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Roboter und Popkultur
Ein Flüstern in meinem Ghost

A Cyborg
© Shutterstock

In einer Vielzahl populärer Erzählungen in Romanen, Filmen oder Serien bereichern Roboter die Vorstellungskraft des Publikums. 

Von Priscilla Jolly

Sie kommen als „Cyborgs“ in Ghost in the Shell (1995), als „Replikanten“ in Blade Runner/Blade Runner 2049 (1982, 2017) und als „Technosapiens“ in dem neueren Film After Yang (2021) vor. Die (fälschliche) Zeichnung eines amerikanischen Künstlers, wie die Verdauungsente funktioniert haben könnte Die (fälschliche) Zeichnung eines amerikanischen Künstlers, wie die Verdauungsente funktioniert haben könnte | Von A. Konby (?) - Internet Archive, Public Domain All diese Beispiele stammen zwar aus dem 20. Jahrhundert, doch die Faszination für Roboter und Maschinen hat eine längere Geschichte. Bereits im achtzehnten Jahrhundert schuf der französische Erfinder Jacques Vaucanson „wundersame“ Automaten. Im Jahr 1737 erfand er eine automatisierte Maschine mit dem Namen „Flötenspieler“, die zwölf Lieder spielen konnte. Zwei Jahre später schuf Vaucanson die „Verdauungsente“, eine Nachbildung einer Ente, die quaken, Wasser trinken und fressen konnte. Allerdings hat sich die Vorstellung von Automaten und Robotern seitdem von der Nachbildung einer Ente, die mittels eines versteckten Faches für vorverdautes Futter den Betrachtern vorgaukelte, die Ente sei zu echten biologischen Prozessen fähig, sehr viel weiterentwickelt.

Ein Zufall der Geschichte

Katherine Hayles eröffnet ihr Buch How We Became Posthuman mit einem Szenario, bei dem es um den sogenannten Turing-Test geht, der auch Gegenstand des Films Ex-Machina (2014) ist. Der Turing-Test, auch Imitationsspiel genannt, prüft, inwieweit eine Maschine zu menschenähnlichem Denken und Bewusstsein fähig ist. Hayles Die „Standardinterpretation“ des Turing-Tests, bei der C, der Befragende, die Aufgabe hat herauszufinden, welcher Teilnehmende - A oder B - ein Computer und welcher ein Mensch ist. Der Befragende ist hierbei auf schriftliche Kommunikation beschränkt. Die „Standardinterpretation“ des Turing-Tests, bei der C, der Befragende, die Aufgabe hat herauszufinden, welcher Teilnehmende - A oder B - ein Computer und welcher ein Mensch ist. Der Befragende ist hierbei auf schriftliche Kommunikation beschränkt. | © Hugo Férée, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons schreibt, dass der Turing-Test einen Moment einfängt, in dem Intelligenz zu einem Akt des Spiels mit Symbolen und der Manipulation von Informationen wird, anstatt etwas zu sein, das in menschliches Fleisch gehüllt ist.¹ Dies ist ein Merkmal der posthumanen Sichtweise, die den biologischen menschlichen Körper „eher als einen Unfall der Geschichte denn als eine Unvermeidlichkeit des Lebens“ betrachtet¹.  Abgesehen davon geht es in Darstellungen von Roboterzukünften häufig um verschiedene Merkmale des Menschseins, sei es, dass der Roboter im Hinblick auf sein Aussehen menschlich ist oder menschliche Verhaltensweisen zeigt.

Der Cyberpunk-Film Ghost in the Shell stellt seine Protagonistin Major Motoko Kusanagi vor, die im öffentlichen Sicherheitsdienst arbeitet. Der Film zeigt eine Zukunft, in der menschliche Körper durch kybernetische Implantate erweitert werden können. In den Körpern/Hüllen werden Cybergehirne untergebracht, die mit dem Internet und anderen Informationsnetzen verbunden werden können. Während der Film die Vorteile eines technologisch veränderten Körpers aufzeigt, dessen physische und intellektuelle Fähigkeiten über die menschlichen Grenzen hinausgehen, enthält er auch Überlegungen zur „menschlichen“ Identität. Im Laufe des Films fragt sich die Hauptdarstellerin, ob der „echte“ Teil in ihr schon vor langer Zeit gestorben ist und sie jetzt nur noch ein Cyborg-Körper und ein Computergehirn ist.

Die Anfechtung von Dualismen

Es ist schier unmöglich, über Cyborgs zu schreiben, ohne auf Donna Haraways bahnbrechendes Werk A Cyborg Manifesto Bezug zu nehmen. Haraway beschreibt Cyborgs als „kybernetische Organismen, Hybride aus Maschine und Organismus, ebenso Geschöpfe der gesellschaftlichen Wirklichkeit wie der Fiktion“².  Für Haraway verkörpert ein Cyborg eine Verwirrung der Grenzen und stellt Dualismen in Frage, die ein Markenzeichen der westlichen Kultur waren. Dazu gehören u.a. das Selbst/Andere, Geist/Körper, männlich/weiblich. In populären Darstellungen von Robotern wird die Dualität von Selbst und Anderem oft durchgespielt. Das Menschsein wird zu einer Eigenschaft, die auf Kosten dessen definiert wird, was nicht menschlich ist.³

Ex-Machina und Blade Runner bieten unterschiedliche Illustrationen der Qualität des Menschseins. In Ex-Machina werden zwei Roboter vorgestellt: Ava und Kyoko. Ava hat den Turing-Test bereits bestanden. Sie nimmt an einer Reihe von Gesprächen mit einem Beobachter teil, der feststellen soll, ob sie ein Bewusstsein hat. Wenn Bewusstsein ein einzigartiges menschliches Merkmal ist, das Ava auszeichnet, dann zeigt Kyoko das Gegenteil. Kyoko ist stumm; ihr Schöpfer behauptet, dass sie kein Englisch versteht, und sie existiert nur, um Haushaltspflichten zu erfüllen und die sexuellen Bedürfnisse ihres Schöpfers zu befriedigen. Ava, die als Weiße kodiert ist, darf ihre Denkfähigkeit ausüben, während die als Asiatin kodierte Kyoko im Film stumm gemacht wird. Die Hierarchien innerhalb der Welt der Menschen werden auch in der Roboterdarstellung deutlich.

„Ein Herz zu haben, bricht einem das Herz“

In Blade Runner wird der Dualismus zwischen dem Selbst und dem Anderen auf eine andere Weise dargestellt. K, der Replikant, der als Detektiv arbeitet, wird auf abfällige Art und Weise bezeichnet: er sei ein „Skin Job“ und ein „Skinner“, was bedeutet, dass seine Menschlichkeit nur oberflächlich ist. Vergleichen Sie den Replikanten K mit seiner holografischen Freundin Joi. Während K sich mit der stratifizierten Gesellschaft auseinandersetzt, kümmert sich Joi, die nicht verkörperte holografische Form, um ihn. Sowohl in Ex-Machina als auch in Blade Runner werden also Roboter mit Pflegearbeiten betraut: Kyoko, die den Haushalt führt und ihrem Schöpfer sexuell dient, und Joi, die K mit Gesprächen zu beruhigen versucht.

Die Rolle der Pflege wird auch in dem japanischen Film Air Doll (2009) thematisiert, in dem eine aufblasbare Sexpuppe zum Leben erweckt wird. Der Film handelt zwar nicht von einem Roboter, zeigt aber in der Puppe Nozomi eine weitere charakteristische Facette der Darstellung von Robotern in der Populärkultur: ein „Herz“ oder ein Bewusstsein, das für Menschlichkeit steht. Nachdem sie ein Herz entwickelt hat, verbringt Nozomi ihre Zeit damit, zu lernen, als Mensch durchzugehen. Zum Beispiel ist sie überglücklich, als sie entdeckt, dass sie die Nähte ihres aufgeblähten Körpers mit einem Abdeckstift verbergen kann. In einem Akt der Fürsorge bietet Nozomi einer Frau auf der Straße, die eine durchsichtige Strumpfhose mit schwarzen Nähten trägt, ihre Abdeckcreme an, als sie irrtümlich denkt, dass die Nähte bedeuten, dass auch die Frau eine lebendig gewordene Puppe ist. Nozomi wird von den Männern im Film benutzt, um ihre sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen, und sie kommt zu dem Schluss, dass „ein Herz zu haben, einem das Herz bricht“.

Die Praxis der Pflege und die Frage der Erinnerung werden auch in After Yang angesprochen. Der Film spielt in einer Zukunft, in der es eine neue Klasse von Lebewesen namens „Technosapiens“ gibt. Yang, eine KI, die lustige Fakten über die chinesische Kultur besitzt, wird von einer Familie gekauft, um ihrer Tochter Mika, einem chinesischen Adoptivkind, zu helfen, eine Verbindung zu ihrer Herkunft herzustellen. Mika nennt Yang gēge (哥哥), Mandarin für „älterer Bruder“, während Yang Mika mèimei (妹妹) nennt, was „jüngere Schwester“ bedeutet und auf die verwandtschaftlichen Bande zwischen ihnen anspielt.
 
© Sky
Der Film zeigt, wie Yangs denkwürdigste Momente in seinem Leben mit Menschen zu tun haben, denen er sich verbunden fühlt, was für einen Technosapiens beispiellos ist. Das Gedächtnis und die Verbundenheit mit Menschen werden als menschliche Eigenschaft dargestellt. Ähnlich wie K aus Blade Runner sehen wir, wie Yang sich wünscht, er hätte „echte“ Erinnerungen. Das Gedächtnis, nicht Simulationen oder Implantate, wird zu einem entscheidenden Merkmal des Menschseins.

Von den Realitäten der Welt abgekoppelt

Ob die Cyborgs aus Ghost in the Shell oder die „Techno“-Pflegekräfte aus After Yang – die Frage nach Robotern und Popkultur ist mit der Frage nach der Arbeit verbunden. Roboterkörper verrichten oft Arbeiten, die für Menschen unerwünscht sind, darunter Tätigkeiten in der Pflege und Sexarbeiten. Wie der CEO aus Blade Runner es ausdrückt: „Jede Zivilisation wurde auf der Grundlage von Wegwerfarbeitskräften aufgebaut.“ Diese Beobachtung wirft die Frage nach den Antrieben auf, die die Vorstellung von techno-futuristischen Utopien und Dystopien antreiben. Welche Art von Arbeit wird auf Roboterkörper übertragen? Welche Auswirkungen hat ein solcher Schritt auf die heutige Gesellschaft?

Nehmen wir zum Beispiel das derzeit omnipräsente KI-Tool Chat GPT. Eine Untersuchung des Time Magazine ergab, dass das Unternehmen Open AI zur Bereinigung des von Chat GPT produzierten rassistischen und sexistischen Materials Arbeitskräfte aus Kenia angestellt und mit weniger als zwei Dollar pro Stunde entlohnt hat. Diese Arbeiter*innen überprüften und bereinigten unangemessenes Material, so dass Chat GPT für den öffentlichen Konsum besser geeignet und sicherer wurde. Während Chat GPT seinen Nutzer*innen als körperlose Informationsquelle erscheint, zeigt diese Untersuchung, dass diese Illusion auf dem Rücken der Arbeiter*innen in Kenia aufrechterhalten wird. Diese Entwicklung stellt das Bild der von den Realitäten der Welt abgekoppelten Maschine in Frage. Die Wissenschaft hat gezeigt, wie bestehende Vorurteile durch die Technologie reproduziert werden. Denken Sie in diesem Zusammenhang an den Begriff des „Geistes“ aus Ghost in the Shell zurück. Welche gespenstischen Erscheinungen treiben technologische Träume an? Wessen Arbeit treibt diese an? Wie Haraway uns erinnert, „gab es immer die Vorahnung des Geistes in der Maschine“.²
 

Fußnoten

º Der Titel dieses Artikels ist von dem Cyberpunk-Film Ghost in the Shell (1995) inspiriert. Der Titel des Films ist eine Anspielung auf ein Bewusstsein, das eine körperliche Hülle bewohnt.

¹ Hayles, Katherine, „How We Became Posthuman: Virtual Bodies“ in Cybernetics, Literature, and Informatics (Chicago: The University of Chicago Press, 1999)

² Haraway, Donna, „Ein Manifest für Cyborgs. Feminismus im Streit mit den Technowissenschaften“, in: Haraway, Donna: Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen. Frankfurt a. M. und New York 1995. S. 33- 72. (Erstmals erschienen unter: Haraway, Donna: Manifesto for Cyborgs: Science, Technology, and Socialist Feminism in the 1980's. In: Socialist Review 80. 1985. S. 65-108.), S. 1 und 3.

³ Auch die Geschichte des 'Menschen' als Kategorie ist hier von Bedeutung. Neuere Arbeiten schwarzer Philosophen haben gezeigt, wie 'der Mensch' als Kategorie konstruiert wurde, indem rassifizierte Völker in der ganzen Welt ausgeschlossen wurden. Sylvia Wynter schreibt zum Beispiel über die Erfindung der Kategorie 'Mensch', die für die Entwicklung des Konzepts des Menschseins entscheidend war. Die Kategorien 'Mensch' und 'Menschlichkeit' wurden durch den Ausschluss rassifizierter Menschen geschaffen. Siehe Wynter, Sylvia, „Unsettling the Coloniality of Being/Power/Truth/Freedom: Towards the Human, After Man, Its Overrepresentation--An Argument“, The New Centennial Review, 3, no. 3, (2003): 257-337. Für eine Zusammenfassung von Wynters Argumentation über 'das Menschiche' siehe McKittrick, Katherine, “Demonic Grounds: Sylvia Wynter,” in Demonic Grounds: Black Women and the Cartographies of Struggle (Minneapolis: University of Minnesota Press, 2006), 124-127. Des weiteren siehe Weheliye, Alexander, Habeas Viscus: Racializing Assemblages, Biopolitics, and Black Feminist Theories of the Human (Durham: Duke University Press, 2014).

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