100 Jahre Bauhaus
Hans Richter: Kämpfer für das Bauhaus
Der aus Království u Šluknova (Königswalde) stammende Hans Richter gehört in Sachsen zu den Stars der Zwischenkriegsavantgarde, seine Bauten stehen unter Denkmalschutz. In Tschechien bleiben seine Ausnahmewerke leider ohne entsprechendes Interesse der Öffentlichkeit und der Denkmalschützer; von einigen war bisher nicht einmal bekannt, dass sie von Richter stammen.
Von Martin Krsek
Hinauf zu neuen Höhen
Hans Richter (1882-1971) war einer der ersten, der im böhmischen Grenzgebiet die Gedanken der Neuen Sachlichkeit verbreitete und den Wunsch die saubersten Bauten im Bauhausstil zu errichten. Erste Erfahrungen machte der Architekt in Rumburk (Rumburg), er siedelte aber bereits früh nach Berlin über und blieb schließlich in Dresden, wo er während des Ersten Weltkriegs im Hochhausbüro des sächsischen Finanzministeriums arbeitete. Im Jahre 1919, als Walter Gropius mit dem Unterricht in Weimar begann, eröffnete er sein eigenes Architekturbüro.Der überwiegende Teil seines Werkes bezieht sich auf Sachsen. Am bekanntesten ist sein Entwurf der Dresdner Siedlung Trachau mit 800 Wohneinheiten, erbaut in den Jahren 1929-38. Im Jahre 1930 beeindruckte er die Öffentlichkeit mit einer kühnen Vision des Münchner Pavillons, den er ganz im Geiste des Bauhauses praktisch nur aus Glas und Beton erbauen wollte. 1932 setzte er sich in einem internationalen Architekturwettbewerb zur Bebauung des Viertels Normalm in Stockholm durch. Ein Jahr später bereits aber begann sein Stern zu sinken – er kam in Konflikt mit der nationalsozialistischen Führung und war fortan von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen.
In seinem Geburtsland Böhmen erreichte er nur einige mutige und vermögende Klienten, die es ihm möglich machten mit seinen modernen und sehr provokanten Bauten in die ansonsten größtenteils konservativ geprägte Architekturszene vorzudringen. Im Gegensatz zu den für die Avantgarde typischen Sozialbauten waren seine Bauten vor allem luxuriöse Villen. Die älteste, projektiert bereits 1923, ragt über das Zentrum von Ústí nad Labem empor. Sie sticht heraus durch Eckfenster und Fensterbänder sowie ein „orientalisches“ Dach im Stil von Frank Lloyd Wright. Ähnliche Elemente sind auch an Richters Willer für den Varnsdorfer Fabrikaten Arno Plauert zu finden.
Der Kampf für das Flachdach
In Varnsdorf (Warnsdorf) wurde 1927 um das Werk von Hans Richter ein symbolischer Kampf um die Durchsetzung der Prinzipien des Bauhauses geführt. Dass der Stadtrat Martin Eltis die Baugenehmigung für seine Villa nach Richters Entwürfen verweigerte, war der Startschuss. Eltis nämlich war Jurist und wollte sich den Ratsbeschluss keinesfalls gefallen lassen, der den modernen Baukörper und dessen Disharmonie mit den anliegenden Gebäuden kritisierte. Die Vorbehalte richteten sich hauptsächlich auf das Flachdach, das bis für Wohngebäude in Warnsdorf und der weiteren Umgebung vollkommen neu war.Eltis ging in Widerspruch bei der Landesbehörde in Prag, die den Warnsdorfer Beschluss als gesetzeswidrig aufhob und Richters Entwurf als „Lösung nach modernen architektonischen Maßstäben, der den Grundriss den Anforderungen des modernen, gesunden und bewussten Wohnens anzupassen versucht. Es sucht die Schönheit zusammengehöriger Gruppierungen auszuarbeiten, die Verteilung von Masse und geeigneten Materialien in der Art, dass der Bau ruhig wirkt und durch keine ungerechtfertigten Ornamente gestört“. Wie aus dem Mund des geistigen Vaters des Bauhauses Walter Gropius zitiert, ein Jahr zuvor persönlich von ihm in Ústí nad Labem (Aussig) auf dem Treffen deutscher und tschechoslowakischer Bauvereine vorgetragen.