Make journalism great again!
Katerstimmung kann schon mal aufkommen, wenn man die aktuelle Weltpolitik verfolgt. Das Magazin „Kater Demos“ setzt dem konstruktive Stories entgegen: ehrenamtlich geschrieben und illustriert, gedruckt auf gutem alten Papier. Wie und warum das funktioniert, hat uns Chefredakteur Alexander Sängerlaub erzählt.
Ihr nennt euch ein „utopisches Politikmagazin“. Was muss man sich darunter vorstellen?
Wir sind ein bisschen gemein mit der Utopie, weil wir keine wirren Luftschlösser bauen. Es geht um recht realpolitische Sachen. Oder um Dinge, die irgendwo anders schon super funktionieren. Eines meiner Lieblingsbeispiele ist Costa Rica. Die haben ihr Militär abgeschafft und den freigewordenen Etat in Bildung und Gesundheit gesteckt. Jetzt hat Costa Rica auf dem ganzen amerikanischen Kontinent – Nord und Süd – das beste Bildungs- und Gesundheitssystem. Da denkt man sich erst: „Ist doch beknackt!“ Aber dann sieht man, dass es tatsächlich funktioniert. Oder wir sprechen mit Experten, die krude Utopien haben, zum Beispiel das bedingungslose Grundeinkommen. Das war ja eine große Utopie in unserer zweiten Ausgabe zum Thema Arbeit.
Jede „Kater Demos“-Ausgabe widmet sich einem Thema. In der aktuellen dritten sind das die Medien.
Die Medienausgabe ist ein bisschen dystopischer geworden. Die Medien stecken in einer tiefen Krise. Es gibt die Finanzierungskrise, die sich durch die Digitalisierung ergibt. Es gibt eine Glaubwürdigkeitskrise. Es gibt aber auch eine Globalisierungskrise, weil Medienmärkte zunehmend auch über nationale Grenzen hinausgehen. Es gibt eine Nachwuchskrise, weil der Nachwuchs davon nicht leben kann. Viele Journalisten machen deshalb heute PR, eigentlich das komplette Gegenteil von Journalismus. Oder SEO. Dann sitzen sie in Content-Marketing-Klitschen und müssen tausend Texte über Schraubenschlüssel und Bauschaum schreiben. Und das ist krass, weil wir Journalismus so dringend brauchen wie noch nie, einen global vernetzten Journalismus.
Habt ihr dafür einen Lösungsansatz, den man im Heft nachlesen kann?
Ja, Journalismus könnte zum Beispiel als gemeinnützig eingestuft werden. Das wäre nur eine ganz kleine Gesetzesänderung. Du kannst Katzen züchten oder Erbsen auf dem Balkon anbauen. Das kann alles gemeinnützig sein, aber der Journalismus, die vierte Gewalt in einem Staat, eine grundlegende Säule in einer Demokratie, kann diese Gemeinnützigkeit nicht erreichen.
Ich finde aber auch nicht, dass jeder Journalismus gemeinnützig sein sollte. Aber wenn ich auf Werbung verzichte, kein Boulevardblatt und kein Anzeigenblatt bin, sondern ein konstruktives oder investigatives Medium – so kann man es ja definieren – dann besteht vielleicht auch die Möglichkeit, gemeinnützig zu sein.
Aber das löst nicht das Glaubwürdigkeitsproblem des Journalismus…
Wir glauben, dass die Glaubwürdigkeitskrise des Journalismus vor allen Dingen aus einer fehlenden Wertschätzung kommt, wofür unter anderem die Kostenloskultur des Digitalen verantwortlich ist. Man hat den Anspruch: „Ich zahl nix dafür, aber es muss trotzdem qualitativ hochwertig sein. Aber eigentlich will ich auf Katzenvideos klicken.“ Wir wollen, dass Leser das reflektieren, wobei wir aber glauben, dass unsere Leser ohnehin schon reflektierter sind.
Aber wir geben ihnen auch Argumente an die Hand, wenn sie in ihren Familien vielleicht mit Leuten diskutieren müssen, die sagen: „Ist doch alles Lügenpresse!“ Für unsere aktuelle Ausgabe haben Redakteure eine Woche lang nur Verschwörungsmedien wie Compact oder RT Deutsch gelesen und versucht zu dekodieren, wie sie funktionieren. Wie schreiben die? Warum haben die so ein komisches Bild von der Welt? Von wem werden die finanziert?
Die öffentlich-rechtlichen Medien machen dennoch einen seriösen Journalismus, die haben ja auch extrem viel Geld. Ob man nun die ganzen Zoo-Sendungen sehen muss und Lindenstraße und das Gedöns, und ob es nicht mehr Etat für mehr Informationen, mehr Politik und mehr Bildung geben sollte: Darüber können und müssen wir streiten und das machen wir auch.
Eigentlich seid ihr ja selbst eine Utopie. Der Printjournalismus wird schon seit einer gefühlten Ewigkeit totgesagt, aber mit „Kater Demos“ bringt ihr trotzdem eine reine Printzeitschrift auf den Markt. Ist das nicht ein bisschen verrückt?
Total. Aber man muss sich nur mal angucken, welchen Einfluss diese Hysterie, die in der Onlinekommunikation alltäglich ist, auf den Ausgang von Wahlkämpfen hat. Wir glauben, dass man sich dem nur entziehen kann, indem man sich Zeit nimmt für gute und große Ideen. Wir haben lange Texte, wir haben tolle Interviews. Aber das kann man nicht in 30 Sekunden konsumieren, so wie man vielleicht bei Spiegel Online die Artikelüberschriften überfliegt. Manchmal glaube ich, wir müssen heute wieder lernen, wie man sich zurückzieht, aufs Sofa fläzt und dann ein Magazin in die Hand nimmt, am Papier riecht und sich ganz auf eine Sache konzentriert… Das macht einfach Bock und kommt unserem Konzept von Journalismus näher als das eine Onlineplattform jemals könnte.
Und damit trefft ihr offenbar einen Nerv…
Das Irre ist ja, dass uns in den ganzen zwei Jahren, die wir das jetzt machen, noch keiner aus dem Team flöten gegangen ist. Es kommen eher immer wieder neue Leute dazu, die mitmachen wollen. Leider nie jemand, der Marketing machen möchte oder der Finanzen kann. [lacht] Aber man merkt an den Reaktionen, dass unser Ansatz in Zeiten von AfD und so weiter auf ein offenes Ohr stößt. Inzwischen sind es über 50 Leute, die irgendwo am Katerkosmos mitwirken. Das ist schon absurd. Und zeigt nicht, dass wir gerne gelesen werden, sondern das viele auch ein Teil dieser politischen Bewegung sein wollen.
Und alle machen das ehrenamtlich. Wie naiv muss man dafür sein?
Sehr! Naivität und Optimismus sind zwei tragende Säulen für das Gründen… und bei uns in der Redaktion sind es noch: Wasabi-Nüsse.