Sprechstunde – die Sprachkolumne
Der Duden – Deutschlands bekanntestes Wörterbuch

Illustration: Wörterbuch
Was ist ein Wörterbuch? | © Goethe-Institut e. V./Illustration: Tobias Schrank

Bis zur Rechtschreibreform 1996 war der Duden das maßgebende Regelwerk der deutschen Rechtschreibung. Dieses Monopol ist aufgehoben, dennoch achten Medien, Behörden und andere Textproduzent*innen weiter die Empfehlungen des Rechtschreibdudens. Über die andauernde Karriere eines Wörterbuchs.

In meinem Kopf schwirren deutsche, englische, spanische, russische Sprachbrocken und einige georgische Trinksprüche durcheinander. In Tiflis findet eine Sitzung von Wörterbuchspezialist*innen statt – Menschen aus Italien, Spanien, Georgien, Deutschland, Frankreich, Südafrika, den USA, den Niederlanden, Dänemark, Armenien, Ungarn und Portugal haben sich versammelt, um über Wörterbücher und die Ausbildung von Studierenden, die später Wörterbücher schreiben und managen sollen, zu beraten. Es gibt in Europa ein weltweit einmaliges Programm, um junge Leute aus der ganzen Welt dafür zu qualifizieren, die jahrtausendealte Tradition des Wörterbuchschreibens in die Zukunft zu führen. Und da beginnt das Problem - sind es eigentlich noch WÖRTERBÜCHER, über die wir hier sprechen? Wäre vielleicht die Bezeichnung „digitale Informationssysteme über Wörter“ besser? Oder treiben wir bald nur noch Handel mit Sprachdaten? 

Service rund ums Wörterbuch

Uns in der Duden-Wörterbuchredaktion beschäftigen diese Fragen ständig, schließlich wollen wir ergründen, was die Kund*innen in aller Welt von uns haben möchten – gedruckte Wörterbücher, ein umfangreiches Wortinformationssystem  im Internet, digitale Offline-Wörterbücher, Unterstützung im Schreibprozess durch ein umfassendes Korrektur- und Hinweisprogramm oder qualifizierte Sprachdaten, die sie in ihre Programme einbauen können. Um es kurz zu machen – sie möchten alles.

Was heißt das für einen Verlag wie den unseren, der über 700 Titel im Programm hat, von dem die meisten Deutschen aber nur einen kennen – den Rechtschreibduden? Wie kann es sein, dass den meisten Menschen in Deutschland zwar der Name Duden geläufig ist, sie aber aus der Angebotsvielfalt des Dudenverlags wiederum nur DEN DUDEN, nämlich das Rechtschreibwörterbuch, zu Hause haben? 

Lehrer Duden und die Rechtschreibung

Konrad Duden war Deutschlehrer und Direktor eines Gymnasiums, als er 1880 das „vollständige orthographische Wörterbuch der deutschen Sprache“ zum Preis von einer Mark auf den Markt brachte. Es erschien im Bibliographischen Institut in Leipzig. In diesem Verlag kamen alle bisherigen 26 nachfolgenden Auflagen heraus, auch wenn sich der Verlagssitz inzwischen in Berlin befindet. 1880 gab es noch keine einheitliche Rechtschreibung in Deutschland. So analysierte Duden die vorhandenen Wörterbücher und schaute gleichzeitig sehr genau hin, welche rechtschreiblichen Schwierigkeiten bei seinen Schülern auftraten. Aus all diesem Material entstand sein Buch, ein sogenanntes Orthographikon, ein reines Orthographiewörterbuch.

Mit Neuauflagen in die Bestsellerlisten

Dieses Buch und die nachfolgenden Auflagen wurden sehr schnell zu einem Verkaufsschlager, besonders nachdem es quasi per Beschluss auf der II. Orthographischen Konferenz von 1901 amtlich wurde. Aber etwas war im Vergleich mit der Entwicklung in anderen Ländern merkwürdig: Das auf diese Weise bekanntgewordene Wörterbuch blieb ein Orthographiewörterbuch, wenngleich zum Beispiel auch grammatische Angaben wie Artikel, Genitiv- und Pluralformen bei Nomen angezeigt wurden. Ab und zu findet sich auch eine Bedeutungserklärung, eine Ausspracheangabe oder ein Verwendungshinweis. Aber keines der großen Bedeutungswörterbücher des Verlags, in denen jedes Wort umfassend erklärt wird, hat je die Bekanntheit dieses Wörterbuchs erreicht. Ganz anders in Frankreich oder Großbritannien, wo die größten Bedeutungswörterbücher die bekanntesten Titel sind, denken wir nur an das Oxford English Dictionary. Eines ist all diesen Wörterbüchern aber gemeinsam: Das Erscheinen einer neuen Auflage mit Tausenden neuer Wörter ist ein mediales Großereignis, und selten bekommt das Thema Sprache so viel Aufmerksamkeit: Die Menschen diskutieren, warum es wohl dieses Wort in den Duden geschafft hat, jenes aber nicht. Woran das liegt, erkläre ich Ihnen in meinem nächsten Beitrag.
 

Sprechstunde – die Sprachkolumne

In unserer Kolumne „Sprechstunde“ widmen wir uns alle zwei Wochen der Sprache – als kulturelles und gesellschaftliches Phänomen. Wie entwickelt sich Sprache, welche Haltung haben Autor*innen zu „ihrer“ Sprache, wie prägt Sprache eine Gesellschaft? – Wechselnde Kolumnist*innen, Menschen mit beruflichem oder anderweitigem Bezug zur Sprache, verfolgen jeweils für sechs aufeinanderfolgende Ausgaben ihr persönliches Thema.

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