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App-Art in Deutschland
Kunst mit bunten Icons

Im Juli 2015 verlieh das ZKM Karlsruhe den fünften App Art Award |
Im Juli 2015 verlieh das ZKM Karlsruhe den fünften App Art Award | | Foto: © Fidelis, ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie

Künstler entdecken die App als Medium. In Deutschland können sie damit beim App Art Award punkten. Allerdings ist es nicht immer leicht, zwischen Kunst, Interface-Design und Gaming zu unterscheiden.

Schwarze Quadrate mit Pfeilen oder Kreuzen bewegen sich über den Smartphone-Screen. Spieler navigieren damit durch typografisch gestaltete Level voller poetischer Botschaften. Sometimes You Die heißt ein App-Spiel von Philipp Stollenmayer. Es unterwandert sowohl ästhetisch als auch strukturell herkömmliche Computerspiel-Codes. Bei Sometimes You Die hat man eine unbegrenzte Anzahl an Leben. Die Spieler werden mit Fragen konfrontiert wie: „What makes you accept this game as a game?“ (Was lässt dich dieses Spiel als Spiel akzeptieren?). In Zusammenhang mit der Kunstform App-Art ist das tatsächlich eine gute Frage. Denn was da Kunst oder Spiel oder beides ist, erschließt sich nicht immer auf den ersten Blick.

„Sometimes You Die“ von Philipp Stollenmayer (Youtube.com)

Der deutsche Designer Philipp Stollenmayer, Jahrgang 1993, hat 2015 mit Sometimes You Die einen App Art Award in der Kategorie Game Art gewonnen. Mit dem vom Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie ZKM jährlich veranstalteten Wettbewerb hat sich eine wichtige Plattform für die internationale Szene und das noch junge Genre etabliert. Das ZKM ist seit seiner Eröffnung 1989 zur führenden Institution für Medienkunst avanciert: mit Ausstellungen, Forschungsprojekten und Besonderheiten wie seinem weltweit einzigartigen Labor für antiquierte Videosysteme, in dem Spezialisten Videokunst restaurieren, digitalisieren und archivieren.

Apps als künstlerische Ausdrucksform

Im Juli 2015 vergab die Jury des App Art Award die Preise zum fünften Mal. Neben Stollenmayers App wurde in der Sektion Crowd Art mit Radwende ebenfalls die Arbeit eines deutschen Künstlers prämiert. Die App zeichnet mit dem Fahrrad zurückgelegte Wege auf und visualisiert sie anschließend im Museum. Den Preis für Sound Art erhielt Borderlands Granular, ein elektronisches Musikinstrument, mit dem Nutzer kleine visualisierte Klangeinheiten durch Berührung manipulieren können. Ein ähnliches Konzept des US-amerikanischen Medienkünstlers Fader, der sonst spektakuläre Projektionen für Events schafft, erhielt den Künstlerischen Innovationspreis. Mit seiner AppEDMT erzeugen User mit Fingerbewegungen Grafiken und Sounds.
 
„Radwende“ von Michael Volkmer (Youtube.com)

Sowohl App-Kunstwerke als auch kommerzielle Apps, zum Beispiel DJ-Tools, werden beim App Art Award prämiert. Um Apps als künstlerische Ausdrucksform zu erproben, animieren die als Jodi bekannten Medienkunst-Veteranen Joan Heemskerk und Dirk Paesmans mit ihrer 2013 in Karlsruhe ausgezeichneten App ZYX Menschen zu Bewegungsabläufen und machen sie zu Teilnehmern einer Performance. Das ist durchaus vergleichbar mit Arbeiten wie One Minute Sculptures des Künstlers Erwin Wurm, die Museumsbesucher zum Posieren mit Objekten auffordern.

Kreativbremse App-Store?

Eine App braucht kein Museum. Gerade das macht sie nicht nur für etablierte Künstler, sondern auch für den Nachwuchs interessant. Ein App-Kunstwerk braucht auch keine Galerie. Wer es besitzen will, lädt es kostenlos oder für wenig Geld auf sein Gerät. Zwar bemängeln viele Kritiker, die fließenden Grenzen zwischen Kunst und Kommerz würden es erschweren, Apps mit originär künstlerischem Anspruch zu etablieren. Doch für die Künstler selbst ist das nicht unbedingt von Nachteil – zumindest finanziell.

Künstler sollten die Möglichkeit nutzen, mit ihren Apps auch Geld zu verdienen, sagt Rafaël Rozendaal. Der brasilianische Künstler hat schon riesige Bildschirme am New Yorker Times Square oder im Amsterdamer Stedelijk Museum bespielt. Seine Animationen erinnern in ihrer elementaren Farbgebung und Flächigkeit an Bilder von Henri Matisse oder Pop-Art-Künstler wie Tom Wesselmann. Oft konzipiert er seine digitalen Arbeiten aber auch als Websites. Mit den fließenden Grenzen zwischen Kunst, Interface-Design und Gaming spielt er bewusst: auch in seiner App Finger Battle, die er für 99 US-Cent anbietet. Sie besteht aus zwei gegenüberliegenden, wachsenden Farbfeldern, auf die Spieler jeweils so lange mit dem Finger tippen, bis ein Feld das andere verdrängt. 20.000 Apps hat Rozendaal schon verkauft.

Wer seine App vermarkten will, ist allerdings auch auf den App-Store angewiesen. Mit den Betriebssystemen Android von Google und iOS von Apple teilen zwei mächtige Unternehmen den Markt unter sich auf: Nur in ihren Stores registrierte Apps können auf mobilen Geräten installiert werden. Zwar würden die Plattformen kontrolliert, die Kreativität schränke das aber nicht ein, findet Medienkünstler und ZKM-Leiter Peter Weibel. Die Freiheit künstlerischer Experimente im Apple Store sei viel größer als etwa bei deutschen Verlagen oder beim deutschen Fernsehen.

Berliner Künstler hackt iPhone

Unter Künstlern ist Kreativität oft Synonym für den mündigen Umgang mit Software: Sie hacken sie und eignen sie sich an, anstatt sie nur zu nutzen. Für seine Arbeit iPhone live unterwanderte der Berliner Interface-Künstler Johannes P Osterhoff die Sicherheitsstrukturen von Apple, um eine selbst entwickelte App auf seinem Gerät zu installieren – Jailbreak heißt das im Hacker-Fachjargon. Damit publizierte er zwischen Juni 2012 und Juni 2013 auf einer Website rund um die Uhr, was er bei Facebook postete, welche Spiele er spielte, welche Musik er hörte, welche Apps er installierte oder was er Freunden schrieb. Auf diese Weise machte er die Durchdringung von privatem und öffentlichem Leben in der digitalen Gegenwart sichtbar.

Die App-Art bietet Künstlerinnen und Künstlern neue Möglichkeiten, gerade weil sie nicht zwingend auf die Distributionsmechanismen des klassischen Systems Kunst, also die Präsentation in Museen oder der Verkauf über Galerien, angewiesen ist. Ganz auf das Museum verzichten können Künstler aber nicht: Sie etablieren sich oft erst, wenn ihre Werke in Sammlungen kommen. Doch das sei bei Apps nicht ganz einfach, erklärt Weibel. Im ZKM arbeite man noch an einer Lösung, App-Art langfristig und geräteungebunden zu archivieren. Dann können auch die Preisträger des App Art Award in die Sammlung aufgenommen werden.
 
Die Preisträger des App Art Award und eine Auswahl der besten Einreichungen sind noch bis zum 17. April 2016 im Zentrum für Kunst und Medientechnologie ZKM in Karlsruhe ausgestellt. In Kooperation mit dem Goethe-Institut touren ausgezeichnete Apps der vergangenen Jahre durch die Welt. Nach Stationen in Peking, Kanada, Südkorea, China, den USA und in Südamerika stehen Kuba, Jamaica und Mexico Stadt an.

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