Ein grauer, kalter Nachmittag in Köln zu Beginn der 1980er Jahre prägte Fernando Gils ersten Kontakt mit Deutschland. Die Szene am Ausgang des Hauptbahnhofs jagte ihm eine Gänsehaut über den Rücken: Polizisten drehte mit Schäferhunden ihre Runden, so wie er es schon in Filmen gesehen hatte. Zurück in Brasilien traf er beim Eintritt in das Goethe-Institut auf eine gegensätzliche Atmosphäre: ein herzlicher Empfang der Schüler und ein buntes Zusammenleben mit den Lehrern. Der widersprüchliche und bis dahin rätselhafte deutsche Geist hatte ihn ergriffen.
Fernando Gil war 15, als er den ersten Deutschkurs im Goethe-Institut Rio de Janeiro belegte, und heute, mehr als drei Jahrzehnte später, ist er der dienstälteste Mitarbeiter des Instituts. Mehr als die Hälfte seines Lebens hat er im Institut verbracht, das sozusagen sein zweites Zuhause ist. Seit 27 Jahren unterrichtet er als Lehrer – und zusätzlich sechs Jahre als Schüler. In diesem Interview spricht der Ansprechpartner für die Bildungskooperation Deutsch über seinen Werdegang.
Du bist schon seit fast 30 Jahren berufsmäßig mit dem Goethe-Institut Rio de Janeiro verbunden. Wann hat sich dein Weg zum ersten Mal mit dem Institut gekreuzt?
Bei meinem Eintritt als Schüler im Goethe-Institut war ich 15. Ich habe im zweiten Semester 1983 mit dem A1.1 begonnen, der damals Grundkurs 1 hieß. Überraschenderweise beruht meine Motivation, deutsch zu lernen, auf einer schlechten Erfahrung. Ich belegte einen Französischkurs während des europäischen Winters in Europa. Nach dem Kurs habe ich eine kleine Reise durch den Kontinent gemacht: ich reiste durch England und Belgien und bin dann nach Deutschland. Ich kam an einem kalten Nachmittag in Köln an, der Himmel war komplett grau. Bevor ich den Bahnhof verließ, sah ich einige Polizisten mit Schäferhunden, die ihre Runden drehten. Später erfuhr ich, dass in der Stadt gerade ein sehr wichtiges Fußball-Endspiel stattfand, aber die Szene erinnerte mich an Filme, die ich schon gesehen oder von denen ich gehört hatte.
Als ich den Bahnhof verließ, verschwamm der Himmel mit den immensen Türmen des Kölner Doms. Ich dachte: „Willkommen in Deutschland!“ Diese besondere Atmosphäre bei meiner Ankunft war sehr beeindruckend. Der erste Eindruck, den ich damals von Deutschland hatte, war der eines veralteten Landes, in dem die Menschen keine Fremdsprachen beherrschten und sehr viel von mir verlangten. Ich erinnere mich, dass ich nach meinen Fehlern beurteilt wurde, wenn ich etwas falsch machte, und ich musste sprachliche Schwierigkeiten meistern, um mich auszudrücken. Gleichzeitig begann ich, die langen deutschen Worte zu beachten. Das waren schlechte Eindrücke, die jedoch meine Aufmerksamkeit für jene Kultur erregten. Zurück in Brasilien suchte ich nach einem Ort, an dem ich Deutsch lernen konnte. So habe ich das Goethe-Institut gefunden.
Haben sich diese Gefühle, die dich zum Erlernen der deutschen Sprache gebracht haben, daraufhin geändert?
Die Sonne ging auf für mich, als ich am Goethe zu lernen begann. Die ersten Begegnungen mit Muttersprachlern und Menschen, die hier am Institut deutsch sprachen, waren sehr positiv. Der Unterricht war unglaublich gut. Meine erste Deutschlehrerin, Cinthia, war entscheidend für meine Laufbahn. Alles hat mich ungemein geprägt. Am Ende des Semesters wurde ich ausgewählt, um die Klasse beim Abschlussfest zu repräsentieren und bekam dafür vom Konsul ein Buch über Deutschland, das ich noch heute zuhause habe.
All diese Lern-Erfahrungen und der Kontakt zur deutschen Sprache und Kultur waren genau das Gegenteil dessen, das ich in Deutschland erfahren hatte. In kurzer Zeit habe ich Gegensätze kennengelernt, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Diese zwei Extreme haben mich fasziniert. Ich verstand die grundlegende Komplexität der deutschen Kultur. Deutschland ist nicht einfach, ist nichts für Anfänger.
Du hast andere Sprachen studiert, als du Deutsch entdeckt hast. Wie kam es dazu, dass du Deutschlehrer wurdest?
Ich habe mich schon immer für Sprachen interessiert. Mit 15, als ich Schüler des Goethe-Instituts wurde, lernte ich bereits Französisch und Englisch. Als ich mit Deutsch begann, schrieb ich mich auch für Russisch ein. Ich habe damals also vier Sprachen gleichzeitig gelernt, und es war sehr interessant, die Institutionen, Sprachen und Schüler vergleichen zu können. Ich schaffte die Aufnahmeprüfung an der Uni und schrieb mich bewusst für Portugiesisch-Englisch ein. Mit 18 war ich am Anfang des Kurses B2, und meine Lehrerin, Thea Schünemann, bot mir an, mit Anfängern zu arbeiten. Mit 18 begann ich, an der Sprachschule Baukurs zu unterrichten, noch bevor ich Erfahrung mit Englisch sammeln konnte. Während meines ersten Semesters an der Uni gab ich bereits Deutschunterricht, und das führte ich während meines gesamten Studiums fort.
Zwei Jahre später begann ich, Englisch zu unterrichten. Wenn ich die Eigenarten der Schüler verglich, sah ich unterschiedliche Welten. Der Englischschüler ist verpflichtet, die Sprache zu lernen, während der Deutschschüler sich dafür entschieden hat. Die Schüler haben oder wollen eine Beziehung mit der deutschen Sprache – sei es auf professioneller, wissenschaftlicher oder emotionaler Ebene. Ich spürte die besondere positive Einstellung und Motivation, die Sprache zu erlernen. Das entfernte mich vom Englischen und steigerte meine Faszination für das Deutsche. Ich begann, im Goethe-Institut an Seminaren für Lehrer teilzunehmen und lernte die faszinierende didaktisch-pädagogische Welt des Instituts kennen.
Wie schätzt du als pädagogischer Ansprechpartner die eingesetzte Methodologie für Deutsch als Fremdsprache ein?
Nach verschiedenen Moden sind wir meiner Meinung nach an einem Punkt angekommen, an dem es ein ausgewogenes, rationales Gleichgewicht zwischen Methodik und pädagogische Freiheit gibt. Heute weiß man, dass man die didaktische Grundlage des Unterrichts an der Nachfrage der Schüler ausrichten muss. Die neuesten Bücher für Deutsch als Fremdsprache folgen dieser Lernmethode, aber der multikulturelle Ansatz zur Kommunikation ist intensiv zu spüren. Auf diese Weise zu arbeiten ist eine Herausforderung, ist nicht einfach. Aber es ist anregend, all das, was du im Unterricht geschätzt hast, auch in den didaktischen Büchern vorzufinden.
Das Goethe-Institut Rio de Janeiro feiert sein 60jähriges Bestehen zu einem Zeitpunkt der Unruhe und Instabilität in Brasilien und der ganzen Welt. Welchen Herausforderungen muss sich das Kulturinstitut in den kommenden Jahrzehnten stellen?
Die Herausforderungen, denen sich unser Institut stellen muss, haben sich im Grunde genommen nicht geändert: die deutsche Sprache und Deutschland als eine gute Option vorzustellen. Angesichts der Globalisierung leben wir in einer globalen, institutionellen und auch kulturellen Krise. Eine kulturelle Krise kann auch positiv sein, weil sie die Menschheit zwingt, neue Wege zu suchen. Und Deutschland stellt eine gute Alternative zu der anglo-amerikanischen Achse dar, die momentan einen sehr schwierigen, gefährlichen Weg geht. Genau das ist der Zeitgeist: diese Brutalität, die Monokultur, diese Einsprachigkeit ablehnen. Unsere Arbeit im Goethe bestand immer darin, Deutschland als Option zu präsentieren. Das haben wir immer so gemacht.
Zu unterrichten ist eine Herausforderung; zu lernen ebenfalls. Was sagst du denjenigen, die sich zum ersten Mal dem Deutschen widmen?
Ich sage immer, dass es wichtig ist zu beginnen. Zu meiner Zeit als Schüler warteten wir Monate auf neue Kassetten für die Bibliothek. Später jagten uns Video-Kassetten einen Schauer über den Rücken. Und heute taucht Deutschland mit einem simplen Klick auf dem Computerbildschirm auf. Eine Person, die unsicher ist, ob sie mit einer Sprache beginnen soll oder nicht, muss bedenken, dass es heutzutage viele Hilfsmittel gibt. Aber man darf nie vergessen, dass der Computer nicht für den Schüler lernen wird. Der Schüler ist der Protagonist dieser Geschichte.
Angst zu haben vor einer Neuigkeit passt nicht in unsere Zeit, entspricht nicht dem Zeitgeist. Nur durch das Eintauchen in die Herausforderungen können wir uns weiterentwickeln. Die Schüler haben heutzutage die Möglichkeit, ein sehr modernes, demokratisches, multikulturelles Deutschland kennenzulernen. Ein Land mit einer Vielfalt an Ethnien, die friedlich und zivilisiert miteinander lebt. Es besteht die Möglichkeit, einen Lebensabschnitt in Deutschland zu verbringen, dort zu studieren und zurückzukommen. Derjenige, der das erlebt, kommt mit einer anderen Weltsicht zurück, was einen direkten Einfluss auf das Leben hier haben wird. Das Goethe-Institut will als kulturelle Institution genau diesen Austausch an Wissen und Erfahrungen fördern.