Andris Kolbergs
Mendela Davidsona briljanti

© Dienas Grāmata Die Trilogie des lettischen Krimiklassikers besteht aus den drei Büchern Pulkstenis ar atpakaļgaitu („Die Uhr mit Rückwärtsgang” – 2002), Klaunu maršs šausmu tirgū („Der Clown-Marsch auf dem Schreckensmarkt“ – 2002) und Sievete melnā („Die Frau in Schwarz“ – 2004). Das verbindende Element sind die Brillanten, die im ersten Band der Trilogie im Jahr 1919 einem wohlhabenden jüdischen Juwelier aus Riga gestohlen werden und daraufhin die Schicksale vieler Menschen im erbarmungslosen Wandel der Zeit während des Zweiten Weltkriegs und der sowjetischen Okkupation beeinflussen und zum Ausgangspunkt für mehrere Morde und andere Verbrechen werden.

Die Romane sind übervoll von Kolbergs‘ typischen Plotverwicklungen und präzisen historischen Details, doch ihre ganze Kraft entfalten sie erst durch die Gabe des Autors, darzustellen, wie wenig der Mensch sein Schicksal im blutigen Geschichtschaos des 20. Jahrhunderts beeinflussen kann. Der Autor vermeidet häufig ganz bewusst die Erörterung der „großen historischen Ereignisse“ und bedient sich stattdessen eines sehr eingeschränkten und spezifischen Blicks durch die Augen einer konkreten Romanfigur, die sich oft sehr weit weg vom Mittelpunkt des historischen Geschehens befindet, deshalb werden einige Tragödien (Krieg, Holocaust) und Erfolge (Gründung der Republik Lettland und Wiedererlangung der Unabhängigkeit) nur ganz beiläufig betrachtet.

Interessant ist es, Kolbergs‘ Trilogie der beliebten historischen Romanserie Mēs. XX gadsimts („Wir. Das 20. Jahrhundert“) gegenüberzustellen, denn es finden sich überraschend viele Gemeinsamkeiten, die auch bezeichnend für die Veränderungen im Genre des lettischen historischen Romans im 21. Jahrhundert sind.

Andris Kolbergs (geb. 1938). Klassiker des lettischen Krimis und und beliebter Autor, dessen Bücher sowohl in der ehemaligen Sowjetunion als auch anderswo in Europa als Übersetzungen erschienen sind. Zunächst spielt Kolbergs in seinen Geschichten mit den amerikanischen „hardboiled detective“ und den englischen Krimi-Schemen, die er in die sowjetische Realität überträgt, später beginnt er, das Genre kreativ seinen eigenen Ansichten über den Kriminalroman anzupassen. Charakteristisch für Kolbergs‘ Romane sind die Fragmenthaftigkeit der Handlung, sein Spiel mit verschiedenen Klischees des Genres, biografische und historische Absätze und umfangreiches informatives Material zu verschiedenen wirtschaftlichen und sozialen Aspekten des Lebens in der Sowjetunion, u.a. ein Einblick in das Gefängnisleben und die Welt des professionellen Verbrechens. Kolbergs nutzt das Modell des sozialpsychologischen Kriminalromans, um die wirtschaftlichen Probleme in der Sowjetunion gründlich zu analysieren und Verbrechen aufzudecken, die auch Vertreter der hohen Gesellschaftsklassen wie Ingenieure, Fabrikdirektoren, Ärzte usw. begehen. Die Topografie Rigas und die Geschichte Lettlands spielen eine große Rolle in seinem Schaffen.