Am 17. Oktober 2020 findet im Rahmen des internationalen Postkolonialismus-Projekts „Alles vergeht außer der Vergangenheit“ ein facettenreiches Online-Festival statt: Neben einem Vortrag von Bénédicte Savoy diskutieren Aktivist*innen, Künstler*innen, Expert*innen, Kurator*innen und Wissenschaftler*innen aus Afrika, Lateinamerika und Europa das sensible Feld (neo-)kolonialer Verstrickungen aus diskursiver und künstlerischer Perspektive. Die Beiträge beleuchten die Herausforderung, ethnologische Museumssammlungen, den öffentlichen Raum und Filmarchive zu dekolonisieren und bringen Positionen aus dem globalen Norden und dem globalen Süden in einen intensiven Dialog.
Eine Registrierung ist nicht erforderlich. Es wird eine Simultanübersetzung in Englisch und Italienisch angeboten.
„Alles vergeht, außer der Vergangenheit“ ist das großangelegte Projekt des Goethe-Institut Brüssel, in Zusammenarbeit mit den Goethe-Instituten in Frankreich, Italien, Portugal und Spanien. Es konzentriert sich auf den Umgang mit dem kolonialen Erbe in diesen Ländern. Im Zentrum steht die künstlerisch-diskursive Auseinandersetzung mit einer Vergangenheit, die in den Museen, im öffentlichen Raum und in den Bildarchiven der Region gegenwärtig bleibt.
Der Titel des Projekts stammt aus dem gleichnamigen Buch von Luc Huyse. Der belgische Soziologe beschreibt, wie Menschen von Afghanistan bis Simbabwe, mit nicht enden wollenden Leiden aus Kolonialisierung und Besetzung umgehen. Die kollektive Aufarbeitung der Vergangenheit ist der Kern dieses Projekts, das beweist, dass scheinbar Vergangenes nicht aus dem Gedächtnis verschwindet. Ein ehrlicher Blick auf die Kolonialgeschichte und deren Effekte für die Gegenwart bedeutet, dass wir uns neu definieren und Machtstrukturen überdenken müssen, die wir uns und anderen Menschen auferlegen.
Für das zweijährige Projekt „Alles vergeht außer die Vergangenheit“ schlagen wir einen künstlerischen und diskursiven Ansatz für die Überreste des Kolonialismus vor, seien dies nun Denkmäler oder andere Spuren des Kolonialismus im urbanen Raum oder der populären Kultur, in Filmarchiven oder Artefakte, die während der Kolonialzeit und meistens unter fragwürdigen Umständen von europäischen Museen und Sammlern erworben wurden. Im Jahr 2019 organisieren wir vier verschiedene Workshops in Brüssel, Lissabon, Bordeaux und Barcelona sowie mehrere öffentliche Veranstaltungen, um weit verbreitetes Wissen zusammenzutragen. Ziel ist es, einen Überblick über Praktiken und Möglichkeiten zu erhalten und einen Raum zu schaffen, in dem Konflikte ohne die üblicherweise verhärteten Fronten gelöst werden können.
Ausstellung in Turin 17.09.-18.10.2020
Bitte laden Sie hier den allgemeinen Text, die Beschriftung der Kunstwerke und den Plan des Ausstellungsraums herunter: Artworks labels
Welche Rolle spielt die Fotografie in einer Kultur der Erinnerung? Was sind die ethischen Auswirkungen für die Verwendung kolonialer Bilder und wie überwinden wir ihre beunruhigenden Erzählungen? Die Ausstellung ALLES VERGEHT, AUSSER DER VERGANGENHEIT präsentiert Fotografie, sowie linsenbasierte Kunstwerke von Bianca Baldi, Alessandra Ferrini, Grace Ndiritu und dem Kollektiv Troubled Archives, die die koloniale Sichtweise konfrontieren, herausfordern und neu verwerten. Sie entlarven das koloniale Bildarchiv als ein Machtinstrument der sozialen Reglementierung und weisen auf das Potenzial einer kritischen Neugestaltung hin.
Grace Ndiritu, A Quest For Meaning - AQFM Vol. 10, 2020
Grace Ndiritu, A Quest For Meaning - AQFM Vol. 10, 2020
Troubled Archives, The Recognition Machine, 2019 – Today
November 7./8. 2019 in Bordeaux (Kooperationspartner Musée d'Aquitaine)
Was tun mit den Artefakten in den ethnografischen Sammlungen europäischer Länder? Diese Frage ist so wesentlich, dass sie es verdient, in zwei je zweitägigen Workshops erörtert zu werden. Experimentelle Diskussionsformate, lecture performances kreisen um folgende Fragen: Ist Restitution das ethische Gebot der Stunde? Wie lässt sich das Zirkulieren der Objekte vorstellen? Wie können Kunstschätze aus Benin oder Kongo, so sie in europäischen Sammlungen verwahrt bleiben, für Besucher/-innen aus Benin, Kongo, Togo, Kamerun etc. erfahrbar werden, angesichts restriktiver Visa-Vergabe? Wie steht es um die spezifische Beseeltheit der Objekte? Was können Künstler/-innen in diesem Kontext leisten? Sind sie dabei auch instrumentalisierbar, insofern ihre Arbeiten über die tatsächlichen Machtassymetrien hinwegtäuschen könnten?
Workshop 3
24./25. Oktober 2019 in Barcelona (Kooperationspartner Museu Etnològic i de Cultures del Món)
Bei diesem Workshop geht es um Denkmäler und um Spuren im Stadtraum, die im kolonialen Kontext stehen. Während zum Beispiel die Stadtregierung in Barcelona alles daran setzt, Monumente zu schleifen, hat in Belgien die öffentliche Diskussion über die Standbildern des belgischen Königs Leopold II, der den Freistaat Kongo als sein Privateigentum reklamierte, gerade erst begonnen. Welche Wege sind darüber hinaus vorstellbar? Kontextualisierende Schrifttafeln? Gegenstandbilder (etwa für Patrice Lumumba)? Künstlerische Bearbeitung? Diese Fragen sollen an den zwei Thementagen verhandelt werden.
Workshop 2
25./26./27. September 2019 in Lissabon (mit Kooperationspartner Culturgest und die Cinemateca Portuguesa)
Ein besonderes Erbe des Kolonialismus ist in der Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit bisher wenig präsent: Filmmaterialien, die in kolonialen Kontexten entstanden sind und die größtenteils in europäischen Archiven verwahrt werden. Viele dieser Materialien wurden zu Propagandazwecken produziert und genutzt, andere sind das Ergebnis ethnologischer Forschungsreisen oder wurden zur Dokumentation von Kriegshandlungen aufgenommen. Nur ein Bruchteil dieser Materialien entstand aus der Perspektive der Kolonialisierten selbst. Wem gehören diese Materialien? Wie und wem sollten sie zugänglich gemacht werden? Ist die Digitalisierung eine Antwort, um die Möglichkeit eines gemeinsamen Zugangs zu den Archiven sowohl der ehemals kolonialisierten als auch der kolonisierenden Ländern zu schaffen?
Ein weltweiter Austausch über koloniale Machtverhältnisse, ihre Folgen und vor allem ihre Überwindung ein: in Diskursen, Interviews, Meinungsartikeln und Kunstprojekten. Für eine entkolonialisierte und antirassistische Welt.