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Es gilt das gesprochene Wort

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Foto: Unión Europea en Perú

Regie: Ilker Çatak, Farbe, 122 Min., 2018/19

Goethe-Institut Peru

Die großen Flugzeuge, die sie als Pilotin steuert, hat Marion ebenso im Griff wie ihre Privatleben; zumindest scheint es so, bis bei ihr Krebs diagnostiziert wird. Ohne ihren Lebensgefährten Raphael davon zu unterrichten, reist die ansonsten so rationale Frau an die türkische Küste, wo sie den deutlich jüngeren Gigolo Baran kennenlernt. Als der sie darum bittet, mit ihm eine Scheinehe einzugehen, die ihm ermöglichen soll, die deutsche Staatsangehörigkeit zu erlangen, willigt sie kurzerhand ein. „Es gilt das gesprochene Wort“, heißt es bei der eher unemotional vollzogenen Trauung, nicht einmal eine Unterschrift oder Trauzeugen sind nötig; und was als eine Art Handel beginnt, entwickelt sich im deutschen Alltag bald zu einer emotionsgeladenen Geschichte um Liebe, Identität und Integration, an der Schnittstelle zwischen zwei Kulturen. Mit komplex gezeichneten Figuren, für die ihm ein außerordentlich gut harmonisierendes Ensemble zur Verfügung stand, entwickelt Regisseur İlker Çatak ein Sozial- wie Liebesdrama, das nebenbei wichtige Fragen zu Migrationspolitik und Geschlechterrollen aufwirft.


Pressestimmen:

„Baran (Ogulcan Arman Uslu) trampt per Lkw nach Marmaris, einem Touristenort an der türkischen Riviera. Zielstrebig arbeitet der sportliche junge Mann sich vom Tellerwäscher zum Loverboy in einer Sexkneipe für deutsche Touristinnen hoch. Seine Kundinnen, sexuell offensive deutsche Urlauberinnen, sehen nicht immer wie Heidi Klum aus. Mitunter muss der Mann für gewisse Stunden buchstäblich Schwerstarbeit verrichten. Das alles erzählt der Deutschtürke İlker Çatak flott, fast ohne Dialog und mit traumwandlerischer Sicherheit. Çatak zeigt, wie ein türkischer Macho sich prostituieren muss. Dieser Anfang hat es in sich.“ (Manfred Riepe, epd-Film, 26.7.2019)

„Zwischen Baran und Marion aber herrscht von Beginn an ein anderer Ton. Sie ist keine Frau, die schnellen Sex sucht, und er macht kein Hehl daraus, dass er sich nicht mit ein paar Geldscheinen zufriedengibt, die ihm eine Belgierin zusteckt. Er will dieselben Rechte, die ihr zustehen. Er will das, was sich nicht kaufen lässt: einen Ausweis darüber, dass er die Seite gewechselt hat. Das Motiv der Reziprozität macht dann aber Marion ganz ausdrücklich: ‚You would do the same for me.’ Der Satz fällt beiläufig, aber genauer kann man diese Figur kaum charakterisieren – eine Deutsche in mittlerem Alter, von Beruf Pilotin, von der Gesinnung her Rationalistin. Sie vollzieht einfach eine Handlung, die ihr einleuchtet: ihr Pass und der, den Baran hat, entsprechen einander auf einer Ebene, die nur sie herstellen kann. Es gilt das gesprochene Wort ist ein Film über die Lotterie, auf der die ganzen gesellschaftlichen Debatten über offene oder je nachdem geschlossene Grenzen beruhen. Der Regisseur İlker Çatak, geboren 1984 in Berlin als Sohn türkischer Einwanderer, ist mit beiden Seiten vertraut.“ (Bert Rebhandl, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2.8.2019)

„Çatak und sein Co-Autor Nils Mohl zeichnen die Figuren präzise; sie charakterisieren sie vor allem über ihre Sprache, in lebensechten, manchmal bissigen und sehr witzigen Dialogen. Baran ist zurückhaltend und vorsichtig, er macht nicht viele Worte, wohl auch, weil er entdeckt hat, dass das auch nach hinten losgehen kann. Marion und Raphael liefern sich vordergründig witzige, wortreiche Gefechte: so virtuos wie destruktiv kaschieren sie auf diese Weise Verletzungen und Selbstverletzungen. Ebenso detailgenau werden auch die Milieus geschildert, von den Gigolos im Touristenort über Marions oder Raphaels Arbeitswelt bis hin zu Nebenschauplätzen wie dem Standesamt oder einer Schule – meist ohne naheliegende Klischees zu benützten. (…) Anne Ratte-Polle erfasst die Rolle der Marion vollkommen, ihre Blicke und Gesten, aber auch ihre Intonation zeichnen das Bild einer zutiefst verletzten Frau, die sich über die Jahre einen auch für sie selbst undurchdringlichen Panzer antrainiert hat. Gemeinsam mit ihrem Gegenüber Oğulcan Arman Uslu als Baran macht sie die Risse sichtbar. Die Chemie zwischen den Schauspielern stimmt; ihre Kombination ist beispielhaft für ein kongeniales Casting. Bemerkenswert ist auch die Abwesenheit eines allzu deutschen Erklärzwangs, der Mut zur Lücke. Mündige Zuschauer dürfen beispielsweise darüber nachdenken, warum Marion sich dafür entscheidet, Baran auf seine dringliche Bitte hin mit nach Deutschland zu nehmen; sie dürfen die widerstreitenden Gefühle der Figuren kombinieren – und aushalten. Aus diesen Widersprüchlichkeiten erwächst eine große Spannung; die Figuren sind wie im realen Leben komplex und schwer zu durchschauen, ihr Handeln und ihre Entscheidungen sind nicht abschätzbar.“ (Julia Teichmann, Film-Dienst)

Eine Filmkritik von Frederik Lang für das Filmarchiv des Goethe-Instituts

Details

Goethe-Institut Peru

Jirón Nazca 722
Jesús María
Lima 15072

Sprache: Dt. mit sp. UT
Preis: Zugang ist kostenlos, aber begrenzt


Diese Veranstaltung ist Teil der Veranstaltungsreihe 32° Europäischer Filmfestival in Lima.

Festival Scope