Spielfilm Alle reden übers Wetter - Mittwochskino

Alle reden über Wetter © DFFB_New Matter Films_pennybooth production

Mi, 07.08.2024

19:30 Uhr

Goethe-Institut Peru

Regie: Annika Pinske, 89 min., 2022

Clara hat es geschafft. Weg aus der ostdeutschen Provinz führt sie als Dozentin ein unabhängiges Leben in Berlin und macht ihren Doktor in Philosophie. Zwischen ihren beruflichen Ambitionen, einer Affäre mit einem ihrer Studenten und der fordernden Freundschaft zu ihrer Doktormutter Margot bleibt wenig Zeit für die Familie. Als Clara mit ihrer fünfzehnjährigen
Tochter zum 60. Geburtstag ihrer Mutter Inge zurück in die Heimat fährt, wird sie mit ihrem Ideal von einem freien, selbstbestimmten Leben konfrontiert. Wie hoch ist der Preis, den sie dafür zahlen muss?


Hier der Trailer zum Film!

REGIEKOMMENTAR

Clara hat sich von den gesellschaftlichen Erwartungen als Frau und Mutter und zeitgleich von ihrem provinziellen Herkunftsmilieu emanzipiert. Sie hat den sogenannten Bildungsaufstieg geschafft, macht ihren Doktor in Philosophie und sucht nun nach ihrem Platz im Bildungsbürgertum. Immer begleitet von Scham und Minderwertigkeitskomplexen, weil Herkunft nichts ist, was man einfach abstreifen kann.
Gleichzeitig bedeutet ihr „Aufstieg“ aber auch Trennung von ihrem Herkunftsmilieu, in das sie nicht einfach zurückkehren kann. Ihre Identität hat mit Abgrenzung zu tun, und ihr Alltag ist geprägt von Widersprüchen, hin- und hergerissen zwischen Familie, Herkunft und beruflichen Ambitionen. Am Ende bleiben die Fragen: Was ist der Preis, den Frauen für ein selbstbestimmteres Leben zahlen und wer profitiert davon?

Filmemachen beginnt bei mir immer mit den Charakteren. Beim Schreiben und auch in der Inszenierung interessieren mich die unbewussten Verhaltensweisen und Prägungen meiner Figuren, ihre subtilen Gewohnheiten und ihr banaler Alltag, außerdem ihr Status im Familien- und Beziehungsgefüge. Ich glaube, es braucht nur diese vermeintlich schnöden Gewohnheiten und das ständige Reproduzieren der bekannten Rituale (übers Wetter reden), um gesellschaftliche (Macht-) Strukturen aufzuzeigen.

Im Banalen kann eine ganze Welt liegen, wenn es mir gelingt, eine gute Szene daraus zu machen: Wenn Inges (Claras Mutter) emotionale Überforderung und ihre Sprachlosigkeit in oberflächliche Floskeln und banale Geschäftigkeit münden, zeigt sich für mich am eindringlichsten Claras Sehnsucht nach echter Kommunikation und Begegnung mit ihrer Mutter. Wie kann ich etwas sichtbar machen, das so einfach und
unaufgeregt daherkommt? Wie zeigen, was alles darunter liegt, wenn man den Blick genug schärft? Wie kann ich realistisch erzählen und trotzdem eine filmische Form finden, die das Publikum interessiert und mitfühlen lässt? Wie kann ich zeigen, dass selbst die kleinste Handlung im intimsten, familiären Kontext politische Dimensionen hat? Das sind Fragen, die mich als Regisseurin begleiten.

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