Eine Geste: Ausgraben

Überlegungen
von Francisco Medina Donoso

Erschienen auf www.tdz.de/chile am 27.08.2023

Fragmento no comprobado

“Exhumar, fragmentos no comprobados” | © Francisco Medina

Ich denke an die Geste.  

Der Putsch von 1973 begann mit einer gewaltsamen Aktion, der Bombardierung des Palacio de La Moneda. Dieses Bild des zerstörten Regierungsgebäudes prägte sich ins Unterbewusstsein einer ganzen Generation ein, als erstes Zeichen des brutalen Wandels, den das Land erlebte. Die Zerstörung dieses architektonischen Körpers war nur das Vorspiel für das, was in den folgenden Jahren mit anderen Körpern, Gebäuden und Denkweisen passieren würde. 

Diese anfängliche Geste hatte materielle Konsequenzen, Tonnen von Trümmern, die dort jahrelang liegen gelassen wurden, für alle sichtbar. Das tote Gebäude als Beweis und Warnung, was passieren würde, wenn die Bürger das neue Modell nicht lernten.

Die Auswirkung dieser Geste hält immer noch an und hallt zwischen den Bergen wider.

Das Theater als Mittel reicht mir nicht mehr aus, um dem Schrecken dieses Landes zu begegnen.  

Die wunderschöne Theatralität des Lebens jedoch schon. 

Das bleibt mir. 

Daraus schöpfe ich meine Handlungsweise und meine Geste. 

Ich frage mich: 

Was ist mit den Überresten des Palacio de La Moneda passiert? 

Wo sind sie? 

Wohin sind die Trümmer, die Zeugnisse dieser gewaltsamen Aktion, verschwunden?
 
Heute, fünfzig Jahre nach diesem 11. September, habe ich einen Hinweis gefunden. 

Ich erinnere mich an eine Aussage. Eine Mutter, die Schutt vom Palacio de La Moneda erhielt, um ihr Haus zu bauen. Dieses Haus, in dem eine normale Familie aus Santiago de Chile lebt, steht auf den Überresten der nationalen Tragödie. 

Ich betrachte die Familienfotos. Sie zeigen glückliche Momente. Ich sehe ihren sinkenden Garten. 

Und ich schlage eine Geste vor: Eines dieser vernachlässigten Geschichtsfragmente wiederzufinden. Es ans Licht zu bringen. Es neu zu definieren. 

Die Überreste von La Moneda auszugraben. 

Mehr als ein Denkmalprojekt, ist „Ausgraben“ der Wunsch, ein Stück unserer zerstückelten jüngsten Erinnerung zurückzubringen und der Gemeinschaft anzubieten. Archäologisch zu verstehen, wie ein nationales Denkmal mit dem Alltag einer Familie verschmilzt. Ich schlage vor, die Rekonstruktion dieses architektonischen Körpers als eine poetische Geste der Wahrheit vorzustellen.  

Auferklärung und Gerechtigkeit für Chile.

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