Konsum in der Stadt
Ein Blick hinter die Kölner Kulissen
Ehrenamtliche bieten in verschiedenen deutschen Städten konsumkritische Stadtrundgänge an, in denen sie über die Hintergründe von bestimmten Herstellern und Produkten berichten. Unsere Autorin Janna Degener hat sich die Kölner Tour „Kölle Global“ für uns angesehen.
Samstagvormittag in der Kölner City. Ein Stückchen entfernt vom bunten Treiben des Ökomarktes steht eine Gruppe junger Leute. Einige von ihnen haben Zettel in der Hand, von denen sie Texte ablesen, eine der Frauen gestikuliert dazu. Beim Näherkommen wird auch der Schriftzug erkennbar, der auf der weiß-roten Fahne prangt: „Kölle Global. Der globalisierungskritische Stadtrundgang.“ Die Gruppe steckt gerade mitten in einem Rollenspiel: Von einen auf den anderen Tag, so die Geschichte, sind alle Produkte aus so genannten Dritte-Welt-Ländern verschwunden. Astrid wacht morgens auf und findet ihr Bad ohne Spüle und Wasserhahn, ihren Schrank ohne Kleider, ihre Küche ohne Kaffee wieder… – Und schon ist die Gruppe mitten im Thema angekommen, um das es bei der heutigen zweistündigen Stadtführung gehen soll.
Astrid und Tatjana, das sind die beiden Frauen, die uns heute zu verschiedenen Stationen des alltäglichen Konsums führen, um uns auf Probleme hinter den Produkten aufmerksam zu machen und Alternativen vorzustellen. Die Leute, die hier heute am Rundgang teilnehmen, sind teils allein gekommen und teils zu zweit. Eine junge Frau wippt stetig hin und her, sie hat ihr Baby im Tragetuch mit dabei.
Zertifizierte Produkte als Alternative
Gleich nebenan auf dem Ökomarkt erläutert ein Bauer die Besonderheiten von biologisch-dynamisch erzeugten Produkten: „Wir haben nicht nur Gemüseanbau, sondern auch Viehzucht, Milchproduktion und eine Käserei, Getreideanbau und eine Bäckerei“, erklärt er. „Das heißt, dass wir alle Produkte wie zum Beispiel den Dünger aus unserem ökologischen Kreislauf nehmen können und nichts dazukaufen müssen. Wir können also völlig autonom existieren.“
Einige Straßen weiter machen wir vor einem Goldgeschäft halt, wo Astrid und Tatjana uns auf die ökologischen und sozialen Folgen des großindustriellen Goldabbaus aufmerksam machen: Wie unvorstellbar wäre es, dass alle Kölner umgesiedelt werden, damit man das Gold aus dem Boden abbauen kann? Doch was hierzulande rechtlich nicht möglich wäre, ist laut den beiden ehrenamtlichen Stadtführerinnen in vielen Ländern wie beispielsweise Ghana gängige Praxis. Als Alternative stellen sie faires Gold vor, das auch hier im Kölner Laden verkauft wird. Das stammt, so Tatjana, aus Minen, die in der Hand von Genossenschaften liegen, die von den Landarbeitern selbst betrieben werden.
Große Schäden durch unseren Konsum
Direkt neben einer Currywurstbude findet dann das Fleischquiz statt. Ich bin selbst seit einigen Jahren Vegetarierin und auch die anderen Teilnehmer hier in der Runde scheinen sich bereits Gedanken über die Folgen des Fleischkonsums Gedanken gemacht zu haben. Trotzdem überrascht es uns alle, welch riesige Flächen in den Ländern des Südens für die Produktion von Futtermitteln gebraucht werden, wie viele Menschen dafür Hunger leiden und dass der Durchschnittsdeutsche in seinem Leben nicht weniger als 1094 Tiere verspeist.
Wir machen noch vor einem Lebensmittel-Discounter, vor einem Kleidungsgeschäft und vor dem Weltladen [Fachgeschäfte für Fairen Handel, Anm. d. Red.] halt. Hier spielen Astrid und Tatjana fiktive Gespräche zwischen einem Geschäftsführer eines Großkonzerns und Bauern in Entwicklungsländern beziehungsweise Gewerkschaftsvertretern vor und machen damit auf sehr plakative Weise deutlich, warum wir beim Einkaufen nicht nur auf die niedrigsten Preise achten sollten: Der Geschäftsführer möchte vor allem die Kosten für die Herstellung seiner Produkte senken, um den niedrigen Preisvorstellungen seiner Kunden gerecht zu werden. Dafür nimmt er auch in Kauf, dass die Qualität der Produkte leidet, dass die Wälder abgeholzt und die Böden ausgelaugt werden, dass Erntearbeiter ohne Schutzkleidung mit giftigen Düngern in Kontakt kommen und ihre Gesundheit gefährden, dass Gewerkschaftler erschossen werden und dass auch die Mitarbeiter in Deutschland aus Angst vor einer Kündigung selbst im Krankheitsfall unter größtem Stress ihre Arbeit machen und unbezahlte Überstunden schieben. Spätestens wenn er droht, dass er die Zusammenarbeit mit lokalen Betrieben kündigen, Mitarbeiter entlassen oder Filialen schließen wird, nimmt er seinen Gesprächspartnern den Wind aus den Segeln.
Astrid und Tatjana zeichnen mit uns auch die Herstellung einer Jeans nach und machen dabei unter anderem deutlich, dass der Anbau von gentechnisch veränderter Baumwolle die Bauern in verhängnisvolle Abhängigkeiten führt, dass Erntearbeiter trotz gefährlicher Chemikalien häufig keine Schutzkleidung tragen und dass die Näherin auf den Philippinen für ihre Arbeit nur einen Bruchteil des Geldes bekommt, das der Käufer im deutschen Bekleidungsgeschäft dafür ausgibt.
Lebensgefühl: Verantwortungsvoll konsumieren
Am Ende des Rundgangs erzählen Astrid und Tatjana, dass sie und die anderen ehrenamtlichen Rundgangleiter von Kölle Global noch viele weitere Stationen und Themen von Blumen und Tabak über Handy und Strom bis zu Blumen und Tourismus in petto haben – Weil die Teilnehmer so viele Informationen nicht mit einem Mal aufnehmen könnten, komme bei jedem Stadtrundgang nur eine Auswahl die Themen zur Sprache. Wiederkommen lohnt sich also. Zum Abschied bekommt jeder von uns ein Stück fair gehandelte Schokolade aus dem Weltladen geschenkt. Doch auch ohne diesen süßen Abschluss wären wir wohl mit einem guten Gefühl nach Hause gegangen.
Ganz offensichtlich ist Astrids Botschaft also rübergekommen, denn sie sagt: „Bei Kölle Global geht es uns nicht um den erhobenen Zeigefinger oder um Schuld und Verantwortung. Wir wollen zeigen, was jeder und jede Einzelne im Alltag tun kann, um bewusst anders zu konsumieren und Einfluss zu nehmen. So kann es tatsächlich auch Spaß machen, regional, saisonal und bio zu konsumieren, Produkte aus dem Süden fair gehandelt zu erwerben oder auch einfach weniger zu kaufen.“