Interview 5 plus 1
Übersetzen ist eine eigene Kunst

"Als Übersetzerin ist man in vielerlei Hinsicht ein Chamäleon. Man muss in etliche Stimmen und Stile hineinschlüpfen und erweitert – wenn es gelingt – nach jedem Auftrag die eigene Sprachpalette", sagt die norwegische Übersetzerin Elisabeth Beanca Halvorsen. Im Interview berichtet sie von ihrer Arbeit.
Mit welchen Wünschen nimmst du in Oslo am Literaturfestival „Auf dem Weg nach Frankfurt“ teil?
Als Mitglied des Festivalkomitees wünsche ich mir viele Gäste aus dem In- und Ausland, die diese drei Tage im Osloer Literaturhaus nicht so schnell vergessen werden. Ich wünsche mir viele nette Begegnungen und interessante Gespräche mit den anderen TeilnehmerInnen und freue mich sehr darauf, sie auf der Bühne zu erleben.
Elisabeth Beanca Halvorsen
Was war für dich entscheidend, Übersetzerin zu werden?
Vor allem eine Vorliebe für die deutsche wie norwegische Sprache und eine Freude an deren Nuancen und Eigenheiten. Ganz entscheidend war, dass Elfriede Jelinek den Nobelpreis bekommen hat, womit ich meine ersten Aufträge von einem Verlag und Theatern bekommen habe.
Gute Übersetzungen sind eine Kunst für sich. Worauf kommt es deiner Meinung nach besonders an, um ein Werk – Inhalt, Stil und Atmosphäre – stimmig wiederzugeben?
Ja, das Übersetzen ist zweifellos eine eigene Kunst, oft „die Kunst des Unmöglichen“ genannt. Es gibt kein Fazit, nur lauter Versuche, einen Text so richtig und stimmig wie möglich wiederzugeben. Meiner Meinung nach geht es besonders darum, dem Originaltext zu lauschen und sich zu fragen, wie der Autor oder die Autorin wohl schreiben würde, wenn er oder sie Norwegisch als Muttersprache hätte. Als Übersetzerin ist man in vielerlei Hinsicht ein Chamäleon. Man muss in etliche Stimmen und Stile hineinschlüpfen und erweitert – wenn es gelingt – nach jedem Auftrag die eigene Sprachpalette.
Welcher Text ist für dich während der Übersetzungsarbeit eine besondere Herausforderung gewesen und warum?
Die Neuübersetzung von Goethes Faust. Der Tragödie erster Teil anlässlich der heurigen Inszenierung am Osloer Nationaltheater, die bei Gyldendal als Buch erschienen ist. Die größten Herausforderungen waren die unterschiedlichen Versmaße und die Reime, auf die ich letztendlich fast ganz verzichtet habe. Der Leistungsdruck während einer Übersetzungsarbeit ist nie größer gewesen als bei Goethe.
Du hast selber deine Abschlussarbeit über Elfriede Jelinek geschrieben. Was fasziniert dich an dieser Autorin?
Als Studentin hat sie mich als Phänomen fasziniert, weil sie überall präsent war und polarisiert hat: in der Politik, in den deutschsprachigen Medien, im Kino und im Theater. Mich fasziniert immer noch, mit welcher Wut, welchem sprachlichen Wahn und Witz sie aktuelle gesellschaftliche Themen und Ereignisse aufgreift, und wie schnell sie daraus Theaterstücke macht.
Plus 1
Welchen anderen Beruf hättest du gewählt, wenn du nicht Übersetzerin geworden wärst?
Ich bin, wie viele meine KollegInnen, durch Zufall (Nobelpreis an Jelinek vier Monate nach abgeschlossener Magisterarbeit) Übersetzerin geworden. Neben Übersetzungen schreibe ich auch eigene Texte, bis jetzt sind es zwei Sachbücher und drei Theatertexte. Einen Beruf zu wählen, der nichts mit Sprache zu tun hat? Ja, dann wäre ich gerne Winzerin geworden, irgendwo in Niederösterreich, am Stadtrand von Wien.