Podiumsdiskussion Exil und Literatur: Afghanische Stimmen in Deutschland

Key Visual Afghanistan © Goethe-Institut im Exil

So, 02.07.2023

15:00 Uhr – 16:30 Uhr

ACUD Studio

Die afghanische Literaturgeschichte blickt auf eine reichhaltige Erzähltradition zurück, die sowohl in Dari-Farsi als auch in Paschto sehr stark lyrisch geprägt war. Erst im 20. Jahrhundert bekam die Prosaform größeres Gewicht. Literarische Zeitschriften, Rundfunksendungen und Übersetzungen westlicher Werke ließen eine Vielzahl an literarischen Vereinigungen und Strömungen entstehen. Der Einmarsch der Sowjetunion, der Bürgerkrieg unter der Herrschaft der Mujaheddin und die anschließende Machtübernahme der Taliban führte zu einer Exil-Welle von Schriftsteller*innen, und auch wenn es in der Zeit zwischen den beiden Taliban-Regimes erneut eine rege literarische Tätigkeit gab, so befinden sich doch sehr viele der literarischen Stimmen Afghanistans nicht mehr im Land selbst, sondern im Exil. Deutschland spielt hier eine wichtige Rolle.  
 
Die Herausforderungen in den Gastländern sind sehr unterschiedlich, von existentiellen Fragen der Berufsausübung über Sprach- und Übersetzungsfragen zu der Schwierigkeit von Sichtbarkeit und Veröffentlichung. Wie sieht die aktuelle Situation der afghanischen Exil-Literatur in Deutschland aus? Auf welche strukturellen und kulturellen Herausforderungen treffen Schriftsteller*innen aus Afghanistan hier? Welche Initiativen und Unterstützungsmöglichkeiten gibt es? 

Das Panel möchte eine aktuelle Bestandsaufnahme über die Situation von afghanischen Schriftsteller*innen in Deutschland geben. Es ist gleichzeitig der Auftakt einer mehrmonatigen Veranstaltungssreihe, die sich den vielfältigen Themen der afghanischen Diasporaliteratur in Europa widmen möchte.  

Moderation:

Mohibullah Zegham, 1973 in Khost geboren, ist ein afghanischer Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber. Er veröffentlichte Romane, Kurzgeschichtensammlungen, Kinderbücher, Reiseberichte und Essaysammlungen und übersetzte Bücher über Psychologie, Medizin, Literatur und eine sanfte Auslegung islamischer Praxis. Sein Jugendroman „Kabay und Monok" wurde 2018 mit dem ersten Preis des Afghanistan-Zentrums der Universität Kabul (AKCU) ausgezeichnet. Die englische Übersetzung dieser Geschichte erscheint bei Pen It! Publications, LLC, 2020. Seine Kurzgeschichte „The Tiger" ist in „Flash Fiction International" erschienen. 
 
Gäste: 
 
Taqi Akhlaqi wurde im März 1986 in Afghanistan geboren. Er war noch ein Kind, als seine Familie in den Iran auswanderte, wo er zur Schule ging. Im Jahr 2004 kehrte er mit seiner Familie nach Afghanistan zurück, und studierte internationale Beziehungen an der Universität in Kabul. Seine Liebe zur Literatur hat ihn in den letzten zwanzig Jahren zum Lesen und Schreiben bewegt und ihm geholfen, die Kriegsbedingungen in Afghanistan zu überleben. Für sein belletristisches Werk erhielt er eine Reihe von Preisen und Anerkennungen. Sein Debütroman Kabul 1400 (im Original auf Farsi/Dari geschrieben), wird im August 2023 beim Borj Verlag im Iran erscheinen. Seit September 2021, nach der Rückkehr der Taliban, lebt er zusammen mit seiner Familie als freier Schriftsteller in Berlin. 

Hadia Armaghan wurde 1992 in der Stadt Mazar-e-Sharif geboren. Sie studierte Rechts- und Politikwissenschaften, schrieb seit ihrem zwölften Lebensjahr Gedichte und engagiert sich in den Bereichen Medien und Menschenrechte in Afghanistan. Sie ist Mitbegründerin des Khana Farhangi-e-Parto (Kulturhaus für Frauen) und Herausgeberin der Zeitschrift „Alf Ta Ya“ („A bis Z”). Ihre Gedichtsammlung namens „Farda ra Warq bazan“ (wörtlich: „den nächsten Tag aufschlagen”) wurde 2020 veröffentlicht. Sie nahm am Internationalen Poesiefestival in Metz, Frankreich, teil. Ihre Gedichte wurden aus dem Persischen ins Französische übersetzt und veröffentlicht. Im Jahr 2022 nahm sie am Salsal International Poetry Festival in Schweden teil. Armaghan ist Mitglied der Writers Association of Balkh und der Afghanistan Pen Center Association. 
 
Dr. Mohammad Dawood Wafa ist Schriftsteller, Autor, Literaturwissenschaftler und Journalist. Er wurde 1975 in der Provinz Nangarhar, Afghanistan, geboren. Aufgrund der russischen Invasion in Afghanistan wanderte er im Alter von fünf Jahren nach Pakhtunkhwa aus, wo er die Schule besuchte. Er studierte von 1993-97 an der Paschto-Abteilung der Fakultät für Sprachen und Literatur der Universität Nangarhar. 2014 schloss er sein Masterstudium in Paschto-Literatur an der Universität Kabul ab und 2022 seinen PhD an der Paschto-Akademie der Universität Peshawar. 2005 wurde er zum Professor für Paschtu-Literatur an der Nangarhar-Universität berufen, wo er bis 2022 tätig war. Wafa veröffentlichte zahlreiche Werke, darunter einen Leitfaden zur Identifizierung von Folklore-Literatur, 
eine kurze Geschichte zur Entwicklung von Literatur und Kultur in Nangarhar, Sterne am Himmel der Literatur (Tazikra), Grundlagen der Folklore. Er schrieb zudem über Journalismus, Literatur und humanistische Werte. Seit der Machtübernahem der Taliban 2021 zog er mit seiner Familie nach Deutschland. 
 
Sur Israfil studierte Islamisches Recht an der staatlichen Universität Herat und absolvierte ihr Rechtsreferendariat an der Universität Kabul. Mehrere Jahre arbeitete sie in Afghanistan als Rechtsanwältin und Rechtsberaterin in staatlichen Institutionen. Weitere Arbeitserfahrungen sammelte sie in den Bereichen Presse und Rundfunk. Sie gründete den Hashtag „Ich und meine Schwangerschaft”, der afghanische Frauen dazu einlud, ihre Schwangerschaftserfahrungen zu teilen. Israfil wirkte auch an der Kampagne „Wo ist mein Name?” mit. Sie veröffentlichte die Gedichtsammlung „Israfil in Haft" auf Farsi und eine Sammlung von Erzählungen von Frauen zu ihrer Notevakuierung unter dem Titel „Flucht aus der heiligen Festung". Seit ihrer Kindheit sammelte Israfil Migrationserfahrungen in verschiedenen Ländern. Derzeit trägt sie in Berlin die Verantwortung für die gesamte Öffentlichkeitsarbeit des Flüchtlingsrechtsberatungsbüros Yaar e.V.
 
Die Veranstaltung wurde vom Goethe-Institut Hamburg (Zentrum für internationale Kulturelle Bildung) unterstützt.

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