeinflussen.
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© Goethe-Institut Italien / Sarah Wollberg
MAAM – Museo dell’altro e dell’altrove, Rom
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© Goethe-Institut Italien / Sarah Wollberg
MAAM – Museo dell’altro e dell’altrove, Rom
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© Goethe-Institut Italien / Sarah Wollberg
MAAM – Museo dell’altro e dell’altrove, Rom
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© Goethe-Institut Italien / Sarah Wollberg
Giorgio De Finis im Goethe-Institut Rom am 15.03.2018
„Kunst ist kein Störfaktor! Kunst ist ein Reichtum, weil sie dem Betrachter neue Sichtweisen auf die Welt bietet. Sie ermöglicht ihm, Vielfalt als Merkmal unserer Zeit zu erkennen.“ Er kontrastiert mit seiner Idee die Tendenz in den modernen Gesellschaften alles zu nivellieren. „In der heutigen Zeit, in der es kaum noch Manifeste gibt, ist jeder Künstler individueller als je zuvor.“ Das Gemeinschaftsprojekt MACRO Asilo möchte diese Einzigartigkeit betonen und auf Unterschiede neugierig machen. „Und wer weiß, was dabei herauskommt: das Auge sagt uns vielleicht, dass wir verschieden sind, aber der künstlerische Entstehungsprozess könnte auch herausfinden, dass wir uns viel ähnlicher sind, als wir geglaubt hätten.” Eins ist sicher, die Hoffnung ist groß, dass MACRO Asilo die Menschen in der Stadt zum Staunen bringen wird.
Wann geht es los?
Startschuss ist am 1. Oktober 2018. In vier Ateliers werden die Künstler im Wechsel immer für ein, zwei Wochen live arbeiten. Zwei weitere leere Räume werden in immer neue Kunstwerke an sich umgewandelt. Wie die Werke selbst, wird auch das Projekt MACRO Asilo im Lauf der Monate Form annehmen und sich wandeln. Und wenn ihr hingeht, vergesst nicht, auch bei uns vorbeizuschauen. KunstRaum Goethe freut sich auf Euch.
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