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Das erste bewohnte Museum für zeitgenössische Kunst
Ein bewohntes Haus ist ein glückliches Haus

Zeichnen im MAAM
Ein bewohntes Haus ist ein glückliches Haus | Foto: Christine Pawlata © Goethe-Institut Italien

Konzentriert beugen sich Mia und Michelle an einem heißen Sommertag über ihre Zeichenblätter. „Was seht ihr, wenn ihr aus eurem Fenster schaut? Und was, wenn ihr von außen hineinschaut?“, fragt Lisa Marie Zander, Architektin beim Hamburger transdisziplinären Planungsbüro PlanBude. Auf den Blättern entstehen Fensterläden und Topfpflanzen, ein Paar Schuhe auf Treppenstufen, die zum Spielen und Zusammensitzen einladen.

Von Christine Pawlata

Die beiden Grundschülerinnen wohnen im Metropoliz, einer ehemaligen Salamifabrik am östlichen Stadtrand Roms, die 2009 von dutzenden Wohnungslosen aus der ganzen Welt und Wohnraumaktivist*innen besetzt wurde. Um die Menschen vor Zwangsräumung zu schützen, hatten sie eine besondere Idee: Sie luden internationale Kunstschaffende wie Michelangelo Pistoletto, Alice Pasquini und Gonzalo Borondo ein, um ihr neues Zuhause als Leinwand für ihre Kunstwerke zu verwenden. Mittlerweile sind es mehr als 600 Kunstwerke, vor allem Murals, aber auch Installationen wie das Telekop auf dem Fabriksturm, die hier zu einem eklektischen Gesamtkunstwerk verschmelzen.

Lebensraum für alle

Jeden Samstag öffnen das Metropoliz und das MAAM, Museo dell’Altro e dell’Altrove, zu Deutsch „Museum des Anderen und des Anderweitigen“, das große Eingangstor mit den vielen bunten Briefkästen. So holt das Museum auf der Via Prenestina 913 die Stadt in ihre Lebenswelt und schafft gleichzeitig Lebensraum für die Stadt.

Die Strategie des Museums als Schutz vor Zwangsräumungen ist aufgegangen: Nachdem über die Jahre mehrmals Räumungen angedroht wurden, haben die Stadtverwaltung, der Besitzer des Fabrikgeländes und die Einwohnerschaft eine Einigung gefunden. Das MAAM und die Menschen, die dort leben, dürfen bleiben. Weil das Museum und die Wohnräume nicht den baulichen Normen entsprechen, müssen das Museum jedoch angepasst und neue Wohnungen für die rund 200 ansässigen Personen, die Hälfte davon Minderjährige, gebaut werden.
Zeichnungen eines Mädchens

Zeichnungen eines Mädchens | Foto: Christine Pawlata © Goethe-Institut Italien

Um von Anfang an die Menschen des Metropoliz aktiv bei der Planung des neuen Wohnraums und Museums miteinzubeziehen, lud das Goethe-Institut in Zusammenarbeit mit der Architekturzeitschrift Arch+ im April und Juni 2024 Kunstschaffende, Stadtplaner*innen und Architekt*innen der Gruppen PlanBude aus Hamburg und raumlaborberlin ins MAAM ein. Im Rahmen des Projekts „Ecological Futures“ soll es dabei auch zu einem Wissensaustausch zwischen anderen alternativen und partizipativen Planungsprojekten und dem MAAM kommen.

Alltagswege und Lieblingsorte

„Wir haben versucht, durch die Augen der Bewohner*innen den Ort wahrzunehmen, sind deren alltägliche Wege mitgegangen und haben gefragt: ‚Wo trefft ihr euch? Was sind besondere Orte, die den Alltag ausmachen?‘“, erzählt Lisa Marie Zander von PlanBude. „Wir wollten damit herausfinden, was wirklich wichtig für ihren Alltag ist und welche Orte ihnen wichtig sind zu erhalten.“

Wie die selbstgebauten Treppchen, die Zugang zu den Wohneinheiten in einem der Innenhöfe des Metropoliz geben und die Mia und Michelle auf ihren Zeichenblättern bei einem der Workshops von PlanBude festgehalten haben. Oder diese eine Ecke im Sticker Art Museum, einem Raum, der von oben bis unten mit Stickerkunst beklebt ist, wie ein zeitgenössisches Mosaik. „Hier ist das beste Versteck“, erklärt Darius (10). „Wenn du dich in diese Ecke stellst, kann dich keiner von außen sehen.“

Zander und die Künstlerin und Filmemacherin Margit Czenki von PlanBude verbrachten eine Woche lang im Metropoliz, liefen kreuz und quer mit den Menschen über das riesige Gelände, nahmen an der wöchentlichen Versammlung in der Gemeinschaftsküche teil, organisierten Spiele und einen Zeichenworkshop mit den Kindern, deren Sommerferien gerade angefangen hatten, und kickten mit ihnen auf dem Fußballplatz, dem Herzstück des Metropoliz, der laut den Bewohner*innen unbedingt erhalten bleiben muss.

Über Umwege zu Antworten

Statt direkte Fragen zu stellen, gehe PlanBude Umwege und arbeite mit künstlerischen Mitteln, erklärt Czenki. „Häuser leben oft viel länger als die Menschen, die oft nur kurzzeitig darin wohnen. Daran haben wir mit den Kindern gearbeitet und sie gefragt: ‚Was würde das Museum dem neuen Haus erzählen?‘ oder ‚Was erzählt das Museum über den Alltag?‘, erzählt Lisa Zander. Margit Czenki ergänzt:„Eine Aussage, die dabei herauskam, die wir toll fanden, war: ‚Ein Haus, das viele Bewohner*innen hat, ist ein glückliches Haus. Das Museum ist glücklich, weil es bewohnt wird.‘“

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