Canan Erek
Konspirative Reise

Canan Erek
Foto: privat

Pina Bauschs Wuppertaler Tanztheater lockte Canan Erek aus Istanbul nach Deutschland. Hier studierte sie Tanz und Choreografie. Heute arbeitet sie mit Jugendlichen und realisiert Projekte im öffentlichen Raum.

Als die 1968 in Istanbul in der Türkei geborene Canan Erek erstmals eine Videoaufzeichnung des Tanztheaters Wuppertal sah – „Café Müller“ und Le Sacre du printemps – stand der Entschluss fest: Abbruch des Journalistik-Studiums in Istanbul, konspirative Reise nach Deutschland, Audition an der Folkwang Hochschule in Essen, Ausbildungsbeginn im Oktober 1987.

Die Eingewöhnung in den Schulbetrieb und den Alltag am Essener Institut im damals ruinösen Westen der Bundesrepublik fielen Canan Erek schwer. Sie hatte wenig Kontakt zur schon damals internationalen Studentenschaft, und so ging sie gleich nach ihrem Diplom 1992 nach Berlin, wo gerade die Mauer gefallen war und ihr späterer Ehemann bereits studierte. Der Studenten-Status erlaubte es, eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten, und so schrieb sich Erek als erste Studentin aus dem nicht-sozialistischen Ausland in den Studiengang Choreografie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch ein.
 
1996 war auch dieser Ausbildungsschritt beendet, und es begann die Karriere als freischaffende Choreografin. Berlin bot damals viele Möglichkeiten, aber auch permanente Unsicherheit. Da kam das Angebot gerade recht, die Leitung des Leipziger Tanztheaters zu übernehmen, eines Ensembles, dessen Wurzeln in der Laientanzbewegung der DDR liegen. Drei Jahre war Erek dort tätig.

Seither hat sie sich dem damals noch völlig neuen Bereich der kulturellen Bildung geöffnet. „Weil ich selbst einen so genannten Migrationshintergrund habe, bekam ich rasch Angebote“, sagt Erek lakonisch. Doch dieser „Türkei-Bonus“ verwehrte ihr zugleich auch den Zugang zu manchem Förderprogramm. Das Goethe-Institut lehnte nach damaliger Praxis einen Reisekostenzuschuss ab, weil sie eben keinen deutschen Pass vorweisen konnte – dieses Kriterium ist mittlerweile abgeschafft.

Doch gibt ihr dieses Feld auch mehr gesellschaftlichen Wirkungsradius: „Die Arbeit mit Jugendlichen eröffnet ganz andere Perspektiven.“ 2016 initiierte sie gemeinsam mit der Berliner Produzentin Inge Zysk PURPLE – ein Internationales Tanzfestival für junges Publikum, dessen erste Ausgabe im Januar 2017 ein großer Erfolg war. Andere Projekte für Tanz im öffentlichen Raum – in Bürgerämtern oder öffentlichen Grünanlagen – sind in Arbeit. „Tanz kann viel mehr sein“, so Erek. Immerhin ist sie vor 1987genau deswegen nach Deutschland gekommen: auf der Suche nach einem anderen Tanz als er in den Studios von Ankara und Istanbul unterrichtet wurde.
 

„REAL POSES“ (2013)

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