Berlin
Commons Cosmodrome - Transformation einer kulturellen Institution nach dem Komfortozän

Unser Grundanliegen bestand darin, die Möglichkeiten kollektiver Praxis zu erforschen und zu erweitern, indem wir den Zugang zu (hybriden) Kulturinstitutionen neu definieren und alternative Infrastrukturen für gemeinschaftliches Wohlbefinden schaffen. Dabei verändern wir nicht nur die Art und Weise, wie wir in Zukunft arbeiten werden, sondern öffnen auch unsere eigenen räumlichen Ressourcen für informelle Nachbarschaftsgruppen, nicht-kommerzielle Projekte und experimentelle Ideen, die auf dem kommerziellen Kulturmarkt nur selten Unterstützung finden.
Wir haben uns insbesondere mit der Umgestaltung des ZK/U, unserer eigenen Institution, beschäftigt und analysiert, wie der Prozess der lang erwarteten Erweiterung unseres Güterbahnhofs gestaltet werden könnte, um sowohl den aktuellen Herausforderungen unserer lokalen Gemeinschaften als auch den Herausforderungen, die unser Planet an uns stellt, gerecht zu werden.
Das Ergebnis dieses Ansatzes ist ein Design Thinking Prozess, der nicht nur die Bedürfnisse von Menschen, Communities und Institutionen berücksichtigt, sondern auch die von Objekten und nicht-menschlichen Lebewesen.
Durch die Gewährung der Subjektivität an diese verschiedenen Stakeholder und die Planung in ihrem Interesse erweiterte der Prozess das programmatische Spektrum und schuf unerwartete soziale Verbindungen und gegenseitiges Verständnis zwischen Gruppen, die normalerweise weniger Möglichkeiten zur Interaktion haben.
Wie kann eine Kultureinrichtung räumliche und ökologische Veränderungen vornehmen und dabei die lokale Community einbeziehen?
Wer ist diese Community? Haben lokale Fledermäuse, Bienen oder Bäume Rechte, Bedürfnisse und Subjektivität? Ist es in Ordnung, Bienen nicht zu mögen? Ist es in Ordnung, Menschen als nervig und schädlich zu empfinden?
Können Kulturinstitutionen soziale Prototypen schaffen, die weniger ausbeuterisch, weniger kommerziell und inklusiver sind und das Potenzial haben, von nicht-kulturellen Räumen adaptiert zu werden?
Worauf können wir verzichten? Was ist unser überflüssiger Ballast? Was brauchen wir wirklich für ein glückliches Leben?
Kann ein öffentlich zugängliches Dach mehr sein als ein Unterschlupf oder eine Plattform für Selfies und Cocktails und zu einer Bühne für verschiedene künstlerische Experimente und politische Ausdrucksformen werden?

Baugerüst für das neue Dach, Ausbau des ZK/U- Sitzes, 2022 | © Fot. Elisa Georgi
Was haben wir getan?
Zu Beginn der räumlichen Erweiterung des ZK/U, des ehemaligen Güterbahnhofs im Arbeiterbezirk Moabit, entwickelte das Team einen Prozess, der es der Gemeinschaft ermöglichte, Teil dieser Veränderung zu werden und das zukünftige Programm mitzugestalten. Der Prozess half dem ZK/U, neue und relevante Ideen für die Nutzung seiner zukünftigen Räumlichkeiten zu entwickeln.Das markanteste Element des Neubaus ist eine öffentlich zugängliche Stadtbühne: Mehr als 150.000 Pendler, die täglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln, genauer gesagt mit der Berliner Ringbahn, unterwegs sind, können dieses neue Wahrzeichen Berlins sehen und Teil der Bühne für verschiedene künstlerische Interventionen, Theaterproduktionen oder Nachbarschaftsaktionen zu aktuellen und relevanten gesellschaftlichen Themen werden.
Im Zuge der Bauarbeiten musste das ZK/U das Dach von seinem Hauptgebäude abtragen. Die über 100 Jahre alte Holzkonstruktion hatte nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg Menschen Schutz und Wärme geboten. Seit 2012 versammelte sich die kulturell vielfältige Bevölkerung des Stadtteils Moabit unter diesem Dach, um zu feiern und Kunst und Kultur zu schaffen.
Vor dem Hintergrund einer absehbar längeren Baupause entschied sich das ZK/U, einen Prozess zu entwickeln, der die Kommunikation in den Übergangsprozess einbezieht und den Dialog zwischen Künstlern und Publikum während der gesamten Bauzeit weiterführt.
Im ersten Schritt entfernte das ZK/U das Dach, drehte es um 180 Grad und baute aus dem verbleibenden Material ein Schiff mit dem Namen Citizenship. Im zweiten Schritt wurden die Communities, die den Charakter der Institution geprägt hatten, eingeladen, sich der Reise des Schiffes zur 500 km entfernten documenta-Ausstellung in Kassel anzuschließen und die Spuren der eigenen Aktivitäten darauf zu hinterlassen.
Darüber hinaus wurden lokale Communities dazu eingeladen, mit einem Modell des neuen Daches im Maßstab 1:10, der so genannten Urban Stage, zu interagieren, die auf der Baustelle errichtet wurde und dabei half, sich die zukünftige Nutzung des Gebäudes und das Programm der Institution vorzustellen.
Um das Konzept der traditionellen Einbeziehung der Community zu erweitern, schuf das ZKU eine Entscheidungsstruktur, die die Beteiligung eines langjährigen Partners des ZKU sicherstellte: die lokalen Honigbienen. Das BeeDAO-Projekt erforschte das Potenzial gemeinsamer Entscheidungsfindung und gemeinsamen Handelns.
Während der Bauzeit wurde ein neues Dach über dem bestehenden Güterbahnhof errichtet. Dieses neue Dach beherbergt nicht nur die Communities darunter, sondern auch darauf. Der Dachraum ist die Bühne für die Communities nach der gemeinsam erlebten Übergangsphase und bietet Raum für zukünftige Programme zu zeitgenössischen und lokal relevanten Themen. Diese Übergangsphase wird als Commons Cosmodrome bezeichnet: In diesem erweiterten Raum kommen menschliche und nicht-menschliche Stimmen zusammen, um den Kosmos der Gemeingüter zu erforschen.
Das Commons Cosmodrome wird sich mit Fragen der ökologischen und gerechten Transformation, mit Demokratien menschlicher und nichtmenschlicher Interessengruppen und mit Kunst und Kultur als Katalysatoren für neue Communities beschäftigen.
Was für Antworten haben wir gefunden?
→ Kulturelle Infrastrukturen können Räume des Wandels, Übergangsplattformen und Sprungbretter für Initiativen und Communities sein, wenn sie strukturell zugänglich und konzeptionell inklusiv sind.→ Kunst und Kultur können Modelle für die ökologische und gerechte Transformation schaffen: Sie können helfen, die Komplexität der Klimaanpassung zu verstehen, Wege zur Schaffung sozial gerechter Gemeinschaften aufzeigen und nicht-technokratische, fundiertere Sichtweisen auf Stadtplanung und -entwicklung vermitteln.
→ Wenn wir nicht die gleichen Fehler wiederholen wollen, müssen wir die Herausforderungen aus einer breiteren Perspektive betrachten, indem wir nicht-menschlichen Akteuren zuhören und ihnen eine Stimme geben.
→ Künstler*innen sind sehr gut darin, neue Perspektiven und ungewöhnliche Ideen jenseits des Bekannten zu entwickeln.
→ Freunde sind wichtig: Cohabit Moabit - Freundeskreis aus Menschen und Nichtmenschen als politische Bildung und Erweiterung des „Mitgliedschafts“-Gedankens.
→ Weniger ist mehr: Weniger produzieren, dafür besser kommunizieren
→ Weniger ist mehr: mehr Programmdichte auf kleinerem Raum (minimale Infrastruktur mit durchdachtem Zugang kann zu einem extrem vielfältigen Programm führen)
→ Weniger plus weniger = mehr!
Prototyp - Ergebnisse
PROTOTYP 1
Städtische und ländliche Gemeinschaften gemeinsam im künftigen Mobilitätsschiff
CitizenShip – ein Schiff für Communities und Mobilität ohne fossile Brennstoffe. Von Juni bis Juli 2022 hob das ZK/U, Zentrum für Kunst und Urbanistik, im wahrsten Sinne des Wortes das Dach seines Sitzes in Berlin an und begab sich auf eine 550 km lange Schiffsreise zur documenta fifteen, angetrieben ausschließlich von Menschenkraft und Solarenergie! Bei rund vierzig Zwischenstopps auf dem Weg nach Kassel hatten die Crew und die lokalen BewohnerInnen reichlich Gelegenheit, ihr Wissen und ihre Pläne zum Überleben des Planeten auszutauschen und ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm zu genießen.
Urban Stage - offene Bühne in einem öffentlichen Park
Eine unkonventionelle offene Bühne und prototypische Architektur in einem öffentlichen Park mit Fokus auf prozessorientiertem Bauen und institutioneller Programmierung von unten. Ein Raum für künstlerische Experimente, Nachbarschaftsprojekte, niedrigschwellige Veranstaltungen und ein Zuhause für Bienen, Fledermäuse und Pflanzen.
Eine auffällige temporäre Architektur im öffentlichen Park war das Labor für die zukünftige Dachvision des ZK/U, Urban Stage, weithin sichtbar auf der neuen Dachterrasse.
Um den Transformationsprozess für die zukünftigen Nutzer zu öffnen, installierte das ZK/U zunächst eine verkleinerte Version der Dachterrasse im Hof vor dem Gebäude - die sogenannte BauSchilderung.
Diese aus Containern und Gerüsten bestehende und mit Veranstaltungstechnik ausgestattete Infrastruktur diente als programmgestaltende „Maschine“, die lokalisierte Formate produzierte, verschiedene Workshops zur Transformation anbot und Projekte der Partner beherbergte. Sie hauchte dem Transformationsprozess Leben ein. Anders als ein Bauschild, das mit idealisierten Fotomontagen die manchmal schwierige Realität ausblendet, versucht die BauSchilderung ein ergebnisoffenes Bild der Zukunft zu zeichnen, das auf gelebten Projekten und Ereignissen basiert.
Eine minimalistische Infrastruktur kann, wenn sie sorgfältig geplant und programmiert wird, zu einem Experimentierraum für eine Vielzahl von Aktivitäten werden. Der Prototyp der Urban Stage, einer verkleinerten Version der zukünftigen Dachterrasse des ZK/U, hat den Park erfolgreich in einen dynamischen Raum für künstlerische und soziale Aktivitäten verwandelt. Er hat den Veränderungsprozess, der sich im ZK/U-Viertel vollzieht, sichtbar, transparent und für alle zugänglich gemacht. Der Erfolg dieses Prototyps zeigt, dass diese Art von Aktivitäten eine Beteiligungskultur fördern kann, in der die zukünftigen Nutzer aktiv an der Umgestaltung des gemeinsamen Raums mitwirken.
Nach dem Abbau des Prototyps wurden alle Materialien für den Bau der Urban Stage auf dem Dach des ZK/U verwendet. Das zwischen 2021 und 2024 umgesetzte Programm bildet die Grundlage für die neuen Formate des Community Cosmodrome, das im Herbst 2025 starten soll.
BeeDAO - Demokratie zwischen den Arten und Verteilung des Wohlstands
BeeDAO - BeeDAO ist eine Organisation menschlicher und nicht-menschlicher Interessenvertreter, die Demokratie zwischen den Arten, das Teilen von Wohlstand und die Schaffung von Wissen ermöglicht. BeeDAO ist auch eine digitale, autonome Web3-Organisation, die von Bienen und Menschen geführt wird. Ihr Ziel ist es, das Wohlergehen der Bienen weltweit zu schützen und zu verbessern. Bienen und Menschen können dem Netzwerk beitreten, indem sie Beholder werden. Sie können Delegierte wählen, die ihre Interessen vertreten. Sie können Vorschläge zur Verbesserung des Lebens der Bienen machen. Sie können sich regelmäßig treffen und Entscheidungen über die Beziehungen zwischen den Arten treffen. BeeDAO soll ein Prototyp für die Entscheidungsfindung und die Verteilung von Wohlstand aus einer weniger menschenzentrierten Position sein - es berücksichtigt die Bedürfnisse nichtmenschlicher Wesen in Ökosystemen und zeigt den Menschen einen Weg, verlässliche Partner zu werden, wenn es darum geht, Gerechtigkeit zwischen den Arten zu praktizieren.
Implementierung
Die Prototypen sind Ausgangspunkt für weitere Iterationen, Anpassungen und neue kulturelle Diskurse, die weit über die Räumlichkeiten des ZK/U hinausgehen.
Citizenship - städtische und ländliche Gemeinschaften gemeinsam im künftigen Mobilitätsschiff
Der Prototyp „Citizenship“ war ein innovatives Projekt, das die Machbarkeit nachhaltiger, gemeinschaftsorientierter Mobilität demonstrierte. Durch die Verwandlung des abgetragenen Daches des ZK/U in ein Schiff und die Fahrt zur documenta-Ausstellung in Kassel symbolisierte die Initiative nicht nur die kreative Wiederverwendung von Materialien, sondern förderte auch gemeinschaftliches Engagement und Zusammenarbeit. Die Reise ermöglichte einen wichtigen Austausch zwischen der Crew und der lokalen Bevölkerung an den verschiedenen Stationen und zeigte das Potenzial von Kunst- und Kulturinitiativen, sich mit größeren sozialen und ökologischen Fragen auseinanderzusetzen. Der Erfolg dieses Prototyps liegt in seiner Fähigkeit, künstlerischen Ausdruck mit praktischer Nachhaltigkeit zu verbinden und so den Weg für zukünftige Projekte zu ebnen, bei denen sowohl das Engagement der Community als auch die ökologische Verantwortung im Vordergrund stehen.
Urban Stage - eine unkonventionelle offene Bühne in einem öffentlichen Park
Der Prototyp Urban Stage verwandelte erfolgreich einen öffentlichen Park in einen dynamischen Raum für künstlerische und gemeinschaftliche Aktivitäten, indem er eine verkleinerte Version der zukünftigen Dachterrasse schuf. Diese Initiative machte den Transformationsprozess sichtbar und für die Öffentlichkeit zugänglich. Die aus Containern und Gerüsten errichtete Infrastruktur diente als Plattform für lokale Veranstaltungen, Workshops und Projekte und band die Community effektiv in den Transformationsprozess ein. Der Erfolg dieses Prototyps zeigt sich in seiner Fähigkeit, eine partizipative Kultur zu fördern, in der die zukünftigen Nutzer aktiv an der Gestaltung des Übergangs beteiligt waren. Er hat gezeigt, dass eine minimale Infrastruktur, wenn sie gut geplant und programmiert ist, zu einer lebendigen und vielfältigen Palette von Aktivitäten führen kann.
Nach dem Abbau der BeSchilderung wurden alle Materialien für den Bau der neuen Urban Stage auf dem Dach wiederverwendet. Das Programm, das für den Zeitraum 2021-2024 entwickelt wurde, wird derzeit sorgfältig geprüft und seine Elemente werden die Grundlage für das Programm zur Wiedereröffnung des ZK/U bilden. Diese Verdichtung hat zu neuen Beziehungen und Koproduktionen geführt und garantiert die Umsetzung innovativer Formate ab Herbst 2025.
BeeDAO - Demokratie zwischen den Arten und Verteilung des Wohlstands
BeeDAO war ein bahnbrechender Ansatz für die Zusammenarbeit zwischen den Arten und die demokratische Entscheidungsfindung. Durch die Schaffung einer digitalen, autonomen Web3-Organisation, die sowohl von Bienen als auch von Menschen geleitet wird, zielte dieser Prototyp darauf ab, das Wohlergehen der Bienen weltweit zu sichern und zu verbessern. Der Erfolg von BeeDAO liegt in seinem innovativen Rahmen für die Gerechtigkeit zwischen den Arten, der es menschlichen und nicht-menschlichen Interessengruppen ermöglichte, an Entscheidungsprozessen und der Verteilung von Wohlstand teilzuhaben. Die Initiative hat nicht nur ein Modell für ökologische Nachhaltigkeit geschaffen, sondern auch die Bedeutung der Berücksichtigung der Bedürfnisse nichtmenschlicher Lebewesen im Ökosystemmanagement unterstrichen. Der Erfolg von BeeDAO unterstreicht das Potenzial von Kunst- und Kultureinrichtungen, bei der Schaffung inklusiverer und gerechterer Systeme eine Vorreiterrolle zu spielen.
Alle Prototypen werden vom Team des ZK/U entwickelt, zu dem auch einige langjährige Mitarbeiter des ZK/U (Künstler, Nachbarn, Freunde der Institution) gehören.
Unsere Arbeit wäre nicht möglich ohne die großartige Hilfe von Praktikanten, Stipendiaten und Künstlern, die zeitweilig im ZK/U leben.
Biografien
Kuratoren:
MATTHIAS EINHOFF
ist Künstler, Kurator und Vermittler und untersucht die Möglichkeiten der Kunst, soziale und räumliche Beziehungen neu zu gestalten. Er ist Mitbegründer und künstlerischer Leiter des ZK/U - Zentrum für Kunst und Urbanistik. Er leitet und entwickelt Programme, Projekte und Organisationsstrukturen an der Grenze zwischen globalen Diskursen und lokalen Praktiken.
MIODRAG KUČ
ist Urbanist und Szenenbildner und arbeitet an der Schnittstelle von urbaner Pädagogik, strategischer Planung und politischer Bildung durch theatrale Inszenierungen. Er ist Co-Leiter der ZK/U-Abteilung für kritische Stadtpädagogik (ZEDucation) und arbeitet unter unsicheren Bedingungen mit verschiedenen lokalen Communities zusammen.