Künstlerlabor
Über XY? Neue Maskulinitäten
Eine Einführung mit Kommentar von Cathy de Haan (Deutschland) und Héctor Gálvez (Peru), die nach dem Prinzip einer Diade das Projekt künstlerisch betreuten und leiteten.
Sind es wirklich die Chromosomen, die unser Geschlecht bestimmen und uns prägen? Die traditionelle Definition von Männlichkeit ist ins Wanken geraten. Was als männlich verstanden wird, unterliegt immer wieder zeitlich und kulturell bedingten Prozessen der Neudefinition. In einer Zeit, in der geschlechtsdefinierende Stereotypen ihre Legitimität und damit ihre Autorität verloren haben, wird Männlichkeit zu einer fließenden und vielschichtigen Identität.
POI - der Entwicklungsprozess
Beginnend mit dem Projektbeginn war es uns wichtig, einen Freiraum zu schaffen, der die Möglichkeit bieten sollte, ohne Einschränkungen zu arbeiten und nachhaltige Netzwerke aufbauen zu können. Im Juni 2021 wurden die Teilnehmer*innen nach einem sorgfältigen Verfahren von den Jurymitgliedern, den peruanischen Künstler*innen Germa Machuca, Tilsa Otta und Venuca Evanan, ausgewählt. Gemeinsam mit ihnen haben wir neun herausragende Künstler:innen mit außergewöhnlichen Persönlichkeiten ausgesucht. Neben überragender künstlerischer Leistung haben wir dabei auch soziale Kompetenz als Kriterium berücksichtigt.
Trotz der durch die Pandemie verursachten Einschränkungen sind wir froh, dass wir den Präsenz-Workshop im September letzten Jahres in Cieneguilla abhalten konnten. Teil dieser Erfahrung war die dynamische Fortsetzung des Dialogs, der in virtuellen Treffen zwischen Juli und August begonnen hatte: Die Möglichkeit, endlich in Präsenz zusammenzuarbeiten, entfachte ein kreatives Feuerwerk, das noch lange nicht erloschen ist. Wir nennen diese Synergie POI(Perpetueller Orgasmus der Ideen). Von September bis November wurden die daraus entstandenen Ideen in Lima in einer intensiven kollektiven Zusammenarbeit konkretisiert.
Beispiele und Aussichten
Das Resultat war ein utopisches Territorium, in dem die Künstler*innen das Konzept der Männlichkeit in seiner ganzen Komplexität kartierten, untersuchten und analysierten. Grenzüberschreitung und Transformation waren Leitmotive für die Reise durch dieses „Königreich der Männlichkeit“. Die Ausstellung in der Villa von San Marcos umfasste acht Installationen und zwei Aufführungen, in denen sich Dimensionen wie Körper, Macht, Privilegien, sexuelle Identität, patriarchale Visionen, Zärtlichkeit, Fürsorge und Gewalt kontrapunktisch zueinander verhielten und dabei Spannungen und stimmulierende Spiele erzeugten.
Wir laden Euch ein, dieses Territorium zu betreten, dessen Charakteristika zu hinterfragen und es für uns selbst neu zu gestalten. Wir gehen davon aus, dass die Konstruktion von Geschlecht auch ein künstlerischer Akt sein kann.