Job

Ein bisschen Prag in Tel Aviv

Foto: © Isabelle Daniel

Wie ein tschechischer Bauarbeiter zum Restaurantbesitzer in Israel wurde

Foto: © Isabelle Daniel
Foto: © Isabelle Daniel

Eigentlich wollte Rastoslav Pecher nur ein paar tschechische Gerichte nach Israel importieren, um das Heimweh seiner mitteleuropäischen Freunde zu stillen. Auf ein paar Quadratmetern eröffnete der Bauarbeiter im Jahr 2002 in einer Tel Aviver Seitenstraße ein kleines Wirtshaus, das er nach seiner Heimatstadt „Little Prague“ benannte. Heute ist Pecher Inhaber dreier tschechischer Restaurants in israelischen Städten. Und schreibt sich noch etwas anderes auf die Fahnen: tschechisches Bier in Israel unter die Leute bringen.

Schwere Tische aus Holz, Bierdeckel mit dem Pilsner-Emblem und jede Menge Zapfhähne: In einem der hippsten Bezirke Tel Avivs gibt es einen Ort, der hier nicht richtig herzupassen scheint. Für viele Israelis mit europäischen Wurzeln aber ist er ein Stück Heimat.

Denn wer in Israel dinieren möchte wie ein tschechischer Botschafter, muss neuerdings kein Diplomat mehr sein. Seit Anfang 2014 hat der einstige Chefkoch der tschechischen Botschaft in Israel das Sagen in der Küche der Restaurantkette Little Prague.

Innerhalb von nur zehn Jahren ist der familiäre Betrieb zu einem größeren Unternehmen mit mehr als 50 Angestellten herangewachsen. Der tschechische Bauarbeiter Rastoslav Pecher, der Anfang der 2000er Jahre wie viele andere Europäer nach Israel auswanderte, eröffnete sein winziges Restaurant, um seinen Freunden zumindest kulinarisch ein Stück Heimat wiederzugeben. Die Speisekarte liest sich wie in einem typischen Wirtshaus in der Prager Altstadt: Svíčková, Knödel, eingelegter Hermelin. Das meistbestellte Gericht ist Gulasch. Koscher ist das Essen im Little Prague nicht, was in Tel Aviv jedoch keine Ausnahme ist.

Foto: © Isabelle Daniel
Foto: © Isabelle Daniel

„Vor zehn Jahren war die israelische Küche noch viel orientalischer als heute“, sagt der Manager von Little Prague, Lenny Joffe. Während seines Militärdienstes war er einer der ersten Stammgäste des kleinen Lokals. „Ich bin mit dem Restaurant mitgewachsen“, sagt Joffe, der seinen Job seit mittlerweile sieben Jahren macht.

Die heutige Tel Aviver Niederlassung des Little Prague liegt nur wenige Gehminuten von dem kleinen Gebäude entfernt, in dem das ursprüngliche Restaurant untergebracht war. Wiederzuerkennen ist es allerdings nicht mehr. Nicht nur, dass das Little Prague nur zwei Jahre nach seiner Eröffnung auf die Allenby-Straße, einen der elegantesten Boulevards in Tel Aviv, umgezogen ist: „Man konnte in dem alten Ladenlokal nicht einmal aufrecht stehen“, erinnert sich Joffe. „Man hatte dort nur sitzend ausreichend Platz. Das verlieh dem Restaurant die familiäre Atmosphäre, die uns aber immer noch wichtig ist.“

Seit das Little Prague auf der Allenby-Straße untergebracht ist und zwei neue Zweigstellen in Ashdod und Bat-Yam eröffnen konnte, sind viele neue Angestellte hinzugekommen. „Allerdings arbeiten fast alle der ersten Mitarbeiter immer noch hier“, sagt Joffe. Überdies habe Little Prague indirekt noch für die Entstehung vieler weiterer Arbeitsplätze – und sogar Unternehmen – in Israel gesorgt: „Vor zehn Jahren kannte in Israel kaum jemand tschechisches Bier. Man konnte es fast nirgendwo kaufen. Mit der Eröffnung und dem Wachsen von Little Prague hat sich das grundlegend geändert: Tschechisches Bier ist in Israel zu einer echten Marke geworden; es sind sogar Importfirmen gegründet worden.“


Copyright: jádu / Goethe-Institut Prag
März 2014

    Weitere Beiträge zum Thema

    Jugend in Theresienstadt
    1929 wurde Maud Beer im mährischen Prostějov geboren, ab 1942 teilte sie sich mit 23 anderen Mädchen ein kleines Zimmer im Theresienstädter Ghetto. Heute ist sie in Tel Aviv zu Hause.

    „Alle haben vergessen zu fragen“
    Der israelische Regisseur Arnon Goldfinger (50) wollte einen Dokumentarfilm über die Tel Aviver Wohnung seiner verstorbenen Großeltern drehen – für das Familienarchiv. Stattdessen kam er einem sensationellen Familiengeheimnis auf die Spur.

    Ein bisschen Prag in Tel Aviv
    Wie ein tschechischer Bauarbeiter zum Restaurantbesitzer in Israel wurde.

    The First Sea
    Israelische Aktivisten zeigen palästinensischen Kindern das Meer.

    Flucht vor dem Angriff
    Der Blogger Ofer Waldman beschreibt, wie er einen Raketenangriff auf Tel Aviv mit seiner Familie erlebt hat.

    Läuterung in Israel
    Hannas Reise ist ein klischeeüberladener Film ohne roten Faden.

    Rückkehr ins Gelobte Land
    Die Berlinerin Manuela Shimberg macht Alija - sie emigriert nach Israel.

    Themen auf jádu

    Gemischtes Doppel | V4

    Vier Kolumnisten aus der Slowakei, Tschechien, Polen und Ungarn schreiben über die Bedeutung Europas, Rechtspopulismus, nationale Souveränität, gesellschaftlichen Wandel, die Arroganz des westlichen Blicks – und brechen damit staatliche und gedankliche Grenzen auf. Mehr...

    Heute ist Morgen
    Oder ist es umgekehrt?! Und war nicht auch gestern schon mal Morgen? In was für einer Welt wollen wir gerne leben? Und wie lange wollen wir warten, bis sie Wirklichkeit wird? Mehr...

    Im Auge des Betrachters
    … liegt die Schönheit. Da liegt aber auch die Hässlichkeit – und alles dazwischen. Als Betrachter sind wir jedoch nur selten allein. Und als Betrachtete sowieso nicht. Mehr...

    Dazugehören
    Seit gesellschaftliche Akteure jeder Couleur ihre Forderung nach Integration einem Mantra gleich herunterbeten, gerät viel zu oft in Vergessenheit, dass Integration ein individueller Prozess ist, der auch von uns selbst etwas verlangt. Mehr...

    Themenarchiv
    Ältere jádu-Schwerpunkte findest du im Themenarchiv. Mehr...