7 Fragen an Anna Maria Curci
„Alternanza scuola–lavoro“
Die italienische Schulreform „la Buona Scuola“ vom Juli 2015 hat die sogenannte Alternanza scuola-lavoro verpflichtend eingeführt. Danach sind Schulen der Sekundarstufe II dazu verpflichtet, den Schülern der letzten drei Jahrgangsstufen eine Mindeststundenzahl an betrieblicher Praxiserfahrung zu ermöglichen.
Anna Maria Curci, Deutschlehrerin am neusprachlichen Zweig des ITC „Vincenzo Arangio Ruiz“ in Rom, hat mit ihren Schülern ein ehrgeiziges Projekt durchgeführt.
Im Folgenden erklärt sie, wie man Alternanza-Programme an der Schule organisieren kann.
Worin bestand Ihr Projekt?
Gegenstand unseres Projekts war die Übersetzung des Internetauftritts des IFO-Krankenhauses in Rom (Nationales Zentrum für Tumorerkrankungen „Regina Elena“ - Dermatologisches Institut „San Gallicano“) ins Deutsche, und zwar durch die Schülerinnen und Schüler der vorletzten Jahrgangsstufe (Klasse 4 A). Dies geschah mit sprachlicher Beratung durch die Deutschlehrerinnen. Die übersetzten Texte wurden von den Schülern größtenteils selbst hochgeladen. Um dies möglich zu machen, wurden die Schüler vom zuständigen Tutor des Krankenhauses darin instruiert, wie das für die Inhalte des Internetauftritts genutzte Content Management System „Magnolia“ funktioniert.
Wie kam der Kontakt zu dem römischen Krankenhaus zustande? Welche Möglichkeiten sehen Sie allgemein, Partner zu identifizieren und für die “Alternanza” zu gewinnen?
Den Kontakt knüpfte die Lehrerin, die an unserer Schule für die Organisation von Alternanza-Aktivitäten zuständig ist. Da wir an der Schule auch den Zweig IT und Telekommunikation haben, lag es nahe, an Praxiserfahrungen zu denken, die die Schüler dieses Zweigs am IFO-Krankenhaus leisten können. Wir kamen so über eine Kooperation ins Gespräch, aus dem die Bitte des Krankenhauses an uns erging, den bereits auf Italienisch und Englisch vorhandenen Internetauftritt in weitere Sprachen zu übersetzen. Die Erfahrungen aus dem glücklichen Zusammentreffen mit IFO haben gezeigt, wie wichtig es ist, bei der Projektpartnerwahl die Merkmale und Aktivitäten des Unternehmens einerseits und die Kompetenzen der Schüler mit Blick auf ihren Lehrplan andererseits zu berücksichtigen. Im Allgemeinen kann ich sagen, dass man bei der Suche nach Projektpartnern alle schulischen Akteure aktivieren sollte: So haben wir Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler wie auch Eltern gebeten, Personen, Unternehmen und Institutionen zu nennen, mit denen eine Kooperation angebahnt werden könnte. Auf diese Weise wurde eine Reihe von Vorschlägen gesammelt, um – in unserem Fall abgestimmt auf den Lehrplan des neusprachlichen Zweigs – mit kleinen und mittelgroßen Verlagen, Kulturvereinen, Reiseführern und lokalen Unternehmen zusammenzuarbeiten, wie wir es bereits im Rahmen des Ideenwettbewerbs „Unternehmen Deutsch“ erfolgreich getan haben. Für beide Seiten, also für Schule und Betrieb, sind die öffentliche Wahrnehmung, Diversifizierung und Innovation ganz konkrete Motivationsgründe.
Bevor sich Ihre Schüler an die Arbeit machten, waren vorbereitende Schritte notwendig. Welche Personen oder Stellen müssen bei der Planung aktiv werden?
Bevor es losging, wurde eine detaillierte Ausbildungsvereinbarung unterzeichnet, in der Zielsetzungen und Aufgaben sowohl der Schule als auch des Unternehmens formuliert wurden. Aus fremdsprachendidaktischer Sicht war es entscheidend, ein Protokoll über die schriftliche Sprachmittlung zu erstellen, das die entsprechenden Projektphasen und Prozeduren regelte. Ein wichtiger vorbereitender Schritt war die Analyse des hervorragend gestalteten Internetauftritts des Berliner Charité-Krankenhauses, aber auch das Ausfindigmachen von Print- und Online-Nachschlagewerken, d.h. Wörterbüchern, Glossaren, Enzyklopedien.
Grundsätzlich ist bei der Aufstellung eines konkreten Aktionsplans für Alternanza-Aktivitäten das Zusammenwirken verschiedener Akteure von Bedeutung: auf institutioneller Seite die Schulleitung und der/die Alternanza-Referent/in, auf sprachberatender und methodologischer Seite die Deutschlehrkraft (Sprach-, Konversations- und Landeskundelehrer an Gymnasien) sowie andere Fachlehrer (bei fachsprachlichen Termini und spezifischen Erfordernissen der Projektarbeit, z.B. der Naturwissenschaftslehrer bei einem Umweltprojekt, der Kunstgeschichtslehrer bei einem Reiseführerprojekt, der Italienischlehrer bei einem Verlagsprojekt etc.). Außerdem sollten die Lehrkräfte der einzelnen Klassenkonferenzen sowie des gesamten Lehrerkollegiums die „curriculare Würde“ von Alternanza-Aktivitäten als Bestandteil des Lehrplans anerkennen. Eine wichtige Rolle kommt schließlich dem betrieblichen Ausbilder (Tutor) zu, und zwar bei der gemeinsamen Abstimmung der Projektphasen und des jeweiligen Vorgehens.
Welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden, damit das Engagement der Schüler als Alternanza-Stunden anerkannt wird? Lässt sich der zeitliche Aufwand immer quantifizieren?
Die zwischen der Schule und dem Unternehmen abgeschlossene Ausbildungsvereinbarung ist eine der Voraussetzungen für die Anerkennung der Alternanza -Stunden der Schüler, denn dadurch verpflichten sich alle Beteiligten zur Einhaltung der Zielvorgaben, Ergebniserwartungen und Fristen. Der Faktor Zeit erfordert eine laufende Überprüfung, denn angesichts so komplexer Aufgaben wie im vorliegenden Fall muss man sich vernünftigerweise darauf einstellen, dass sie mehr Zeit als geplant in Anspruch nehmen. Hinzu kommt, dass es nicht immer möglich ist, die gesamte Arbeit außerhalb der geleisteten Präsenzstunden im Detail zu quantifizieren. Und wichtig ist schließlich, dass man bestimmte Termine innerhalb des Schuljahres einhält und beispielsweise vermeidet, dass ein komplexes Alternanza-Projekt mit Prüfungszeiträumen zusammenfällt. Damit das Schülerengagement von der Schule anerkannt wird, müssen Alternanza-Aktivitäten als voll anerkannte Bestandteile des schulischen Bildungsangebots gelten.
Ihr Vorhaben war besonders ehrgeizig. Welchen Schwierigkeiten sahen Sie sich ausgesetzt?
Die Übersetzung der Website eines Krankenhauses setzt differenzierte sprachliche Kenntnisse und sprachlich-kommunikative Kompetenzen im Allgemeinen wie im Besonderen in der Fachsprache Medizin voraus. Die Schüler müssen über die Schwierigkeiten und Tücken der ihnen übertragenen Aufgaben informiert werden, zugleich waren in sämtlichen Prozessabschnitten Unterstützung und Beratung zu leisten. Alle beteiligten Akteure müssen sich der Herausforderung gemeinsam stellen. Derart komplexe Projekte besitzen eine große Innovationskraft für die Didaktik und die Lernprozesse, was nicht immer von allen Beteiligten voll und ganz verstanden wird. Die Projekte sind weder ein Spiel noch ein Hindernis für den Schulbetrieb nach Lehrplan. Voraussetzung sind das entsprechende Bewusstsein und die Bereitschaft zur Projekt- und Teamarbeit seitens sämtlicher Mitwirkender im Unternehmen und in der Schule.
Haben sich die Mühen für Ihre Schüler gelohnt?
Die Anstrengungen der Schüler, die großes Lob verdienen, wurden dadurch belohnt, dass sie ihre Kompetenzen deutlich erweitern konnten: nicht nur sprachlich-kommunikative, sondern auch metasprachliche und metakognitive Kompetenzen sowie planerische Fähigkeiten. Aufgabenteilung, Arbeitsstrukturierung, Festlegung von Zielen gingen einher mit dem Aufbau eines vollwertigen Italienisch-Deutsch-Medizinglossars. Der konkrete Kontakt mit der Berufswelt hat die planerischen und organisatorischen Kompetenzen der Schüler und deren Fähigkeiten der Netzwerkbildung und Teamarbeit wie auch der Aufgabenteilung und -erfüllung gefördert und konsolidiert.
Können Sie uns noch einen abschließenden Tipp geben?
Nie im Alleingang handeln. Denn Misstrauen und Widerstände können nur überwunden werden, wenn es gelingt, eine Kultur des gemeinsamen Planens aufzubauen.
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