© 2019 Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, München
Neben den unvergesslichen Figuren, mit denen er die Weltliteratur bereicherte, und seiner befruchtenden Wirkung, die er auf die populäre Kultur bis heute ausübt, hat Franz Kafka auch zahlreiche Philosoph*innen und Autor*innen in seinen Bann gezogen. Darunter auch insbesondere Elias Canetti, der mit 25 Jahren zum ersten Mal Kafka las und den der Schriftsteller solchermaßen faszinierte, dass er sich zeitlebens nicht diesem Einfluss zu entziehen vermochte. Von dieser Faszination zeugt auch der vorliegende Band, zusammengestellt und herausgegeben von Susanne Lüdemann und Kristian Wachinger.
Mehr als die Hälfte des Buches nehmen jene ein halbes Jahrhundert umfassenden Aufzeichnungen ein, die hier das erste Mal publiziert werden. „Kafka ist die Hypnose unseres Jahrhunderts“, lautet der Satz, der Canettis Faszination sinnbildlich zum Ausdruck bringt. In seinen Aufzeichnungen geht Canetti von der Überzeugung aus, dass das Öffentliche und das Private, die Literatur und das Leben nicht voneinander zu trennen sind, so wie auch das Leben und das Schaffen von Kafka und Canetti auf diesen Seiten auf eine besondere Art und Weise ineinandergreifen. Canetti führt einen unaufhörlichen Dialog mit Kafka, er identifiziert sich mit ihm, er fleht ihn geradezu an, ihm beim Schreiben zu helfen. Allerdings, wie in dem Vorwort des Buches treffend bemerkt wird, ist Canettis Beziehung zu Kafka mit einem Ausdruck des amerikanischen Literaturwissenschaftlers Harold Bloom am ehesten als „Einfluss-Angst“ zu beschreiben: Neben aller Vergötterung und der Identifikation mit ihm, muss er sich doch gleichzeitig von seinem Vorbild abgrenzen, um die eigene Originalität und Souveränität zu behaupten. Canettis Buch ist eine aufregende Lektüre, für jede*n zu empfehlen, den Canetti oder Kafka beziehungsweise das ineinandergreifende geistige Doppelporträt der beiden beschäftigt.
Hanser Verlag