Swappen statt Shoppen
Kreative, kostenlose Mode in Berlin
Man gibt seine alten Klamotten ab, nimmt neue mit und macht daraus was ganz Besonderes. So funktioniert Fashion Reloaded, das kreative Kleidertausch-Event in Berlin.Junge Leute schlendern durch den Saal. Sie quatschen, trinken und durchsuchen die Berge aus Jeans und Jacketts, Blusen und Bikinis, Handtaschen und Hängeohrringen. Nebenan auf den Tischen liegen Scheren und Messer, Druckfarben und Gummirakeln. Und dann stehen da noch ein paar alte Nähmaschinen. Eine Frau ist dabei, ein buntes Sommerkleid zu zerschneiden. Zwei andere überlegen, welches Motiv sie auf ihre neuen Baumwollrucksäcke sticken wollen. Und ein Mann beklebt seinen Winterhut mit den Resten einer Cordhose. Cecilia Palmer steht dazwischen, wirft hier und da eine Idee ein, reicht Werkzeuge an, erklärt, wie man die Maschinen bedient oder wie das Siebdruckverfahren funktioniert. Immer mal wieder legt sie auch selbst Hand an.
Cecilia ist ausgebildete Modedesignerin und organisiert gemeinsam mit ihrer Kollegin Sophie Bayerlein regelmäßig Veranstaltungen wie diese in Berlin. Unter dem Motto „Fashion Reloaded“ kann hier jeder eigene Klamotten mitbringen und gegen die Kleidung der anderen Gäste tauschen, um sie dann direkt vor Ort und mit professioneller Unterstützung nach eigenem Gusto umzugestalten.
Aus Schrott wird Schwarm
Die Idee zu einer solchen Veranstaltungsreihe hatte Cecilia 2009. Schon vorher hatte die junge Modedesignerin viel mit gebrauchten Klamotten gearbeitet, unter anderem für ihr eigenes Label Pamoyo. Viele Sachen bekam sie dafür auf Flohmärkten oder in Second-Hand-Läden oder von ihren Freunden, mit denen sie sich hin und wieder in kleiner Runde zum Klamottentausch traf. Irgendwann hörte die Wahlberlinerin dann davon, dass im Ausland auch richtig große und öffentliche Kleidertauschpartys organisiert werden – und war sofort begeistert: „Eigentlich gibt es ja auch so viele tolle Teile, die keiner mehr anzieht. Aber meist liegen sie irgendwo im Keller oder Kleiderschrank herum oder sie verschwinden in Altkleidercontainern. Es ist normalerweise gar nicht so leicht, dann noch da ran zu kommen!“ Cecilias Eindruck: Viele alte Teile sind noch nicht aus der Mode oder zumindest sind häufig die Materialien noch viel zu hochwertig, um sie einfach in den Müll zu schmeißen.
Deshalb geht es bei Fashion Reloaded nicht nur um den Swap, also das Tauschen selbst, sondern auch ums so genannte Upcycling – also umändern und verschönern. Cecilia und Sophie formulieren das auf ihrer Facebook-Seite folgendermaßen: „Designers, makers, users & consumers come together to upcycle someone elses trash into their own treasure.” Aus dem Müll des einen entsteht also der Schatz des anderen.
„Vom Umweltaktivisten bis zur Modetussi“
Cecilia ist überzeugt: Gebrauchte Klamotten gelten heute nicht mehr als schmuddelig oder minderwertig und sie werden nicht nur in Humana-Läden, sondern auch in schickeren Modeläden und Boutiquen verkauft. Kein Wunder, dass man auf Kleidertauschpartys wie Fashion Reloaded nicht nur Leute mit kleiner Geldbörse findet, sondern die unterschiedlichsten Menschen - „vom Umweltaktivisten bis zur Modetussi“, wie Cecilia sagt. Sie haben keine Lust, immer wieder die gleichen Klamotten anzuziehen. Und dennoch brauchen sie nicht ständig ein brandneues Outfit.
Einige legen auch großen Wert darauf, dass sie somit Ressourcen und letztlich die Umwelt schonen. Denise Schoechert, auch Modedesignerin, ist eine von ihnen: „Ich habe selbst in der Produktion gearbeitet und weiß: Wenn alle Leute ihre Klamotten tauschen und aufwerten würden, fielen in dieser Industrie langfristig viele Jobs weg. Aber was nützen uns Arbeitsplätze, wenn Seen und Flüsse durch Chemiefarben oder Pestizide von Baumwollfeldern vergiftet sind? Der Umweltschutz ist für mich das wichtigste Argument.“ Seitdem die 30-Jährige vor zwei Jahren das erste Mal an einer Fashion Reloaded Party teilgenommen hat, möchte sie nur noch ihre Unterwäsche in Geschäften einkaufen. „Erstens findet man beim Tauschen Sachen, die schon lange nicht mehr in den Shops verkauft werden. Und zweitens gibt es in den Geschäften oft so eine aggressive Stimmung, weil alles gleich aussieht und doch jeder das beste Stück abkriegen will. Beim Tauschen freut man sich dagegen, wenn den Anderen etwas besonders gut steht. Und durch das Upcycling bekommt jedes Teil natürlich eine ganz individuelle Note“.
Ob in Strandbars oder ehemaligen Fabrikhallen, in Galerien, Museen oder im Rahmen von alternativen Modemessen – Fashion Reloaded hat schon an den unterschiedlichsten Orten stattgefunden. Manchmal ist der Eintritt kostenlos, manchmal müssen die Teilnehmer am Eingang eine kleine Gebühr entrichten. Manchmal kann Cecilia die Veranstaltung beispielsweise durch Fördergelder von Kooperationspartnern finanzieren, manchmal arbeitet sie aber auch mehr oder weniger ehrenamtlich. Um ihr Leben zu finanzieren, arbeitet Cecilia nebenbei als Beraterin und Programmiererin. Mit Fashion Reloaded möchte sie vor allem zeigen: Man kann sowohl schick und kreativ sein als auch verantwortungsbewusst und nachhaltig handeln. Und das macht auch noch Spaß und spart Geld.