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Ausgesprochen ... integriert
Deutschland, deine Mode

Modenation Deutschland? Eher nicht / Katze mit Sonnenbrille und Pullunder
Modenation Deutschland? Eher nicht | © mauritius images / furryfritz - Nils Jacobi

Deutschland, eine Modenation? Weit gefehlt. Möglichst praktisch und bequem ziehen sich die Deutschen an, stellt Sineb el Masrar fest. Ein Text über Jogginghosen und die Vorzüge weißer Socken in Sandalen.

Von Sineb El Masrar

Die Tage werden länger, die Sonne zeigt sich öfter, und es ist die Jahreszeit, in der wir uns quasi im Kollektiv in unsere Jogginghosen werfen. Für die eigenen vier Wände einfach ideal. Aber wer in Berlin oder Frankfurt, Offenbach oder Rostock auf die Straße geht, wird auch außerhalb seiner Kuscheldecke Jogginghosen sichten. Selbst an den richtig kalten Tagen, wenn Mensch der Auffassung ist, das hält doch niemals warm. Aber in Sachen Mode geht es ja bekanntlich nicht ums Warmhalten. Wie oft haben uns unsere Mütter in den 2000ern gesagt, dass wir uns einen langen Pulli oder eine Jacke über unsere tief sitzenden Hüftjeans anziehen sollen. „Wenn du älter bist, wirst du Nierenprobleme bekommen!“, hieß es. Wenn es darum geht, Ferndiagnosen abzugeben, sind unsere medizinisch unausgebildeten Eltern Fachleute.

Hauptsache praktisch

Deutschland und die Mode – da scheint es diese eine goldene Regel zu geben: Stelle das Praktische in den Vordergrund. Vermutlich gehen auf dieses Praktischdenken auch die weißen Socken in Sandalen zurück, für die Deutsche im Ausland bekannt sind. Der Schweiß wird durch die Socken aufgenommen. Träger sieht sofort, wann es Zeit ist, die Socken in die Waschmaschine zu werfen, und einen Fuß-Sonnenbrand gibt es ebenfalls keinen. Wer Sandalen im Hochsommer trägt, weiß, wie schnell man einen schmerzhaften Sonnenbrand bekommen kann.

Modenation Deutschland? Eher nicht

Mode und Schmerz beziehungsweise gesundheitliche Schäden scheinen Hand in Hand zu gehen. Vielleicht sind die Deutschen an diesem Punkt weniger bereit zu leiden als die Menschen in sogenannten Modenationen (zu denen Deutschland eindeutig nicht gehört). Ob Italien, Spanien oder Frankreich –  aus deren Metropolen kommen die schönsten Kreationen, die mal mehr, mal weniger praktikabel sind. „Wer schön sein will, muss leiden“, ist so ein Spruch, der mir schon immer zu blöd war. Weil ich es einfach nicht einsah, mich zu quälen. Gerade was das Schuhwerk angeht. Da bin ich sehr intolerant. Wenn ein Schuh nicht bequem ist, hat er keine Chance.

Trending: der Verwahrlost-Look

Auch wenn ich, wie viele Deutsche auch, das Praktische bevorzuge, muss ich zugeben, dass mir das Sich-gehen-Lassen nicht gefällt. Das beobachte ich dann doch oft auf deutschen Straßen. In Spanien zum Beispiel bin ich regelmäßig davon angetan, wie sich selbst Frauen und Männer im hohen Alter – egal, ob am Gehstock, Rollator oder leicht gebückt – chic kleiden und frisieren. Ich komme mir da regelmäßig etwas verwahrlost vor, wenn ich durch die Straßen von Bilbao, Granada oder Madrid laufe. In Deutschland ging es mir damals als Jugendliche nur in Düsseldorf so. Auch heute noch ist Düsseldorf die Modehauptstadt Deutschlands, obgleich Berlin mit seiner Fashion-Week und vielen Mode-Start-Ups versucht, Düsseldorf den Rang abzulaufen. Berlin bleibt einfach die Stadt, wo Mensch sich modisch ausprobieren kann und gleichzeitig gehen lässt.

Kontrollverlust und Jogginghose

Düsseldorf folgt den internationalen Moderegeln. Dort sehen die Bewohner:innen aus wie aus dem Modemagazin entsprungen. Einmal antwortete meine ebenfalls zugezogenen Freundin auf meine Aussage, dass mir heute danach wäre, in meiner Jogginghose einkaufen zu gehen, dass ich damit in Berlin doch in guter Gesellschaft sei. Damit würde ich nicht auffallen, fast alle würden sich hier gehenlassen. Selbst in der Deutschen Oper habe ich mich gelegentlich gefragt, ob ich modetechnisch nicht vielleicht eher an einer Bushaltestelle sitze. Auf jeden Fall widerstand ich der Versuchung, nur noch in Jogginghosen herumzulaufen und war froh darüber. Denn wie sagte der unverwechselbare Karl Lagerfeld einst, der als Deutscher in Paris fleißig Teil des Modezirkus war: „Wer Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“ Es reicht also, wenn ich in meinen vier Wänden die Kontrolle verliere. Für Draußen gibt es noch Leggings. Aber das ist ein anderes Thema.

 

„AUSGESPROCHEN …“

In unserer Kolumnenreihe „Ausgesprochen …“ schreiben im Wechsel Sineb El Masrar, Susi Bumms und Maximilian Buddenbohm. El Masrar schreibt über Einwanderung und die Multi‑Kulti‑Gesellschaft in Deutschland: Was fällt ihr auf, was ist fremd, wo ergeben sich interessante Einsichten?

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