Marcin Wilk empfiehlt
Der traurige Gast
Der neueste Roman von Matthias Nawrat ist nicht nur eine Erzählung über das Leben im heutigen Berlin, sondern auch ein literarisch gelungener Versuch der Auseinandersetzung mit einem weitaus schwierigeren Thema: dem philosophischen Nachdenken über den Menschen in der Krise.
Der namenlose Erzähler von Nawrats Der traurige Gast bewegt sich durch die Metropole wie durch einen Garten fremder Erfahrungen. Auf seinem Weg, oft an Orten, an denen man sich normalerweise nur kurzzeitig aufhält, etwa im Restaurant oder beim Friseur, begegnet er Menschen, die beginnen, ihr Leben mit ihm zu teilen. Ein ehemaliger Chirurg und Alkoholiker oder eine Architektin mit einer traumatischen Geschichte ziehen den Erzähler hinein in ihre Welten, erzählen scheinbar gewöhnliche Geschichten, wobei sie jedoch zugleich zu Fragen grundsätzlicher Natur provozieren: Was ist Gedächtnis? Woher kommen wir und wohin gehen wir? Welchen Sinn hat unser Leben? Auf diese Weise wird die Stadt gewissermaßen zu einem Hafen für verirrte Menschenseelen, lässt ungehemmte Traurigkeit zu, setzt Melancholie frei. Zugleich schwingt dieses Berlin in seinem eigenen Rhythmus. Hier findet Geschichte statt, etwa dann, wenn ein Terroranschlag abrupt die Beschaulichkeit eines Weihnachtsmarkts beendet.
Rowohlt
Matthias Nawrat
Der traurige Gast
Rowohlt, Berlin, 2019
ISBN 978-3-498-04704-7
304 Seiten
Rezensionen in deutschen Medien:
Perlentaucher
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