Tiefgekühlt oder selbstgekocht?
Kann ein Tiefkühlgericht besser schmecken als dasselbe Gericht, wenn man es selbst kocht? Und schafft man es, das Fertiggericht für weniger Geld nachzukochen?
Diese Fragen stelle ich mir, als ich zum ersten Mal im Leben für längere Zeit vor einem Tiefkühlregal mit Fertigprodukten stehe. Es ist erstaunlich, was man im Komplettpaket alles kaufen kann. Asia-Pfannen mit allem Drum und Dran, Ente mit Klößen, Lasagne Bolognese: Schiebt man die Packung in die Mikrowelle und holt sie ein paar Minuten später wieder raus, können davon zwei Leute satt werden. Selten kostet ein solches Gericht mehr als drei Euro.
Nachdem ich mich damit abgefunden habe, dass sich unter den tiefgekühlten Fertiggerichten in einer großen Berliner Supermarktkette kein einziges vegetarisches befindet, entscheide ich mich für gefrorene Tagliatelle mit Wildlachs und Spinat für 2,49 Euro. 400 Gramm – eine Menge, von der ein bis zwei Personen satt werden sollen. Die Tiefkühlvariante werde ich meinen Freunden zum Abendessen vorsetzen – und anschließend das Ganze selbst nachkochen. Das Ziel: Ein Geschmacks- und ein Preisvergleich.
Woher kommen die Zutaten?
Es geht aber noch um ein bisschen mehr. Wer ein Tiefkühlgericht kauft, weiß in der Regel nicht, woher die Zutaten dafür kommen. Auf der Packung der Firma Jütro, die das von mir gekaufte Pastagericht hergestellt hat, stehen neben den offensichtlichen Zutaten Nudeln, Spinat, Frischkäse und Lachs jede Menge Angaben vager Art: Stärke, Gewürze, verschiedene Pulver, Glukosesirup. Auch geht aus der Beschreibung natürlich nicht hervor, woher der Lachs kommt, der Frischkäse und die Eier, die in den Nudeln verarbeitet sind. Ich möchte herauszufinden, woher die Zutaten in dem Tiefkühlgericht kommen und dann für meine selbstgekochte Variante nur Zutaten verwenden, deren Herkunft ich nachvollziehen kann.
Das erste Ansinnen stellt sich als schwierig heraus, das zweite als einfach, aber teuer. Alles, was auf der Tiefkühlpackung steht und nicht nach chemischem Zusatzstoff klingt, kaufe ich auch für meine eigene Zubereitung.
Es ist nicht schwer, die grundlegenden Zutaten als regionale Produkte zu finden beziehungsweise so, dass ihre Herkunft transparent ist. Auf dem Fischmarkt kaufe ich Wildlachs aus Norwegen. Beim Spinat, der passenderweise in Mitteleuropa gerade Saison hat, achte ich darauf, dass er aus Deutschland kommt. Die Nudeln müssen vegan sein – denn um herauszufinden, woher die Eier in der Pasta kommen, müsste man investigativ arbeiten.
Vier Freunde habe ich zum Testessen eingeladen. Die Rechnung für die frischen Zutaten beläuft sich für diese Menge auf gut 16 Euro, vier Euro pro Person also. Beim Tiefkühlgericht sind es pro Person gerade einmal 1,25 Euro. Den Preisvergleich gewinnt also klar das Tiefkühlprodukt.
Hinhaltetaktik beim Tiefkühlkost-Hersteller
Bevor das Abendessen stattfindet, rufe ich bei der Herstellerfirma an, um mich über die Herkunft der Zutaten zu erkundigen. Mindestens vier Mal trage ich mein Anliegen vor, immer wieder werde ich zur nächsten Abteilung weitergeleitet. Zum Schluss befinde ich mich in einer langen Warteschleife. Dann endlich eine Antwort: Ich möge meine Anfrage doch bitte schriftlich formulieren. Vorausschauenderweise hatte ich das schon einige Tage zuvor getan. Diese Anfrage sei wohl aber untergegangen, vermutet die Jütro-Mitarbeiterin am Telefon.
Ich formuliere also eine zweite schriftliche Anfrage, nachdem ich die Kontaktadresse dazu telefonisch erfragt habe. Dieses Mal versehe ich die E-Mail mit einem Prioritätssignal und bitte um eine Eingangsbestätigung. Eine Woche später liegt mir weder eine Antwort auf meine Fragen noch eine Bestätigung vor. Erneut begebe ich mich also in den Telefondschungel. Von der Zentrale aus werde ich weitergeleitet zu verschiedenen Mitarbeitern, die sich nicht verantwortlich fühlen, mir zu antworten. Zum Schluss heißt es, der Angestellte, der meine Fragen beantworten könne, sei in Urlaub. Ich möge meine Anfrage doch noch einmal schriftlich stellen. Mehrmals habe ich in meinen Anfragen auf den Erscheinungstermin meines Artikels hingewiesen. So schnell könne man mir keine Auskunft geben, sagt man mir bei Jütro – Wochen vor der geplanten Veröffentlichung.
Ich sehe noch einen anderen Weg, an die Informationen zu kommen. Die Tiefkühltagliatelle erhielten im Jahr 2012 einen gewissen Goldenen Preis der DLG. Das sagt ein Siegel auf der Packung. Ich erfahre, dass die DLG die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft ist. Deren Pressesprecherin Regina Hübner erklärt mir, dass es für die Qualitätsprüfung von Tiefkühlprodukten ein „produktspezifisches Prüfschema“ gäbe. Was die sogenannte Zubereitungsprüfung angeht, verlässt sich die DLG auf Herstellerangaben.
Neues erfahre ich also auch hier nicht, lerne aber, dass das „Qualitätssiegel“ vor allem auf der Überprüfung von Geschmack, Aussehen und Geruch des Gerichts beruht.
Geschmackstest
All das darf die kleine Testgruppe, die ich zu mir nach Hause eingeladen habe, nun auch überprüfen und Tiefkühl- und selbstgekochte Kost dabei vergleichen. Der optische Vergleich ist eher langweilig: Beide Gerichte sehen sich sehr ähnlich – mit dem Unterschied, dass beim tiefgekühlten die Lachsfilets in extrem akkurate Würfel geschnitten sind. Das sieht zwar ordentlicher, aber auch künstlicher aus. Den Geschmackstest besteht das Tiefkühlgericht allerdings nicht. Einigkeit herrscht vor allem über die Konsistenz der Lachsfilets, die mehr zäh als zart schmecken. Auch das Nachwürzen ist allen Testessern ein Bedürfnis.
Der Tiefkühlhersteller Jütro hat sich noch immer nicht auf die schriftliche Anfrage gemeldet. Man kann sich des Eindrucks nur schwer erwehren, dass die Firma Angaben über die Herkunft ihrer Zutaten der Öffentlichkeit lieber verschweigen möchte.