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Reparáda ist unser unternehmerischer Brutkasten

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Kateřina Říhová: „Hier in Tschechien sieht man sehr selten jemanden, der wirklich originell und interessant gekleidet ist.“ Foto: © Reparáda | reparada.cz

Eine Bibliothek in der es Kleider statt Bücher gibt, eine Boutique mit originellen Kreationen junger Designer, Kleidungs- und Fahrradwerkstatt, co-working space: All das ist Reparáda. Kateřina Říhová und Markéta Melendez haben die Kleidothek vor einem knappen Jahr in Brno (Brünn) eröffnet. Mit Kateřina hat Judith Krulišová gesprochen.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, eine Kleidothek in Brno zu eröffnen? Wo habt ihr euch inspiriert?

Inspiriert haben uns Kleidotheken in Skandinavien und Deutschland. Soviel ich weiß, ist die erste Kleidothek in Schweden entstanden. Inzwischen gibt es dort vier, in Norwegen gibt es auch ein paar und wir wissen von einer Kleidothek in Hamburg. Ich interessiere mich für ökologische Mode und für alternative Arten, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die Idee aus Schweden hat mich begeistert und ich dachte mir, dass es doch schade ist, dass wir so etwas nicht bei uns haben. Ich habe mit meiner Freundin Markéta darüber geredet und wir sagten uns: wenn niemand anders so eine Kleidothek aufmacht, dann machen wir das eben.

Wie viele Leute arbeiten in der Kleidothek?

Ich und Markéta. Und es helfen uns viele, denen unser Projekt gefällt. Dabei hat keine von uns Modedesign studiert, aber wir interessieren uns für Mode. Ich habe Jura und Soziologie studiert. Vor allem die Soziologie hat mich beeinflusst. Aber Spaß machen mir auch Marketing, Fotografie und Mode… Die Kleidothek ist für uns eine interessante Erfahrung. Wir können das, was wir im Studium und in der Praxis gelernt haben nutzen und gleichzeitig unsere Hobbys entfalten. Reparáda ist für uns so eine Art unternehmerischer Brutkasten.

Reparáda ist also euer Hobby?

Ein großes Hobby, in das wir sehr viel Zeit stecken und das uns wahnsinnig viel Spaß macht. Wir haben beide noch unsere Vollzeit-Jobs. Ich bin Juristin, im Moment arbeite ich aber im Export. Markéta hat in der Schifffahrtslogistik gearbeitet und ist vor kurzem Mama geworden. Wir haben also Arbeit bis über beide Ohren. Zum Glück haben wir so viele tolle Leute um uns herum, die uns gerne helfen.

Foto: © Reparáda | reparada.cz
Kateřina Říhová und Markéta Melendez: „Wenn niemand anders so eine Kleidothek aufmacht, dann machen wir das eben.“ Foto: © Reparáda | reparada.cz

Wie steht es eurer Meinung nach um die Mode in den tschechischen Städten, wenn man das mit dem Ausland vergleicht?

Es geht vor allem um den Mut, einen eigenen Stil zu entwickeln. Diesen Mut haben im Westen mehr Leute. In Spanien zum Beispiel sind die Leute in Sachen Mode viel kreativer, es macht ihnen Spaß, sich schön und auffällig zu kleiden. Sie denken nicht so viel darüber nach, was die anderen denken. In Barcelona gibt es sehr viele solcher Leute, das ergibt eine interessante Mischung. Die Stimmung dort ist spontaner und das wirkt sich auf dem Modestil aus. Eleganz mischt sich mit Zügellosigkeit. Hier in Tschechien sieht man sehr selten jemanden, der wirklich originell und interessant gekleidet ist.

Kannst du eure Kunden irgendwie beschreiben?

Am Anfang wollten wir, dass in der Kleidothek verschiedene Stile vertreten sind, damit Reparáda wie eine Bibliothek funktioniert, in der sich die Leute je nach Stimmung verschiedene Bücher ausleihen können – wobei es statt Büchern eben Kleider gibt. Es ging uns darum, dass die Leute unverbindlich einen Stil ausprobieren können, ohne sich die Kleider gleich kaufen müssen. Weil hier aber nicht so viel Platz ist, beginnt natürlich unser eigener Stil zu überwiegen. Wir haben viele Kleider, im Moment vor allem im Vintage- und Retro-Stil. Wir sind der Meinung, dass man in den alten Sachen viel Inspiration und Weisheit findet. Und sie machen eine gute Figur, sie sind schick. Aber man findet bei uns auch völlig abgedrehte Stücke oder Business-Modelle.

Die Mode in unserer Kleidothek entwickelt sich mit den Leuten, die hier her kommen. Ein Teil unserer Kundinnen kommt bestimmt deshalb, weil sie Retro-Mode mögen. Retro ist beliebt, Kleider im Stil der 40er, 50er oder 60er Jahre sind in den letzten Jahren der große Renner. Dann kommen auch Kundinnen, die die Idee des Kleiderverleihs spannend finden, weil sie die Kleider nicht kaufen müssen und weil es ökologischer ist. Ein anderer Teil unserer Kundinnen sucht die Abwechslung. Sie haben Zuhause zwar volle Kleiderschränke, aber sie wollen sich etwas anderes leihen, für die Arbeit etwa. Es kommen auch Leute, die Swing und Lindy Hop tanzen.

In letzter Zeit kommen eine Menge schwangerer Frauen zu uns, weil es für sie sehr praktisch ist, Kleidung auszuleihen. Wir würden gerne das Angebot für sie erweitern, aber es ist ziemlich schwierig, schöne Schwangerschaftsmode aufzutreiben. Unsere Kundinnen fragen uns neuerdings auch immer wieder nach Hochzeitskleidern, weil ihnen das Angebot in den klassischen Verleihen nicht gefällt. Retro-Hochzeitskleider haben wir bisher nur ein paar wenige, vier oder fünf. Am schönsten sind die Vintage-Hochzeitskleider, das wertvollste ist aus Mexiko. Das hat Markétas Mann von seinen Großeltern geerbt – ein Familienjuwel.

Foto: © Reparáda | reparada.cz
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Reparáda wirbt für ökologisches Denken. Spielen für euch auch ethische Aspekte der Produktion und des Vertriebs von Kleidung eine Rolle?

Selbstverständlich, das ist ein Grund, warum wir Reparáda gegründet haben! Wir versuchen den Leuten klarzumachen, dass „Fast Food-Mode“ – also produzieren, billig verkaufen, ein paar Mal anziehen und dann wegwerfen – fatale Folgen haben kann, zum Beispiel für die Menschen, die sie in Sklavenarbeit herstellen. Aber auch für uns selbst kann das schreckliche Folgen haben, nicht nur wegen der massenhaften Abfallproduktion sondern auch psychologisch: uns wird beigebracht, dass es normal ist, Einwegprodukte für Preise unter Wert zu kaufen und sie dann wegzuwerfen. Auch wenn ein Kleidungsstück noch völlig in Ordnung ist oder nur eine kleine Reparatur benötigt, landet es oft in der Tonne. Wir möchten also auch bereits hergestellte Kleidung ökologischer machen, indem wir ihre Lebensdauer verlängern. Wir unterstützen regionale Designer und die Arbeit mit Werkstoffen aus der Region. Wir kaufen auch auf Flohmärkten ein, natürlich nur die besten Stücke. Unser Lieblingsflohmarkt ist in Barcelona, dort verkaufen auch junge Designer aus der Stadt.

Es kommt auch vor, dass uns jemand etwas bringt, das auf die Schnelle gekauft und dann nicht mehr getragen wurde – oft sind das nagelneue Kleidungsstücke, teils noch mit Preisschild dran. Mit den Vintage-Klamotten ist die Sache komplizierter, denn in Tschechien findet man kaum etwas, dass nicht aus schrecklichem, synthetischem Material hergestellt wurde. Deshalb sind wir darum bemüht, vor allem im Ausland auf die Jagd zu gehen. Da sind manchmal auch Exemplare dazwischen, die aus alten Kollektionen interessanter Marken stammen: wir haben zum Beispiel ein paar Stücke von Guy Laroche oder Burberry. Wir versuchen auch, Kleidung kreativ zu recyceln, indem wir sie umnähen. Unsere Kleidothek ist ein wilder Mix, wir sind bemüht, einen Ort aufzubauen, an dem die Leute sich mit gutem Gewissen in Schale werfen können.

Foto: © Reparáda | reparada.cz
Foto: © Reparáda | reparada.cz

Aber als klassischen Second Hand-Shop versteht ihr euch nicht?

Ja und nein. In einem Teil unseres Ladens, da wo die Kleidothek ist, sind wir Second Hand. Denn durch das Verleihen, sind die Dinge aus zweiter, dritter oder vierter Hand. Und das soll auch so sein. Im anderen Teil verkaufen wir aber auch neue Kleidung von jungen Designern und eigene Kreationen – alles von tschechischen Schneiderinnen genäht. Man kann sich bei uns auch sein Kleid reparieren oder nach Maß schneidern lassen. Wir denken uns ständig neue Sachen aus. Jetzt arbeiten wir an unserem E-shop. Wir wollen auch unser Projekt Reparáda Bikes weiterentwickeln. Mein Mann aus Kolumbien baut alte Fahrräder um und verpasst ihnen einen neuen Look.

Außerdem haben wir in einem Raum einen co-working space eingerichtet. Man kann sich dort Arbeitsplätze anmieten. Wir haben eine Werkstatt für unsere Reparáda Bikes und ein Mode-Atelier einiger junger Modedesignerinnen.

Generell wollen wir die Leute dazu anregen, sich nicht zu scheuen, manchmal Dinge zu tun, die nicht als normal gelten, aber die Welt zum Besseren verändern. Das klingt jetzt ein wenig pathetisch, aber es ist einfach angenehmer in Städten zu wohnen, in denen es mehr „Verrückte“ gibt, die sich gerne schön anziehen, Fahrrad fahren und sich treffen. Und öfters lächeln.

Das Interview führte Judith Krulišová
Übersetzung: Martin Nejezchleba

Copyright: jádu / Goethe-Institut Prag
November 2014
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