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Einige didaktisch-methodische Prinzipien von CLIL

Die ursprünglichen Überlegungen, eine allgemeine Didaktik des bilingualen Sachfachunterrichts zu entwickeln, werden inzwischen eher zwiespältig beurteilt.

Zwar gibt es einige grundlegende Merkmale, durch die eine Methodik-Didaktik von CLIL charakterisiert werden kann, bilingualer Unterricht wird aber auch durch Merkmale bestimmt, die jedes spezifische Sachfach in den Unterricht einbringt, sodass man zwischen einer allgemeinen CLIL-Didaktik und einer sachfachspezifischen Komponente innerhalb dieser Didaktik unterscheiden sollte, d.h. also einer Komponente, die auf das spezifische Sachfach zugeschnitten ist, das in der Fremdsprache unterrichtet wird. Für die sprachliche Seite von CLIL (d.h. in welcher Sprache das Sachfach unterrichtet wird), gilt diese Feststellung in geringerem Maße, obwohl fremdsprachendidaktische Ansätze sich häufig - allerdings bedingt durch unterschiedliche Lehrtraditionen - im Hinblick auf die spezifische Fremdsprache von einander unterscheiden. So kann es auch im Folgenden nur darum gehen, typische Merkmale einer allgemeinen CLIL-Didaktik herauszuarbeiten, die allen Kombinationen von Sachfach und Sprache innewohnen (vergleiche in diesem Zusammenhang auch Jansen O’Dwyer 2007).

Gleichzeitige Förderung von Sachfach- und Sprachwissen

Für jede Form von CLIL-Unterricht ist es didaktisch-methodisch von zentraler Bedeutung, auf welche Weise man zu einer integrierten Form von Sachfach- und Spracharbeit gelangen kann. Wie für jede Form von institutionalisiertem Lernen stellt sich jedoch auch für den CLIL-Unterricht die Frage, wie die schulischen Lernprozesse methodisch-didaktisch angemessen gefördert werden können. Diese didaktische Kernfrage stellt sich im Kontext von CLIL sogar auf eine doppelte Weise: es geht um die gleichzeitige Förderung von Sachfachwissen und Sprachwissen.

In der Fremdsprachendidaktik ist im letzten Jahrzehnt immer deutlicher herausgestellt worden, dass schulische Lernprozesse nur in geringem Maße durch den Lehrer beeinflusst werden können; ähnliche Überlegungen finden sich inzwischen auch in den Didaktiken einer Reihe von geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer, z.B. in der Didaktik der Geschichte. Statt dessen wird immer mehr die Forderung erhoben, Lernprozesse durch eine angemessene Ausgestaltung der Lernumgebung zu fördern. Wenn Lernende aktiv miteinander in einer angemessenen Lernumgebung arbeiten, in welcher sie sich bewusst und emotional mit den Lerngegenständen auseinandersetzen, dann, so wird argumentiert, werden Lernprozesse in höherem Maße gefördert als in traditionellen Formen von Unterricht, an welchen vielleicht der Lehrer aktiv, die Lernenden aber nur reaktiv beteiligt sind. Solche Lernumgebungen werden zwar schon seit geraumer Zeit in der Fremdsprachendidaktik und auch vereinzelt in den Sachfachdidaktiken diskutiert, aber in den Unterricht - und leider auch in den CLIL-Unterricht - ohne große Begeisterung seitens der Lehrer eingebracht. Ich beziehe mich hier vor allem auf Formen der Partner-, Gruppen- und Projektarbeit. Diese kooperativen Arbeitsformen verbinden sich mit dem didaktischen Prinzip der Lernerautonomie, das die konzeptuelle Grundlage aller neueren didaktischen Ansätze darstellt.

Auf die Lernumgebung kommt es an

Es ist genau dieses Konzept einer modernen, auf konstruktivistischen Prinzipien basierenden Lernumgebung (vergleiche Wolff 2002), das nach Auffassung der CLIL-Didaktik auch den Anforderungen eines integrierten Sachfach- und Fremdsprachenunterrichts am ehesten gerecht wird. Eingebettet in eine solche Lernumgebung ist es am besten möglich, gleichzeitig Sachfach- und Spracharbeit zu leisten. Der bilinguale Sachfachunterricht ist zunächst einmal Sachfachunterricht, d.h. das Sachfach stellt die Inhalte bereit, mit welchen sich der Lernende auseinander zu setzen hat. Die Inhalte des Sachfaches sind Realien im Sinne der Realiendiskussion des frühen 20.Jahrhunderts, d.h. Inhalte, die sich auf die wirkliche Welt beziehen. Anders als die häufig fiktiven Inhalte des Fremdsprachenunterrichts bewirken diese Inhalte eine echte kognitive, bewusste und emotionale Auseinandersetzung und damit auch optimale Lernprozesse. Weil die Inhalte des Sachfachs Realien sind, eignen sie sich auch besser als die Inhalte des Fremdsprachenunterrichts für moderne Formen des gemeinsamen Lernens wie Gruppen- und Projektarbeit. Gemeinsame in der Kleingruppe erarbeitete Inhalte aus Geographie oder Geschichte befördern den Lernprozess des Einzelnen, steigern die Motivation für die Auseinandersetzung mit diesen Inhalten und involvieren den Lernenden stärker in den Lernprozess. Ein solcher Ansatz erfordert natürlich die Herausbildung von Lernerautonomie, d.h. der Fähigkeit zum selbstständigen Arbeiten, die wiederum im Kontext von Gruppen- und Projektarbeit entwickelt wird (vgl. hierzu auch Dam 1994).

Frage nach der Integration von Inhalt und Sprache

Mit diesen Ausführungen ist natürlich die zentrale Fragestellung noch nicht beantwortet. CLIL-Unterricht wurde bisher nur als moderner Sachfachunterricht beschrieben, wie er auch in der Muttersprache stattfinden könnte. Die Frage nach der sprachlichen Seite von CLIL und vor allem nach der Integration von Inhalt und Sprache erfordert weitere Überlegungen. Sprache spielt in jedem Sachfachunterricht eine zentrale Rolle. Auch muttersprachlicher Geschichts- oder Biologieunterricht arbeitet in hohem Maße mit Sprache. Mit Hilfe von Sprache werden Sachfachkonzepte an die Lernenden herangetragen, Sprache wird benötigt, um Beobachtungen an und Beschreibungen von Sachverhalten durchführen zu können, Sprache ermöglicht den Gedankenaustausch zwischen den Lernenden und die Diskussion über kontroverse Erkenntnisse. Nicht von ungefähr wurde schon in den achtziger Jahren in der englischen Fachdidaktik festgehalten, dass jeder Unterricht Sprachunterricht sei. Das mit language across the curriculum bezeichnete Konzept, das alle Unterrichtenden dazu aufrief, Sprache in ihrem Unterricht transparent zu machen, stellt indirekt auch für den CLIL-Unterricht eine didaktische Grundlage dar. Denn wenn man ein Sachfach in einer anderen als in der Muttersprache der Lernenden unterrichtet, spielt das Bewusstmachen von sprachlichen Produkten und Prozessen eine noch wichtigere Rolle.

Repertoire an Sprachhandlungen erforderlich

In einer modernen CLIL-Didaktik steht die Fremdsprache zwar nicht im Mittelpunkt des Unterrichts; jedoch stärker noch als im muttersprachlichen Sachfachunterricht wird auf die Sprache abgehoben, wird sie dem Lernenden transparent gemacht. Dabei sollten nicht terminologische Aspekte im Vordergrund stehen, wie man das ursprünglich für den CLIL-Unterricht gefordert hatte. Viel wichtiger erscheint bei der Spracharbeit die Entwicklung eines Repertoires an Sprechhandlungen, die im Sachfachunterricht eine zentrale Rolle spielen. Dieses lässt sich für alle Sachfächer, ob sie nun naturwissenschaftlich, sozialwissenschaftlich oder geisteswissenschaftlich orientiert sind, bestimmen. Für diese Sprechhandlungen muss der Schüler sprachlich ausgestattet sein, um selbstständig handeln zu können. Wenn der Unterricht in einer Fremdsprache stattfindet, muss die sprachliche Ausstattung hierfür auch in der Fremdsprache bereit gestellt werden. Zu diesen Sprachhandlungen gehören die folgenden:
  • beschreiben mit den Teilhandlungen identifizieren, definieren, klassifizieren.
  • erklären mit den Teilhandlungen exemplifizieren, elaborieren, reduzieren.
  • bewerten mit den Teilhandlungen argumentieren, nachweisen.
  • Schlussfolgerungen ziehen mit den Teilhandlungen erschließen, erklären.

Diese Handlungen, die sich den Sprachfunktionen zuordnen lassen, werden in der Muttersprache bzw. im bilingualen Sachfachunterricht in der Fremdsprache sprachlich umgesetzt, sie dienen jedoch der Arbeit mit den Inhalten des Sachfachs und gewinnen damit auch einen hohen Grad an Realität. Dadurch, dass sie den Lernenden bei der Arbeit mit Sachfachinhalten bewusst gemacht und von ihnen als notwendig angesehen werden, werden sie auch gelernt.

Akademische Interaktionsfähigkeit

Entscheidend bei der sprachlichen Förderung ist also die Herausbildung sprachlicher Fähigkeiten, die sich auf die Arbeit mit dem Sachfach beziehen. Ein Beispiel soll dies deutlicher machen. Sachfacharbeit ist in hohem Maße auf die Arbeit mit Texten bzw. Dokumenten ausgerichtet, bezieht aber auch andere Materialien, z.B. Bilder, Graphiken, Filme mit ein. Die Lernenden müssen sprachlich auf den Umgang mit solchen Materialien vorbereitet werden. Das heißt, dass ihre Lesefähigkeiten stärker ausgebildet werden müssen als etwa im traditionellen Fremdsprachenunterricht, in welchem die mündliche Interaktion eine größere Rolle spielt. Das Lesen von Texten und Dokumenten ist an Lesestrategien gebunden, die den Lernenden vermittelt werden müssen. Die Arbeit mit Bildern, Graphiken und Filmen erfordert andere Strategien, die ebenfalls erarbeitet und im Hinblick auf die sprachliche Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse gefördert werden müssen. Die Beschreibung des Bildes einer geologischen Formation erfordert z.B. Strategien, mit Hilfe derer die wichtigen Merkmale dieser Formation erkannt werden können, gleichzeitig aber müssen diese Erkenntnisse aus ihrer konzeptuellen in eine sprachliche Form überführt werden können. Sprachliche Förderung erfolgt also immer angebunden an die Aufgabenstellungen des Sachfachs, sie bestimmen, welche sprachlichen Prozesse und Strategien, aber auch welche sprachlichen Mittel in den Unterricht eingebracht werden. Im weitesten Sinne geht es um die Förderung einer akademischen Interaktionsfähigkeit im Sinne von Cummins' CALP-Konzept (cognitive academic language proficiency). Während im Fremdsprachenunterricht vor allem in den ersten Jahren das gefördert wird, was Cummins als BICS bezeichnet hat (basic interpersonal communication skills), bezieht sich der bilinguale Sachfachunterricht von Anfang an auf die Herausbildung der akademischen Interaktionsfähigkeit.

Code-Switching ist gefragt

Abschließend zu diesen Überlegungen sei noch eine methodische Anmerkung zur Verwendung von Mutter- und Fremdsprache im bilingualen Unterricht gemacht. In den Anfängen von CLIL wurde analog den Prinzipien des damaligen Fremdsprachenunterrichts die methodische Forderung erhoben, der bilinguale Sachfachunterricht solle streng einsprachig vorgehen, d.h. die Muttersprache dürfe im Klassenzimmer keine Verwendung finden. Heute ist man anderer Ansicht: die Bedeutung der Muttersprache bei integrierten fremdsprachlichen und sachfachlichen Lernprozessen wird nicht mehr in Frage gestellt, insbesondere seit man erkannt hat, dass Prozesse des code-switching, die im bilingualen Klassenzimmer häufig zu beobachten sind, bisher aber methodisch nur selten Beachtung fanden, von großer Bedeutung von Sprachlern- und Sprachbewusstmachungsprozessen sind (vgl. hierzu vor allem Wannagat).
 

​Literatur zum Thema

Cummins, J. (1987): “Bilingualism, language proficiency and metalinguistic development”. In: Homel, P., Palij, M. & Aaronson, D. (eds.): Childhood Bilingualism: Aspects of Linguistic, Cognitive and Social Development. Hillsdale, NJ: Erlbaum.

Cummins, J. (1992):"Heritage language teaching in Canadian schools". Journal of Curriculum Studies 24, 281-86.

Dam, L. (1994): "How do we recognise an autonomous classroom." Die Neueren Sprachen, 93, 503-527

Jansen O’Dwyer, E. (2007): Two for One: Die Sache mit der Sprache. Bern: h.e.p. Verlag

Wannagat, U. (Arbeitstitel, erscheint 2008/2009): Bilingualer Sachfachunterricht und EMI (English as Medium of Instruction): Ein Vergleich zwischen Deutschland und Hong Kong.

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