Service für Pfandpiraten
Mit seinem Pfandring will Paul Ketz Flaschen- und Dosensammlern ihren Job erleichtern. Was er damit auf jeden Fall erreicht, ist eine neue Diskussion über Armut in Deutschland.
Die einen wollen ihre leeren Wasserflaschen oder Bierdosen in der Stadt einfach nur loswerden. Die anderen sind froh, wenn sie sich durch das Aufsammeln der Pfandflaschen ein bisschen Geld dazuverdienen können. Doch wenn Menschen öffentliche Mülleimer auf der Suche nach Flaschen und Dosen durchwühlen, finden das viele „unschön“, andere sogar „menschenunwürdig“. Außerdem kann es auch gefährlich sein, weil man sich dabei an Scherben schneiden könnte. Weil aber in den Mülleimern immer auch einige Pfandflaschen zurückbleiben, landen sie oft auf der Mülldeponie statt im Wiederverwertungskreislauf. Vielerorts ist es mittlerweile Brauch, die leeren Flaschen auf oder neben den Mülleimern abzustellen. Das erleichtert den Pfandpiraten ihren Job, birgt aber auch das Risiko, dass Glasflaschen um- oder herunterfallen und zerbrechen. Und dann nützen sie niemanden mehr.
Deshalb hat der Produktdesigner Paul Ketz vor rund zwei Jahren den so genannten Pfandring entwickelt: Eine Manschette für öffentliche Mülleimer mit Platz für etwa 15 Pfandflaschen. Paul war damals Student an der Hochschule Ecosign in Köln-Ehrenfeld, der Pfandring entstand in einem Semesterprojekt Für ein sauberes Köln. Für seine Idee bekam Paul den bundesweiten Preis Ecodesign, viele Zeitungen berichteten und auch mehrere Städte und Gemeinden zeigten sich interessiert: Anfang des Jahres hat die Stadt Bamberg die ersten zwei Pfandringe in der Innenstadt installiert und nach einigen politischen Diskussionen hängen seit einem guten Monat auch in Köln-Ehrenfeld einige Exemplare. Zwei weitere soll es bald in Karlsruhe geben, erzählt Paul, auch Hameln habe sich sehr interessiert gezeigt. Aktuell ist er mit etwa zwanzig weiteren Städten und Gemeinden im Dialog. Und ab Mitte Juni wird der Pfandring sogar im Museum für Angewandte Kunst in Wien ausgestellt.
Zu teuer?
Weil die öffentlichen Mülleimer überall anders aussehen, sind die Pfandringe Maßanfertigungen. Das treibt den Preis in die Höhe: Für zwei Exemplare hat die Stadt Bamberg rund 660 Euro bezahlt. „Es gab schon einzelne Stimmen, die meinten, man solle das Geld lieber für soziale Projekte ausgeben“, berichtet Pressesprecherin Ulrike Siebenhaar. Doch sie persönlich sehe das anders: „Für 660 Euro finanziere ich in einem sozialen Projekt nicht viel. Wenn ich das Geld in Pfandringe investiere, haben die Menschen mehr davon: Jede Flasche bringt den Sammlern zwischen acht und 25 Cent. Auf das Jahr hochgerechnet bedeutet das eine ganze Menge an Benefit.“
Der Kosten-Nutzen-Effekt könnte noch größer sein, wenn die Kommunen mutiger wären. Bei einer Abnahme von zehn Stück, könnte er einen Pfandring für 160 bis 200 Euro hergestellen, gibt Paul zu bedenken. In Köln-Ehrenfeld haben Stifter die insgesamt 20 Pfandringe finanziert: „Bars, Clubs und Imbiss-Besitzer haben sich gerne dafür zur Verfügung gestellt, weil sie in ihrem Umfeld Verantwortung übernehmen möchten. Jeder Pfandring hat eine Stifter-Plakette bekommen, wie man sie zum Beispiel von Parkbänken kennt.“
Siebenhaar und Paul berichten insgesamt von positiven Rückmeldungen und auch bei einer kleinen Befragung in Köln-Ehrenfeld sprechen sich die meisten Passanten für den Pfandring aus. Doch wie hoch ist der Nutzen für die Umwelt? Gerhard Kotschik vom Umweltbundesamt meint: „Die Littering-Effekte und die sozialen Vorteile des Pfandrings liegen auf der Hand. Und natürlich ist es aus Sicht des Umweltschutzes auch gut, wenn Mehrwegflaschen im Kreislauf bleiben und Einwegflaschen über das Pfandsystem verwertet werden können. Da die Rücklaufzahlen von Mehrwegflaschen ohnehin bei etwa 99 Prozent liegen und auch über 95 Prozent der Einwegpfandflaschen über das Pfandsystem gesammelt werden, hat der Pfandring aber kaum Einfluss auf die Ökobilanz.“
Missbrauch-Gefahr?
Die Stadtreinigung Hamburg urteilt in einer Stellungnahme: „Dort wo wir Pfandringe im Alltag beobachten konnten, waren diese überwiegend mit Abfällen gefüllt und wurden nur in wenigen Fällen für die gewünschten Pfandflaschen und Dosen genutzt. Wir bitten daher um Verständnis, dass wir diese Idee als Stadtreinigung nicht unterstützen können.“ Paul aber betont, die Stadt Hamburg habe noch keine eigenen Erfahrungen mit Pfandringen gemacht. Müllprobleme gebe es jedoch bei Getränkekisten, die „guerillamäßig“ an Laternenmasten hängen. Die Stadt Bamberg ist jedenfalls voll des Lobes über ihre zwei Pfandringe: „Wir stellen keinen Missbrauch fest. Die Straßenreinigung prüft unter der Woche mindestens zwei- bis dreimal täglich, ob jemand Müll in die Pfandringe gestopft hat. Und soweit wir wissen, ist das nicht der Fall“, berichtet Ulrike Siebenhaar. „Ich habe den Eindruck, dass so manche Pfandsammler die Pfandringe in ihre Runden aufgenommen haben.“
Die Pfandringe in Bamberg seien „immer mal wieder voll mit Pfandflaschen und immer mal wieder ratzfatz leer“. Wer genau davon profitiere, wisse sie aber natürlich nicht: „Es gibt die Kritik, dass der Pfandring auch diejenigen Menschen zum Sammeln verleitet, die gar nicht wirklich auf das Geld angewiesen sind.“
Paul selbst vernimmt auch noch einen anderen Vorwurf: Die Pfandring-Idee sei ein „Herumdoktern an den Symptomen der Armut“. Er findet das vollkommen haltlos: „Natürlich kann man damit nicht die Armut verbannen, aber man kann mit einfachen Möglichkeiten die Realität ein wenig verbessern.“ Sicherlich gebe es noch Menschen, die ihre Flaschen nach wie vor aus Gewohnheit in die Mülleimer werfen oder die Pfandringe nicht nutzen, weil sie sie überhaupt nicht kennen. In jedem Fall habe er durch den Pfandring und die damit ausgelösten Reaktionen aber bereits eine Diskussion angestoßen und damit enorm zur Bewusstseinsbildung beigetragen: „Ich bekomme immer wieder Zuschriften von Menschen, denen vorher gar nicht klar war, dass viele Menschen auf das Pfandsammeln angewiesen sind. Allein das ist eine positive Entwicklung, über die ich mich freue.“