Ausstellung
Nikola Marković: Der Tag nach einer Nacht der Gewalt
oder „… 13.04.1981 – 12.12.2024 …“
Hommage auf eine Skulptur von Olaf Metzel
Im Dezember wird der Künstler Nikola Marković in der Galerie „Wechselstube“ des Goethe-Instituts seine Arbeiten im Rahmen der Ausstellung „Der Tag nach einer Nacht der Gewalt“ präsentieren.
Nikola Marković über die Ausstellung
Diese Serie von Zeichnungen entstand aus der Arbeit an einem der vorherigen Zyklen („Logik des Zauns“) – als direkte Referenz auf die Skulptur (Installation) des deutschen Künstlers Olaf Metzel – „13.04.1981“.Die kontroverse Skulptur besteht aus „Beweisen der Gewalt“ oder „zwölf Metern Wut“, genauer gesagt aus chaotisch angeordneten Absperrgittern zur Kontrolle von Menschenmengen, mit einem Einkaufswagen an der Spitze – gewissermaßen als Krone. Sie entstand 1987, einige Jahre nach den gewalttätigen Demonstrationen (am selben Ort) im Jahr 1981, ausgelöst durch die Falschmeldung über den Tod von Sigurd Debus (der damals im Gefängnis saß, angeklagt als Mitglied der RAF1) – infolge eines Hungerstreiks. Im weiteren Kontext verweist sie auf eine konfliktträchtige Geschichte und stellt eine Art Materialisierung des Konflikts dar, sodass sie nicht nur Vergangenheit und Gegenwart umfasst, sondern sich auch auf die Zukunft bezieht. Inzwischen ist sie auch als „Denkmal der Unruhen“ bekannt geworden.
Obwohl die Skulptur zu einem Treffpunkt mit Kultstatus wurde, rief sie gleichzeitig heftige Proteste hervor, ja sogar die ersten Demonstrationen gegen moderne Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg. Wieder war von „entarteter Kunst“ die Rede (sie wurde sogar als ein „Haufen Müll“ bezeichnet), die Sympathien für den Terrorismus hege. Das führte unvermeidlich auch dazu, dass auch der Künstler von der Presse unter Druck gesetzt wurde, unzählige anonyme Drohanrufe erhielt und sich schließlich gezwungen sah, Berlin zu verlassen, während der Berliner Senat anordnete, die Skulptur zu entfernen. Da die kontextuellen Aspekte seines Schaffens oftmals ignoriert wurden, wurde Metzel lediglich als Gesellschaftskritiker wahrgenommen, wenngleich der Künstler selbst den Ausdruck „lebendiger Kontext“ verwendete. Nach 14 Jahren (2001) wurde die Skulptur jedoch erneut aufgestellt – diesmal an einem anderen Ort in der Stadt. Im Jahr 2019, nach einer Restaurierung, wurde das Werk (vorerst) zum letzten Mal versetzt.
Die Skulptur kann auch als eine Art „Bewusstseinsformung“ interpretiert werden, wie sie von den Massenmedien betrieben wird. Der Einkaufswagen als „Krone“ ließe sich als Hinweis auf die Ursachen gesellschaftlicher Kontroversen deuten. Diese heutige, ausbeuterische Form des Kapitalismus birgt zweifellos ein enormes Gewaltpotenzial, wobei den Medien die Aufgabe zukommt, sowohl das Bewusstsein als auch gesellschaftliches Handeln zu strukturieren.
Mich hat hier vor allem interessiert, wie ein solches Werk in einem anderen (unserem) „lebendigen Kontext“ funktionieren würde, in dem der Radikalismus in den letzten vierzig Jahren unmissverständlich für die entgegengesetzte Seite des „politischen Spektrums“ Partei ergriffen und sich ihrer bemächtigt hat, im Vergleich zu (West-)Deutschland. Eine Vielzahl historischer Ereignisse der letzten mehr oder weniger als vierzig Jahre hat irgendwie noch immer nicht künstlerisch in „12 Meter Wut“ oder zumindest in einem „Haufen Müll“ Ausdruck gefunden. Mag sein, dass die Ursache in der terminalen Phase der Gewalt zu suchen ist, die in den letzten Jahren unser Leben bestimmt, sodass die zeitliche Distanz - der „Tag danach“ - ausbleibt. Wir scheinen die ganze Zeit in einer Art „Murmeltiertag“ zu leben.
Trotz des düsteren Bildes, das dieser „Zustandsbericht“ bietet, besteht eine naive, utopische Hoffnung, dass der Tag dieser Vernissage jener Tag danach, der Tag (nach einer langen) Nacht der Gewalt‘ sein könnte. Sollte es keine andere Möglichkeit geben, dann sollte man zumindest versuchen, einen solchen Tag zu simulieren, auch wenn wir unser Leben mitten im Konflikt leben, in einer Kultur der Gewalt, die gepflegt wird, die toleriert wird – und beinahe unser Alltag geworden ist.
© Jelena Kitić
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