Halbnackte Ischen, dementer Humor
In meinem E-Mail-Postfach landete eines Tages ein Angebot zur Zusammenarbeit mit der Zeitschrift Maxim. Es ging um eine deutsch-tschechische „versaute Vokabelsammlung für den Urlaub“. Höchstwahrscheinlich der Gipfel meiner Germanistenkarriere. Die E-Mail kam vom „Maxim“-Redakteur Ivan Adamovič.
Adamovič kannte ich als Gründer der Kultzeitschrift Živel, als Sci-Fi- und Popkultur-Enthusiasten und als Publizisten. Zweifellos steht auch die Zeitschrift Maxim für Popkultur, aber in einer Weise, der ich für grenzwertig halte, und manchmal darüber hinaus – mit den Worten der Zeitschrift: „Halbnackte Ischen –dementer Humor – also kannst du es verstehen“. Ein Intellektueller macht eine unverschämte Zeitschrift für Kerle?
Ivan, im Vergleich mit Ihren anderen – vergleichsweise intellektuellen – Tätigkeiten scheint mir Ihre Arbeit für „Maxim“ eine Art kreatives Schreiben für Geld zu sein.
Ich verdiene meinen Lebensunterhalt mit Schreiben, also ist „Kreatives Schreiben für Geld“ eine treffende Beschreibung. Mir gefällt es auch, mehrere verschiedene, oft sich gegenseitig widersprechende berufliche Rollen auszufüllen. Es ist aber durchaus nicht unüblich, etwas auszubrechen aus dem Rahmen der Zeitschrift, die man macht. Für Modemagazine schreiben ja auch nicht nur Fashion-Expertinnen, nicht jede Redakteurin einer Kochzeitschrift verbringt ihre ganze Freizeit am Herd und so weiter.
Sind bei „Maxim“ irgendwelche Themen verboten? Gibt es da etwas, wozu der Chef sofort sagt: „Nee, Jungs, das geht gar nicht!“? Können Sie dazu überhaupt konkret werden?
Wir schreiben über alles. Allgemein gilt: „Was du dir ausgedacht hast, das schreib auch, Bursche!“. In ihrer früheren Besetzung hat sich die Maxim-Redaktion mehr an krasseren britischen Blättern vom Typ Bizarre inspiriert. Eine Weile lang haben wir das versucht, stellten dann aber fest, dass wir da nicht so drauf stehen und auch noch nicht mal wissen, ob die Leser danach lechzen. Also haben wir Fotos von Verletzten und blutenden Menschen weggelassen. Was die Nacktheit angeht, verbieten uns die Regeln des Verlags männliche und weibliche Genitalien zu zeigen. Manchmal ist es auch die Grenze des guten Geschmacks einer vordergründigen Erotik.
Wer liest „Maxim“? Mich interessiert der Zwiespalt zwichen den „Redaktionskerlen“ und den „Leserkerlen“.
Wir bedienen wohl alle sozialen Gruppen. Mit Ausnahme von Truckerfahrern und Häftlingen. Von denen lesen uns ausnahmslos alle. Da mich auch mein 90-jähriger Vater nach Maxim-Ausgaben fragt, sind wir scheinbar auch in der Lage für Senioren zu schreiben. Die Schriftgröße erleichtert es denen allerdings nicht unbedingt.
Angeblich sind 14 Prozent der„Maxim“-Leser/Käufer weiblich. Wie erklären Sie sich das?
Ich wage zu behaupten, dass dieser Anteil wesentlich größer ist als 14 Prozent. Frauenzeitschriften sind angeblich unlesbar und sie sind nicht witzig. Sämtliche meiner Stichproben bestätigen das. Wahr ist auch, dass die Maxim-Abonnements meistens von Frauen für deren Partner abgeschlossen werden. Was würden wir nur anfangen ohne diese Armee selbstloser Seelen?!
Der Werbeslogan für ein „Maxim“-Abo lautet „Krasse Reportagen – halbnacke Ischen – dementer Humor – also kannst du es verstehen“. Das zeigt einerseits, dass die Zeitschrift durchaus selbstreflexiv ist, andererseits, dass sie sich nicht verstellt. Irgendwo habe ich sogar folgende Formulierung gefunden: „Wir sind eine intelligente Zeitschrift für helle Köpfe“.
Das habe ich geschrieben – als Antwort auf die Bezichtigung eines Lesers, wir wären eine Pornozeitschrift.
In der gleichen Antwort fügen sie unmittelbar danach hinzu, Sie seien aber ein bisschen pervers... Da ist wieder die Subversion. Aber woher nehmen Sie eigentlich dieses Selbstverständnis?
Für uns ist Subversion eine Form der Absicherung, damit wir uns selbst und unsere Themen nicht zu ernst nehmen. Und ich glaube, dass wir damit auf dem tschechischen Zeitschriftenmarkt ziemlich einzigartig sind. Das gilt seit den Zeiten des früheren Chefredakteurs Pavel Vondráček, der eine außergewöhnliche Intuition für die Schaffung von subversiven Inhalten hatte.
Hat der gehässige Spott in der Zeitschrift überhaupt eine Grenze (Hitler, Flüchtlinge, Islam, Havel und so weiter)?
Im vorderen Teil der Zeitschrift haben wir eine Ecke mit schwarzem (manchmal auch braunem) Humor, da ist uns nichts heilig. Allerdings muss ein Humorpotenzial vorhanden sein. In den einzelnen Artikeln geht es oft um einen Tanz auf der Grenze der political correctness, den sich nur derjenige erlauben kann, der diese Grenze genau spürt. Am meisten passen wir aber auf, dass unsere Witzchen nicht „onkelmäßig“ und „schmierig“ sind, dass Maxim nicht zur Heimat von schlüpfrigem Geschwätze frustrierter Vierzigjährigen in der Midlife-Crisis wird.
Der Zeitschrift wird aber vorgeworfen, sehr chauvinistisch zu sein, mehr als alle anderen Männerzeitschriften auf dem tschechischen Markt. Stimmen Sie zu? Oder ist auch dieser Chauvinismus eigentlich nur eine spielerische Übertreibung?
Es kommt darauf an, ob Sie über den Maxim sprechen, den die frühere Redaktion gemacht hat oder über den heutigen. Die alte Redaktion hat diesen Chauvnismus zum Teil ernst gemeint, zum Teil als bewusste Übertreibung. Wir nur noch als Übertreibung.
Frauen, Nacktheit, Modetrends, Sport, Autos, Kosmetik – das alles kann etwas Schönes sein. Warum sucht so ein „echter Kerl“ eigentlich danach?
Wir haben uns immer bemüht, diese Schönheit irgendwie zu beschmutzen. Erst dann wird sie interessant und für den Leser akzeptabel. Wir verbrennen Kleider von Luxusmarken, stellen sie in zweifelhafte Kontexte. In teuren Autos haben Kollegen Obdachlose herumgefahren... Clevere Hersteller kapieren das und geben uns die Freiheit. Frauen zeigen wir in ihrer ganzen Nacktheit, damit der Leser sie einfach ansehen kann. Interessant war die Feststellung, dass nackte Mädels gerne von... Mädels angeschaut werden. Vermutlich im Rahmen irgendeiner Selbstreflexion, einer Kontrolle des Reviers, eines lacanschen Blicks und einer latenten Bisexualität.
Woher wissen Sie, dass Mädels sich gerne Mädels anschauen?
Das sagen sie uns selbst, in schwachen Momenten.
„Frauen zeigen wir in ihrer ganzen Nacktheit, damit der Leser sie einfach ansehen kann,“ sagen Sie. Als Pornozeitschrift verstehen Sie sich aber nicht. Damit verharmlosen Sie die demonstrative Nacktheit aber sehr.
Die Models, die sich für uns (halb)nackt fotografieren lassen, haben selbst eine sehr klare Grenze, die sie selbst nicht überschreiten würden. Und die liegt oft nur ein wenig weiter als unsere Fotos zeigen. Von der Anlage unserer Fotos her ist klar, dass das Aussagen über diese Frauen sind, und nicht ein Pressen der Frau in eine Gestalt und Form, wie ein Mann sie sehen möchte. Übrigens haben wir vor ungefähr einem Jahr begonnen, regelmäßig mit der Fotografin Bára Lazarczyková zusammenzuarbeiten. Beim Betrachten ihrer Bilder bekommt man eher das Gefühl, man beobachte eine Mädelsparty, als dass die Fotos eine Frau irgendwie zum „Objekt“ machen würden.
Ist Liebe etwas, was so ein richtiger Kerl sucht? Oder würde er das nur schwer zugeben? (Hat er lieber Fleisch, Autos und Mädels im Club?)
Ach Gott, jeder sucht Liebe. Wenn man mehrere zugleich hat, umso besser.
Der „Maxim“ ist ein beliebtes Thema für wissenschaftliche Analysen. Sind Sie interessiert an diesem akademischen Feedback?
Mir gefällt die Feststellung von Vendula Žáková, dass es im Hinblick auf die gezeigte und beschriebene Sexualität, „in großem Maße Frauen sind, die potenziell ihren Nutzen aus den angebotenen Ratschlägen ziehen könnten“. Natürlich lassen wir uns gerne bestätigen, dass die von uns präsentierten diskursiven Sprachpraktiken zu einer ambivalenten Konfrontation mit der traditionellen Maskulinität führen können, sich aber im heteronormativen Diskurs einer hegemonen Männlichkeit abspielen.
Können Sie von den abgefahrensten Reportagen erzählen, die Sie für den „Maxim“ erlebt haben?
Sehr genossen habe ich den „großen Ohrfeigentest“. Ich habe Kampfsportler aus drei verschiedenen Disziplinen herausgefordert, und untersucht, von wem die Backpfeife am meisten weh tut. Gerne erinnere ich mich auch an ein Projekt für die Schwesterzeitschrift masooo (Fleiiisch): In Luxusrestaurants habe ich die seltsamsten Gerichte bestellt, von Gänseleber-Eiscreme bis Entenembryo. Mit vorzüglichem Material kommen auch Kollegen. Gerade erst kamen sie zurück von einer großen Reportage im Mistgabel-Museum. Das gibt es im Kreis Bruntál. Der Besitzer hat es fertiggebracht ihnen sechs Stunden begeistert zu erzählen... über Mistgabeln.
Sie waren Gründer der Zeitschrift „Živel“, eine der ersten alternativen Kulturzeitschriften in Tschechien. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Das war die schönste Zeit meines Lebens, sorglos, ungestüm, gierig. Das waren einfach die Neunziger. Aber das wird einem erst hinterher bewusst.
Hätten Sie sich damals vorstellen können, dass sie einmal ein Magazin für sogenannte „Kerle“ machen würden?
Ich mache mir nicht groß Pläne, denn es kommt sowieso immer alles anders. Also hätte ich mir alles Mögliche vorstellen können.
„Der Verlag Burda Praha wird die tschechische Ausgabe der Männerzeitschrift Maxim mit der Novemberausgabe 12/2016 einstellen. ‚Der Markt für Männerzeitschriften sinkt langfristig deutlich, im spezifischen Segment der Marke Maxim sieht Burda Praha keine Perspektive für eine positive Entwicklung,‘ kommentierte die tschechische Filiale der deutschen Burda das Ende von Maxim.“