K. Film. Kafka geht ins Kino

Kafka geht ins Kino 2300x1000 © Edition Filmmuseum 95

So, 12.05.2024

14:00 Uhr – 22:00 Uhr

Dvorana Kulturnog centra Beograda

Edition Filmmuseum 95

Regie: div.
Produktionszeitraum: 1907–2002

468 Min.

Über Franz Kafka und das Kino

Vieles an Kafkas verstreuten Notizen zum Kino(gehn) ist ein heftiger Abdruck, ein Echo des meist unmittelbar Erlebten und Gesehenen. In ihrer elliptischen Knappheit sind sie Traumresten vergleichbar. Die einzige ausführlichere und zusammenhängende Betrachtung ein Wort, das auch seinem ersten Prosaband vorangestellt ist gilt weniger dem Kino als dem Kaiserpanorama. Kafka schätzt dieses schon aus der Mode gekommene Medium der plastischen Fotografie, weil hier die Bilder „lebendiger als im Kinematographen“ seien, hingegen herrsche bei diesem „die Unruhe der Bewegung“; schließlich phantasiert er wie schon vor ihm Peter Rosegger und auch aus rein kommerziellen Gründen der Erfinder des Kaiserpanoramas selbst eine „Vereinigung von Kinema und Stereoskop“, mithin eine noch sehr viel weiter gehende Entrückung ins noktambule Abenteuer.

Kafka registriert sehr genau die paradoxe Macht des Kinos: Ungeachtet des unbestreitbar trivialen Realismus, der leicht durchschaubaren Machart des Ganzen Kafka spricht einmal von „alten Filmerfindungen“, gelingt dem Kino mithilfe der überlebensgroßen Projektion im künstlich verdunkelten Raum eine bis dahin ungeahnte Überwältigung; diese ist so stark, dass sie, wie Kafka schreibt, die Zuschauer erstarren lässt.

Die Ähnlichkeit mit Traumgeschichten ist naheliegend und gleichzeitig irreführend, naheliegend, weil das onirische Moment, der Tagtraum, sich ähnlich schwer resümieren und „festhalten“ lässt wie der Film, irreführend, weil er ein extrem individualisiertes, inneres Erlebnis ist, das ich mit anderen, im Gegensatz zum Film, nie werde teilen können. Ähnlich wie eine plötzlich hereinbrechende Naturerscheinung ist das Kino imstande, zu rühren, zu verwirren und zu überwältigen. Eine erste Demonstration dieser Überwältigungsmacht hat in Prag Rabbi Löw geliefert, als er Kaiser Rudolf II. und seinen Hof mit einer machtvollen Projektion der Laterna magica in Angst und Schrecken versetzte.

Gegen diese flüchtigen Bilder, die ähnlich wie die Tageszeitungen eine rasch vergängliche Ware waren, mobilisiert Kafka den Depeschen- und Telegrammstil, eine Rhetorik, die versierten Briefstellern im letzten Jahrhundert durchaus geläufig, ja gewissermaßen zur zweiten Sprachnatur geworden war. Mit stenografischer Ökonomie und mit einem untrüglichen Gespür für die Pointe „Street full of water. Please Advise“, so das Telegramm von Robert Benchley bei seinem ersten Venedigbesuch werden das flüchtige, das fliehende Bild und dessen unmittelbare affektive Wirkung „festgehalten“: „Im Kino gewesen. Geweint. Lolotte. Der gute Pfarrer. Das kleine Fahrrad. Die Versöhnung der Eltern. Maßlose Unterhaltung.“ Das Wechselbad der Gefühle setzt sich sogleich fort: „Vorher trauriger Film Das Unglück im Dock, nachher lustiger Endlich allein.“

Hanns Zischler
 
Die Filme

Jízda Prahou otevřenou tramvají (Straßenbahnfahrt durch Prag) – Czech 1908 – Directed, written, photographed and produced by: Jan Kříenecký – Restored by: Národní Filmový Archiv, Prague, 2'

Peschiera / Lago Maggiore e lago di Como / Liguria / Il corse de Mirafiori (Italian travelogues/ Italienische Reisebilder) – Italy 1907–1913 – Produced by: Società Anonima Ambrosio, Torino / Società italiana Cines, Rome – Restored by: La cineteca del Friuli, Gemona, 20'

Primo Circuito Aereo Internazionale di Aeroplane in Brescia (First International Competition for Airplanes in Brescia/ Erster Internationaler Wettbewerb für Luftschiffe und Flugmaschinen, Brescia) – Italy 1909 – Produced by: Manifatture Cinematografiche Adolfo Croce, Milano – Restored by: Fondazione Cineteca di Bologna, 13'

Den hvide slavehandels sidste offer (The White Slave Girl/ Die weiße Sklavin) – Denmark 1911 – Directed by: August Blom Written by: Peter Christensen – Cinematography by: Axel Graatkjær – Cast: Clara Wieth, Lauritz Olsen, Thora Meincke, Otto Lagoni, Frederik Jacobsen, Peter Nielsen – Produced by: Nordisk Film, Kopenhagen – Restored by: Det Danske Filminstut, Kopenhagen / Filmmuseum München, 55'

Nick Winter et le vol de la joconde (Nick Winter and the Theft of the Mona Lisa/ Nick Winter und der Diebstahl der Mona Lisa) – France 1911 – Directed by: Paul Garbagni – Cast: Georges Vinter – Produced by: Pathé Frères, Paris – Restored by: Gaumont Pathé archives, Paris, 10'

Der Andere (The Other) – Germany 1912 – Directed by: Max Mack – Written by: Paul Lind – Kamera: Hermann Böttger – Cast: Albert Bassermann, Emmerich Hanus, Nelly Ridou, Hanni Weisse, Léon Resemann, Otto Collot – Produced by: Vitascope GmbH, Berlin – Restored by: Filmmuseum München, 77'

Theodor Körner – Germany 1912 – Directed and written by: Gerhard Dammann, Franz Porten – Photographed by: Werner Brandes – Cast: Friedrich Feher, Hermann Seldeneck, Thea Sandten – Produced by: Deutsche Mutoskop- and Biograph GmbH, Berlin – Restored by: Filmmuseum München, 41'

La broyeuse de coeurs (The Heart Breaker/ Die Herzensbrecherin) – France 1913 – Directed and written by: Camille de Morlhon – Cast: Léontine Massart, Pierre Magnier, Camille Licenay, Jeanne Brindeau – Produced by: Films Valetta, Paris – Restored by: La Cinémathèque Française, Paris, 47'

Prazdnovanie 300-letija Doma Romanovych (Celebrating 300 Years of the Romanov Dynasty/300-Jahr-Feier des Hauses Romanoff) – Russia 1913 – Produced by: Pathé Frères, Moscow – Restored by: Russian States Archives for film and photo documents, Krasnogorsk, 16'

Daddy-Long-Legs – USA 1919 – Directed by: Marshall A. Neilan – Written by: Agnes Johnson, based on the novel by Jean Webster – Kamera: Charles Rosher – Cast: Mary Pickford, Milla Davenport, Percy Haswell, Fay Lemport, Mahlon Hamilton, Lillian Langdon, Marshall Neilan – Produced by: Mary Pickford Company, Los Angeles – Restored by: The Library of Congress, Culpepper / Filmmuseum München, 99'

Shiwat Zion (Return to Zion/ Rückkehr nach Zion) – Palestine 1921 – Directed, written, photographed and produced by: Ya'acov Ben-Dov – Restored by: Národní Filmový Archiv, Prague, 78'

Kafka va au cinéma (Audiokommentar von Stewart Tryster Kafka geht ins Kino) – France 2002 – Directed and written by: Hanns Zischler – Cinematography by: Hanns Zischler, Ute Adamczewski, Miriam Fassbender – Produced by: Movimento Production, Paris, 55'
 
Die Filmvorführung wird im Rahmen des Festivals K. in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Kulturforum Belgrad, dem Tschechischen Zentrum Belgrad, dem Kulturzentrum Belgrad und EUNIC Serbien durchgeführt. Alle Programme sind kostenlos.
 

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