Schüler-Demos für Umweltschutz #FridaysForFuture: Eine neue globale Protest-Generation?
Weltweit demonstrieren seit Monaten Schüler für Klimagerechtigkeit. In Deutschland ist „Fridays for Future“ besonders stark. Wie wird der Protest in Japan umgesetzt?
Sie fordern „mit der Erde im Einklang zu leben“ und „Klimagerechtigkeit“. Am 15. März 2019 beteiligten sich in Tokyo 125 Demonstrierende am globalen Streik der Bewegung „Fridays for Future“. Nach Angaben der Organisatoren haben weltweit rund eine Million Schüler in 125 Ländern mitgemacht. In keinem anderen Land waren die Proteste so groß wie in Deutschland. Dort streikten rund 300.000 Schüler:
Was ist die Fridays for Future-Bewegung?
Hinter der Bewegung steckt die 16-jährige Schwedin Greta Thunberg. Sie saß letzten Sommer drei Wochen vor dem schwedischen Parlament statt zur Schule zu gehen. Ihre Forderung: Die Regierung soll sich ans Pariser Klimaabkommen halten und die Erderwärmung auf unter zwei Grad begrenzen. Mittlerweile streikt Thunberg nur noch freitags, aber ihr Engagement hat Jugendliche weltweit inspiriert, für Klimagerechtigkeit zu demonstrieren.
In Deutschland haben die Proteste das Thema Klimawandel wieder stärker auf die politische Agenda gesetzt. Und gleichzeitig das Vorurteil entkräftet, das sich junge Menschen gar nicht für Politik interessieren würden. Gleichzeitig wird aber auch viel über das Schulschwänzen der Protestierenden diskutiert. Kritiker sagen: Wer es ernst meint, kann auch am Wochenende demonstrieren.
Proteste in Japan: „Großdemonstration“ mit 125 Teilnehmern
In Japan sehen die Proteste anders aus: Es demonstrieren vor allem Studenten und Oberstufenschüler – und das nur einmal im Monat. Außerhalb von Tokyo gibt es nur noch in Nagoya und Kyoto Proteste. Obwohl nur wenige Menschen auf die Straße gehen, berichten viele Medien darüber. Was motiviert die japanischen Demonstranten? Die Online-Redaktion des Goethe-Instituts Tokyo hat bei einem Planungstreffen mit einigen Teilnehmern von Fridays for Future in Tokyo gesprochen.
Eine bunte Runde begrüßt uns im Yoyogi-Park, der vor allem für Hanami, das Betrachten der Kirschblüte, bekannt ist. In dieser lockeren Atmosphäre wollen die Organisatoren den nächsten „Global Strike“ der Bewegung am 24. Mai planen und individuelle Handlungsmöglichkeiten besprechen, um beispielsweise plastikfrei zu leben oder die Wende in Japan hin zu erneuerbaren Energien zu unterstützen. Es sind auch viele Nicht-Japaner gekommen, die die Bewegung in Japan unterstützen möchten. Alle Anwesenden sind international interessiert, einige waren zum Schüleraustausch zum Beispiel in den USA oder Frankreich. Dass die japanischen Politiker sich bis jetzt noch nicht zur Bewegung geäußert haben, interessiert sie hier weniger – vielmehr wollen sie durch ihre Vorbildfunktion eine weiche Veränderung herbeiführen. Dafür gibt es positive Resonanz: Die Facebook-Seite „Fridays for Future Japan“ wächst rasant und konnte seit dem Launch vor 6 Wochen über 730 Follower zusammenbringen.
Tomo, 17: Tomo geht in die Oberstufe. Ihre Schule orientiert sich an der Reformpädagogik Rudolf Steiners – das gäbe ihr schon einen Vorsprung in Sachen Umweltbewusstsein, das in Japan sonst oft noch fehle, sagt sie. „Viele wissen nichts von den Folgen des Klimawandels oder sind ratlos, was sie selbst tun können. Dafür wollen wir ein größeres Bewusstsein schaffen.“ Wie soll das in Japan umgesetzt werden? „Wir müssen hier eine ganz eigene Protestkultur entwickeln, denn so etwas gibt es bisher nicht (まだデモ文化がない). Es bringt nichts, die Leute bevormunden zu wollen. Sie müssen aus sich heraus etwas verändern wollen. Unsere neue Protestkultur soll freundlich und wohlwollend sein, damit die Menschen sich auf der Grundlage von Wissen freiwillig und leicht für Umweltschutz begeistern. Am besten wäre es, wenn Klimawandel und Umweltschutz im Alltag zum Gesprächsthema werden würden, ein ‚everybody knows‘.“
Kim, 18: „Ein Ausländer kann die Japaner durch seinen Protest nicht direkt beeinflussen“, meint Kim. „Die Veränderung muss aus dem Land selbst kommen, aus den Menschen.“ Doch das hält die 18-jährige Vietnamesin nicht davon ab, Fridays for Future in Tokyo zu unterstützen. Denn die Demonstrationen zeigen der Studentin, dass die Bewegung Menschen aller Altersklassen erreicht. „Von kleinen Kindern über Oberstufenschülern bis hin zu Studenten waren am 15. März alle dabei. Sogar mein Professor hat mitdemonstriert.“ Teil dieser Bewegung zu sein, ist Kim wichtig, schon in Vietnam war sie in der Divestment-Bewegung aktiv und engagierte sich für Umweltthemen. Deswegen hat sie auch eine klare Haltung, ob es Schüler erlaubt sein sollte, die Schule schwänzen sollten, um an den Protesten teilzunehmen. „Kinder lernen dann am besten, wenn sie etwas direkt erfahren und daran teilhaben. Man kann in der Schule nicht über die Umwelt reden und die Schüler dann daran hindern, die Umwelt zu schützen.“
Ben, 15: Ben möchte eine Präsentation über Fridays for Future für ihren Englisch-Unterricht vorbereiten. „Wir diskutieren im Unterricht über den Umgang verschiedener Länder mit Umweltproblemen. Ich habe bei Instagram recherchiert und gesehen, dass Fridays for Future auch in Tokyo aktiv ist. Ich möchte mich heute gerne mit den anderen hier austauschen und dann in meiner Schule darüber berichten.“ Sie kann sich aber nicht vorstellen, selbst zu demonstrieren – sie würde zwar nicht mit Sanktionen rechnen, führt aber praktische Gründe an: „Ich habe gar keine Zeit, weil ich mich für die Eignungsprüfungen zur Oberstufe vorbereiten muss. Deshalb protestieren in Japan eher Oberstufenschüler und Leute, die schon an der Uni sind. Aber ich finde die Bewegung und ihre Anliegen sehr wichtig und möchte mit meiner Präsentation auch einen Teil dazu beitragen, dass sie mehr Aufmerksamkeit findet.“
Joschi, 18: Joschi besucht gerade den japanischen Teil seiner Familie. Er kommt aus Lüneburg, ist Mitorganisator der dortigen Regionalgruppe von Fridays for Future und kümmert sich um die Vernetzung mit der Initiative in Tokyo. Wie nimmt er deren Aktivitäten wahr? „In Japan geht es vor allem erstmal darum, Positionen zu finden. Zum Beispiel ist das Wissen um Umweltprobleme durch Massentierhaltung noch nicht so verbreitet. In Deutschland wird Protest schon seit Längerem spannend und bunt gestaltet. Auch das gibt es hier bisher nicht, Demonstrationen mit 100 Leuten gelten schon als groß. Aber die Leute von Fridays for Future in Japan entwickeln da gerade eigene Konzepte und schauen, was sie an Inspirationen übernehmen können.“ Welche Bedeutung hat Fridays for Future in Japan für die weltweite Bewegung? „In Deutschland konnten wir damit werben, dass Japan auch mitmacht. Es hat einen großen Symbolwert, dass sich auch Jugendliche in anderen Industriestaaten für Klimagerechtigkeit engagieren.“
Fridays for Future in Japan: Die nächste große Protestbewegung?
Dass junge Japaner für ihre Interessen protestieren, ist nichts Neues. 2015 und 2016 demonstrierten die SEALDs (Students Emergency Action for Liberal Democracy) gegen ein neues Sicherheitsgesetz, das den japanischen Selbstverteidigungsstreitkräften Auslandseinsätze erlaubte. Und in den 1960er Jahren gab es in Japan genauso wie in Deutschland große Studentenproteste gegen den Vietnamkrieg. Während diesen schnell vorgeworfen wurde, durch ihr aggressives Vorgehen weite Teile der Öffentlichkeit abzuschrecken, legen die Protest-Bewegungen dieses Jahrzehnts Wert auf einen moderaten Auftritt.
Es bleibt abzuwarten, in welchen Protestformen sich Fridays for Future künftig in Japan manifestieren wird. Fest steht: Auch hier leben junge Menschen ihr dringendes Bedürfnis nach politischer, demokratisch organisierter Mitsprache aus und schaffen sich dafür eigene Räume. Noch mag Fridays for Future in Japan klein sein, aber sie hat die ersten Grundsteine gelegt, um eine nachhaltige Bewegung aufzubauen.