RAP
Moisés Angulo Matamala
Von Doreen Zöllner
Wie bist du zum Rap gekommen und wer sind eigentlich die Astropoetas?
Ich rappe schon seit ich 12 Jahre alt bin. Meine ersten Erfahrungen sammelte ich bei Freestyle-Battles, also Improvisations-Battles und von da an habe ich immer Rap gehört und gemacht. Ich war Teil verschiedener Hip-Hop-Gruppen, unter anderem Flow Kinski, Tornamenta und jetzt schließlich Astropoetas.
Als ich meine Karriere als Schauspieler auf professioneller Ebene begann, war das erste Stück, an dem ich arbeitete, eine Einladung der Theatergruppe Teatro La María, sie wollten ein Stück mit Rap-Musik erarbeiten und ich hatte eben schon Rap-Kenntnisse. Da haben sich also diese beiden Disziplinen vereint, die im Hintergrund irgendwie immer schon vernetzt waren. In der Theaterwelt ist Sprache bzw. das gesprochene Wort sehr bedeutsam – im Rap dreht sich auch viel um den Gebrauch und das Wissen über die Werkzeuge rund um das Wort, sodass dies für beide Seiten gut sein kann.
Ich arbeitete mit Nicolás Aguirre zusammen, der der „Beatmaker“ unserer Gruppe ist. Außerdem ist er der Tonkünstler unserer Theatergruppe, da haben wir uns also kennengelernt und angefangen, einen Workshop zu entwickeln. Der Workshop heißt „BitacoRap“ und beschäftigt sich mit Freestyle und Improvisation. Es kamen mehr und mehr Menschen, bis wir irgendwann 20 improvisierende Leute dabei hatten. Wir trafen uns jeden Donnerstag und das wurde immer stärker, bis unsere ersten Lieder entstanden und wir die Möglichkeit sahen, eine Band zu sein. So entstand Astropoetas. Dann kam noch mein Bruder dazu, der auch Schauspieler ist; wir alle drei sind Schauspieler, und Matías ist Musiker und Musikproduzent. Mit ihm fingen wir an, dem Album eine echte Form zu geben. Unser erstes Album heißt Palabras Claves, es kam im Dezember letzten Jahres, also 2018, heraus und umfasst 9 Lieder bei einer Länge von 27 Minuten.
Der Rap ist in Chile sehr wichtig, vor allem kulturell gesehen. Er galt in der ärmeren Bevölkerung Chiles immer als eine Art Ausweg, eine künstlerische Alternative. Ich glaube, dass er sich bis heute zu etwas sehr bedeutsamen entwickelt hat. Diverse chilenische Gruppen haben Punkte erreicht, die sie vorher nie für möglich gehalten haben, so hat zum Beispiel Movimiento Original dieses Jahr beim Festival del Huaso de Olmué gespielt und das sind Sachen, die man im Hip-Hop einfach noch nicht gesehen hat. Man hat nie Rapper*innen bei solchen Festivals gesehen.
Heutzutage gibt es sehr viele Freestyle-Battles, die revolutionieren quasi die Welt. Es gibt Freestyler, die nicht mal rappen, die keinen Rap hören. Aber sie sind mit dabei und haben etwas zu sagen. Auch in anderen musikalischen Bewegungen werden mittlerweile die Ressourcen des Raps genutzt, um sich auszudrücken. Heute sieht man also viel Bewegung in den Battles, es gibt viele Straßen-Battles, wie DEM-Battle, Subforo-Battle, … super viele. Es scheint mir, als sei das ein spannender Ort, um sich mit den neuen Generationen in Verbindung zu setzen, zu lernen, was sie denken, wie sie die Sprache benutzen, welche Wortspiele sie nutzen.
Warum hast du dich dafür entschieden, bei dem Marx-Wettbewerb mitzumachen und wie war der Entwicklungsprozess des Stückes?
Ich habe durch einen Freund von dem Wettbewerb erfahren, er hat mir die Infos geschickt und als ich sah, dass es sich um Marx dreht und dass es auch eine Verbindung zu dem Festival in Hamburg gibt, dachte ich, dass das ziemlich passend für mich sein könnte, da ich ja auch in Hamburg geboren bin. Ich bin Sohn von Exilanten, von Guerrilleros. Das hohe Maß an sozialem Engagement in meiner Familie sorgt dafür, dass ich so politisch-revolutionär geprägt bin und ich glaube, dass mich das motiviert hat, teilzunehmen. Ich wollte die Dinge, die in dem Moment stattfanden, mit den Ideen, die vielleicht auch heute noch gelten und der Frage, wie Marx unser aktuelles System beeinflusst hat, zusammenbringen. Von da an nahmen wir uns eine Woche Zeit und starteten das Projekt zeitgleich mit der Ermordung von Camilo Catrillanca, weil das gerade kürzlich passierte und sehr einschlägig war. Ich glaube, an diesem Punkt konnte man gut sehen, dass dieser Kampf der Klassen, der Rassen, noch weiter anhält und dies zusammen mit meiner Geburt in Hamburg sorgte dafür, dass wir das Stück verfassten.
Du hast also eine starke Verbindung zu Deutschland? Du sprichst im Lied ja auch davon, in Hamburg aufgewachsen zu sein…
Ja, ich bin ‘85 in Hamburg geboren und habe für ungefähr ein Jahr dort gelebt. Meine Eltern waren zu der Zeit politisch verfolgt, sodass sie immer wieder umziehen mussten. Meine Mutter war mit dem Vater meines Bruders verheiratet, der war zu der Zeit einer der detenidos desaparecidos. Mein Vater selbst war untergetaucht, er hatte auch nicht viele Möglichkeiten, sodass ich schließlich in Deutschland geboren bin. Ich trage die beiden Nachnamen meiner Mutter, ich habe bis heute nicht den Nachnamen meines Vaters.
Die Verbindung zu Deutschland ist also schon stark, unwägbar auf der einen Seite, politisch auf der anderen. Aber ich habe Familie dort, die durch die gleichen Exilanten dort blieb.
Magst du von deinen aktuellen oder zukünftigen Projekten erzählen?
Momentan bin ich Teil eines Theaterstücks namens Democracia, von dem brasilianischen Regisseur Felipe Hirsch. Er wurde von der Fundación Teatro a Mil nach Chile eingeladen, um Regie für ein Stück zum Demokratie-Konzept in Lateinamerika und Chile zu führen. Wir sind dafür gerade viel unterwegs und fahren im Rahmen unserer Tournee an viele verschiedene Orte. Jetzt bald, am 10. Mai, zum Beispiel geht es zum FITEI-Festival nach Porto in Portugal.
Außerdem unterrichte ich, ich arbeite zusammen mit der Regisseurin Alexandra von Hummel an der Universidad de Chile. In Bezug auf Rap sind wir gerade dabei, unser zweites Album zu machen, das werden wir im GAM machen, weil wir uns dafür beworben haben, ihr Studio zu benutzen, das wird also die Arbeit der zweiten Jahreshälfte.
Ganz persönlich arbeite ich an einer Performance, bei der urbane Kunst auf die beiden Sprachen von Theater und Rap trifft, dafür beschäftige ich mich gerade mit der Geschichte des Graffitis an den Wänden von Santiago. In diesem Rahmen war es super spannend für mich zu lernen, wie sich die Idee des Privateigentums in den Straßen äußerte und woher die Graffitis an den Wänden eigentlich kommen. Ich glaube, das ist mein tiefgreifendstes Projekt, dabei können sich die Disziplinen wirklich vereinen und so einen Standpunkt schaffen, der sowohl zum Rap in Chile, als auch zum Theater in Chile beiträgt.
Du wirst mit den Astropoetas als Gewinner des Wettbewerbs nach Deutschland reisen – worauf freust du dich dort am meisten?
Am meisten freut es mich ehrlich gesagt, mit dem Rap reisen zu können. Das ist mir sehr wichtig, da ich schon, seitdem ich 12 Jahre alt bin, davon träume, etwas so Bedeutsames auf die Beine stellen zu können. Rap war schon immer ein bisschen ausgegrenzt und wurde als etwas gesehen, das keine Zukunft hat. Umso wichtiger ist es also darüber Reisen zu können, denke ich, vor allem auch für die Rapper*innen hier, die dadurch sehen, dass es sehr wohl möglich ist und der Rap eine Zukunft hat. Außerdem geht es viel um die Verbreitung von Astropoetas - Kontakte mit dem STAMP!-Festival knüpfen zu können, Kontakte zu anderen Orten zu knüpfen, wir werden auch nach Paris fahren, um dort zu spielen, es kann also sein, dass sich dort noch mehr Möglichkeiten für uns eröffnen und während sich uns mehr Möglichkeiten eröffnen, glaube ich, dass sich gleichzeitig auch mehr Möglichkeiten für die anderen Rap-Gruppen hier bieten. Ich möchte dieses Erlebnis natürlich mit ihnen teilen und meinen „Beitrag“ für die Disziplin leisten, ja, ich glaube, darauf freue ich mich am meisten.
Und klar, überhaupt mit dem Rap aus Chile rauszukommen, es ist ziemlich kompliziert, an diesen Punkt zu kommen, das ist also eine Chance, die wir wertschätzen und nutzen möchten, da sie für uns sehr wichtig ist.
Fotos HH
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