Digitalisierte Tagebücher
Die Kafka-Suchmaschine
Auf einer Website unter dem Dach der Uni Wien sind sämtliche Tagebücher von Franz Kafka und alle seine Briefe offen zugänglich und durchsuchbar. Hinter der Website steckt Werner Haas, Bibliothekar an der Uni Wien. Das Digitalisieren der Kafka-Schriften war ihm ein persönliches Anliegen und Herzensprojekt. Ein Email-Austausch.
Von Verena Hütter und Werner Haas
Bei unserem allerersten Kafka-Meeting am Goethe-Institut, als wir uns, Franziska aus Paris, Tomas aus Prag, Johannes aus Madrid, Mohit aus Delhi und Marta, Jörn und ich aus München, zu unserem gemeinsamen geplanten Kafka-Projekt – zusammenschalteten, sagte Tomas: „Ich poste euch hier einen Link in den Chat. Bei der Uni Wien sind Kafkas Tagebücher und all seine Briefe digitalisiert. Da kann man nach Begriffen filtern, eine unglaubliche Schatzkiste!“
Und Tomas machte uns vor, was er damit meinte. Als Johannes Geburtstag hatte, durchsuchte Tomas das Kafka-Archiv nach „Geburtstag“ (30 Treffer) und schrieb Johannes in unsere Whatsapp-Gruppe die folgenden Glückwünsche aus der Feder Franz Kafkas: „Also sehr gut bin ich auf deinen Geburtstag nicht vorbereitet, noch schlechter als sonst geschlafen, Kopf warm, Augen ausgebrannt, quälende Schläfen, auch Husten. Ich glaube, ich könnte einen längeren Wunsch nicht ohne Husten aufsagen. Glücklicherweise ist kein Wunsch nötig, nur ein Dank, dass Du da bist auf dieser Welt.“ Das schrieb Franz Kafka am 10. August 1920 an die tschechische Autorin Milena Jesenská.
Seit dem Geburtstagsgruß durchsuchten wir das Archiv nach allen möglichen Begriffen, „Kartoffel“, „Sport“, „Hund“, „Leopardenfellmantel“ und wurden aufs anregendste fündig. Dem Archiv verdanken wir die Ideen zu gleich mehreren Beiträgen dieser Ausgabe. Und da war es mir ein Anliegen, den Betreiber der Seite ausfindig zu machen, um ihm zu danken. Schwierig war es nicht, sein Name ist Teil der URL der Website: homepage.univie.ac.at/werner.haas. Und eben der Werner Haas antwortete unverzüglich auf meine E-Mail und beantwortete mir die folgenden Fragen, die ich an ihn hatte.
Werner Haas, seit wann sind die Briefe und Tagebücher Franz Kafkas digital bei der Uni Wien verfügbar?
Seit circa Oktober 2006. Da es sich bei dieser Webseite um eine persönliche Seite handelt, habe ich sie bei meinem Berufswechsel nach Wien mitgenommen. Davor konnte man sie über die Universität Innsbruck abrufen.
Ist das die einzige Stelle, wo die Briefe und Tagebücher komplett frei zugänglich verfügbar und nach Schlagwörtern durchsuchbar sind?
Das ist möglich, zumindest habe ich keine andere derartige Webseite gefunden.
War Ihnen das Digitalisieren der Kafka-Schriften ein besonderes Anliegen?
Ursprünglich erstellte ich nur eine chronologische Liste aller Briefe und Tagebucheintragungen, da ich das Hantieren mit den verschiedenen Briefsammlungen etwas mühsam fand. Die Ausweitung dieser Informationen kam dann schrittweise.
Mögen Sie Franz Kafka besonders gerne?
Ja.
Welches ist ihr Lieblings-Buch/Erzählung von Kafka?
Das ist jetzt natürlich die Frage, die für mich am schwierigsten zu beantworten ist. Aber ich erwähne jetzt gerne Blumfeld, ein älterer Junggeselle als eine Erzählung, die ich sehr schätze.
Sind Sie aus Wien?
Ja.
Sind Sie Bibliothekar? Wie lange arbeiten Sie schon an der Uni Wien?
Ja. Seit 2006.
Wieviele Seiten haben Sie insgesamt digitalisiert? Wie lange hat das gedauert?
Die Webseite besteht aus circa 2.200 einzelnen Seiten. Ich habe den Zeitaufwand nicht dokumentiert, er ist nebensächlich ;-).
Wurde die Digitalisierung möglich, weil Urheberrechte erloschen sind? (70 Jahre nach Tod des Urhebers?)
Richtig, das ist der Grund, warum es diese Webseite gibt. Sonst wäre es nur eine Textsammlung auf meinem persönlichen Gerät.
Bekommen Sie viel Feedback dazu? Wofür setzen Studierende/Leute die Seiten ein? Wissen Sie, nach welchen Schlagwörtern die Leute am meisten suchen?
Nein. Wofür andere Menschen die Seiten verwenden beziehungsweise wonach sie suchen, kann ich Ihnen leider nicht sagen.
Vielen Dank, lieber Werner Haas, fürs Digitalisieren der Kafka-Tagebücher und -Briefe. Das Archiv war uns eine wertvolle Quelle bei der Produktion dieser ZEITGEISTER-Ausgabe.