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Durch den deutschen Alltag: Öffi-Edition
Die Deutschen und die Öffis

Verschiedene Fotos auf blauem Hintergrund. Bild 1:  Vintage Bild von Rolltreppenfahrt. Bild 2:  Bahnsteig mit vielen Menschen aus der Vogelperspektive. Bild 3: ein Ubahnschild, bei dem das U durchgestrichen ist. Bild 4: ein Schild mit einem Ubahn und mehreren Sbahnzeichen und der Ortsangabe "Jungfernstieg"
Grafik © Lena Maurer; picture alliance / Bildagentur-online/Joko | Bildagentur-online/Joko; picture alliance / imageBROKER | Karl-Heinz Spremberg; picture alliance / SvenSimon | SVEN SIMON; picture alliance/dpa | Bodo Marks

Andere Länder, andere Sitten. Die Südtirolerin Lena Maurer erzählt über ihre kleinen Kulturschockmomente aus dem deutschen Alltag. Dieses Mal: Die Deutschen und der öffentliche Nah- und Fernverkehr.

Von Lena Maurer

Ich liebe Rolltreppen. Sie bringen einen entspannt nach oben oder unten, ersparen die Suche nach einem Aufzug bei schwerem Gepäck und sind – mal ehrlich – einfach faszinierend. Eine Treppe, die rollt! Hallo?

Als Kind konnte ich nicht genug von Rolltreppen bekommen. Das hatte mehrere Gründe (nochmal: eine Treppe, die rollt!), vor allem war es der Tatsache geschuldet, dass es in meiner Heimat keine Rolltreppen gab. Als Landei einer Südtiroler Bergprovinz war ich daher begeistert, in eine deutsche Großstadt zu ziehen, in der Rolltreppen zum Alltag gehörten. Diese naive Freude hielt genau eine Rolltreppenfahrt an – dann wurde ich angepflaumt.  „Können Sie mal zur Seite gehen?“, meinte eine Person hinter mir, „links gehen, rechts stehen, das weiß ja wohl jeder.“

Bis zu dem Zeitpunkt war mir noch nicht klar, wie viele ungeschriebene Regeln es in Deutschland gibt und wie böse die Blicke sein können, wenn man diese nicht beachtet. Um ein paar ahnungslose Touris, Neuankömmlinge und Deutschlandfremde vor ähnlichen Erlebnissen zu schützen, folgen daher ein paar meiner Erkenntnisse aus dem Bereich „öffentlicher Nah- und Fernverkehr“ – von den Deutschen liebevoll „Öffis“ genannt.

Links gehen, rechts stehen.

Es ist wohl das wichtigste Rolltreppengesetz, das übrigens nicht nur in Deutschland gilt. Wenn man die Rolltreppe stehend nach oben zuckeln will, dann bleibt man auf der rechten Seite der Treppe. Alle eiligen Personen können links vorbeilaufen. Obwohl dadurch manchmal rechts ein Stau entsteht, halten die Deutschen eisern an dieser Regel fest. So richtig sinnvoll ist das allerdings nicht immer.

In einem britischen Experiment wurde herausgefunden, dass mehr Menschen zeitgleich befördert werden könnten, wenn sie sowohl rechts als auch links stehen würden. Ob diese Erkenntnis an der ungeschriebenen Rolltreppen-Etikette etwas ändert, wage ich allerdings zu bezweifeln.

Zuerst aussteigen, dann einsteigen.

Nachdem man die Rolltreppenfahrt am Bahnhof erfolgreich hinter sich gebracht hat, gilt als nächstes das (ebenfalls länderübergreifende) Gesetz: „Zuerst aussteigen lassen, dann einsteigen.“ Wenn die Türen eines öffentlichen Verkehrsmittels aufgehen, dann warten die Deutschen, bis alle ausgestiegen sind, erst dann wird eingestiegen. Ein Gebot, das durchaus Sinn ergibt – bei dem man aber auch am meisten Unverständnis kassiert, wenn man es gedankenverloren missachtet.

Eine Stecknadel ist da, um sie fallen zu hören - außer im ICE.

Den Deutschen ist es wichtig, dass es im öffentlichen Nahverkehr leise zugeht. Schreiende Kinder und laute Gespräche werden genervt beäugt und alles, was mit Telefon-Geräuschen zu tun hat, wird bestenfalls im Flüsterton geduldet. Videogespräche ohne Kopfhörer werden daher mit absolutem Unverständnis bestraft.
Man sieht ein Zugabteil, davor eine Glasscheibe auf der "Ruhebereich" und "Quit Zone" geschrieben steht.

Im Ruhebereich der ICEs ist reden und telefonieren nicht erlaubt. | Foto (Detail) © picture alliance / Norbert Schmidt | Norbert SCHMIDT

Das Ganze gilt auch im Ruhebereich der Intercity-Express-Züge, genannt ICEs. Sonderbar ist allerdings, dass in allen anderen ICE-Abteilen Anarchie zu herrschen scheint. Videocalls mit den Kolleg*innen über Teams, Junggesell*innenabschiede und Freund*innen, die zur Vorbereitung auf das gemeinsame Wochenende um acht Uhr morgens Prosecco schlürfen – all das scheint im ICE ein deutlich kleineres Problem zu sein als im öffentlichen Nahverkehr und wird zumeist weitgehend toleriert.

Bahnfahren in Uniform

Es gibt keinen Grund zur Sorge, wenn man in einem ICE Soldat*innen in Uniform begegnet. Im Gegenteil! Da anscheinend die bloße Anwesenheit von Soldat*innen das Sicherheitsgefühl der Deutschen erhöht und die Bundeswehr in der Öffentlichkeit sichtbarer werden soll, dürfen diese seit 2020 gratis fahren. Doch bevor ihr euch nun alle eine Bahncard 100 in Form einer Uniform zulegt: Die Dienstkleidung der Bundeswehr allein reicht nicht aus. Es bedarf noch einen Truppenausweis und ein gültiges Bundeswehr-Ticket.

Leere U-Bahnen werden mit aller Macht bevorzugt.

Einen meiner absurdesten Momente rund um die deutschen „Öffis“ hatte ich bei einem Konzert.  Dort lernte ich, dass es tatsächlich Menschen gibt, die freiwillig vor Konzertende nach Hause gehen, um nicht im Stau oder einer vollen U-Bahn zu landen. Es ist mir ein Rätsel, wie man leere U-Bahnen den letzten Songs einer Band vorziehen kann, aber anscheinend ist die Ablehnung gegen volle U-Bahnen in Deutschland groß.

Und wenn nicht schon vor Ende des Konzerts gefahren wird, dann wird nach dem Event gedrängelt, damit man SO SCHNELL WIE MÖGLICH von dem Veranstaltungsort wegkommt. Daher mein Tipp, liebe Nicht-Deutsche: Bleibt einfach so lange ihr könnt, feiert noch ein bisschen und genießt die leeren U-Bahnen, wenn alle anderen schon längst abgefahren sind.

DAS Öffi-Smalltalkthema: Die Deutsche Bahn

Um sich als Deutschlandkenner*in auszugeben, ist es bei einem Gespräch über die Öffis absolut essenziell, mindestens einmal zu erwähnen, wie schrecklich Zugfahrten mit der Deutschen Bahn sind. Selbst wenn man gerade die Traum-Zugfahrt seines Lebens hatte, sollte man auf keinen Fall zu positiv davon erzählen. Das höchste der Gefühle ist die Aussage: „Bei mir kam sie dieses Mal tatsächlich pünktlich.“

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