Kurator:
Valentino Catricalà
Klänge kartieren bedeutet, ihre Richtungen, Verzweigungen und Verflechtungen zu erkennen, etwas zu enthüllen, was die Menschen seit Urzeiten in die Sphäre der konkreten visuellen Wahrnehmung versetzt, ohne dabei auf optische oder anderweitige Hilfsmittel zurückzugreifen. Denn Klänge sind Wellen, die bei passender Ausrichtung neue Horizonte und Vorstellungswelten zu eröffnen vermögen.
Diese neuen Vorstellungswelten stehen im Zentrum des Schaffens von drei der interessantesten Vertreterinnen der zeitgenössischen Kunstszene, deren Arbeiten vom
29. September 2018 bis zum 8. März 2019 im KunstRaum Goethe zu sehen sein werden. In ihnen manifestiert sich die derzeit vorherrschende künstlerische Tendenz,
scheinbar Verborgenes sichtbar zu machen und Elementen Körperlichkeit zu verleihen, die seit jeher als nicht greifbar gelten.
So werden in
Christina Kubischs Arbeit
Analyzing Silence die Schallwellen des in verschiedene Sprachen übersetzten Wortes „Stille“ zu gedruckter Materie. Kartieren bedeutet für sie vor allem, kontinuierlich wechselnde Interpretationsansätze und -perspektiven zu liefern sowie die räumliche Wahrnehmung des Umfelds stets neu zu definieren. Im Rahmen der Ausstellung werden in Rom erstmals ihre
„Electrical Walks“ (elektromagnetische Klangspaziergänge) vorgestellt, für die sie
spezielle Kopfhörer entwickelt hat,
welche elektromagnetische Strahlungen auffangen und in Klänge verwandeln. Die Besucher sind eingeladen, mit diesen Kopfhörern – nach einem von der Künstlerin festgelegten Plan durch verschiedene Stromfelder – einen Spaziergang im Viertel zu unternehmen und sich dabei von dem „Klangkonzert” leiten zu lassen, das ihre Wahrnehmung der Umgebung maßgeblich beeinflussen wird.
Christina Kubisch – Analyzing Silence
| Foto: © Lanzetta
In
Micol Assaëls Arbeit fungiert hingegen das Holz als Klang – Leiter, ein Material, mittels dessen die Töne der Naturelemente sich verbreiten. Um sie wahrzunehmen, muss der Besucher allerdings auf ein hölzernes Podium steigen, das vom Künstler site-spezifisch und eigens für die Ausstellung realisiert wurde.
Micol Assaël – Ohne Titel
| Foto: © Lanzetta
Die beiden Videoinstallationen der britischen Künstlerin
Aura Satz sind zwei Frauen gewidmet, die entscheidend zur Entstehung und Verbreitung der elektronischen Musik beigetragen haben: Daphne Oram und Laurie Spiegel. Das Video
Oramics: Atlantis Anew, ein Tribut an Daphne Oram, Pionierin der British Electronic Music und Mitbegründerin des 1958 entstandenen Radio-Workshops der BBC, befasst sich im Detail mit der von ihr erfundenen
Oramics Machine, einem im Londoner Science-Museum ausgestellten Apparat zur Produktion elektronischer Klänge. Im zweiten Video,
Little Doorways to Paths Not Yet Taken, zeigt Aura Satz einen Querschnitt aus den Studien der Amerikanerin Laurie Spiegel, die vor allem für ihre elektronischen Kompositionen sowie für die Entwicklung einer Software zur Erstellung algorithmischer Partituren bekannt ist.
Aura Satz – Oramics: Atlantis Anew
| Foto: © Aura Satz
Klänge und angewandte Wissenschaften, handgefertigte Instrumente, Software und Algorithmen: All die ausgestellten Arbeiten wollen dem Unsichtbaren Form verleihen, ein Ziel, das heute dank des technologischen Fortschritts und der Künstlichen Intelligenz in greifbare Nähe gerückt ist.
Im Rahmen von Begegnungen, Performances und Workshops soll desweiteren analysiert werden, wie sich die fortschreitende Auflösung der Grenzen zwischen Realität und Virtualität auf unseren Alltag und die Wahrnehmung unserer Lebensräume auswirkt.
Ausstellung „Klangkarten“, 29.09.2018 – 08.03.2019
KunstRaum Goethe