Ein Austauschjahr in Deutschland
Von Ägypten nach Zwickau
Jährlich vergibt PASCH Ägypten mehrere Stipendien für ein Austauschjahr in Deutschland an ägyptische Schülerinnen und Schüler. Ein Besuch bei Fatma und der Familie Behnken in Sachsen.
Es ist Mittagsessenszeit im roten Backsteinhaus am Rande von Zwickau. Auf dem Esstisch der Familie Behnken stapeln sich die Speisen. Es gibt Rotkohl, Kürbiscremesuppe, Kroketten und Schnitzelauflauf. Vater Steffen Behnken hat gestern Geburtstag gefeiert, seine Eltern sind noch zu Besuch. Die Familie spricht über Politik, über Zwickau, über allesmögliche.
Mittendrin sitzt Fatma. Sie redet wenig, folgt dennoch aufmerksam den Gesprächen. Die 16-jährige Austauschschülerin ist seit Ende September bei den Behnkens, geht in die 10. Klasse eines Zwickauer Gymnasiums. Ein ganzes Schuljahr wird sie in der sächsischen Stadt verbringen. Ihr Deutsch hat sich in den letzten Wochen schon deutlich verbessert. „Ich verstehe fast alles“, sagt sie stolz. Nur Sprechen fällt ihr noch schwer.
In Ägypten hat Fatma drei Jahre Deutsch gelernt, bevor sie über das Goethe-Institut von der Möglichkeit erfuhr, ein Schuljahr in Deutschland zu verbringen. Über das PASCH-Programm „Schulen: Partner der Zukunft“ des Auswärtigen Amtes und des Goethe-Instituts bekommt die Ägypterin ein Vollstipendium.
Fatma ist eine von drei ägyptischen Austauschschülern, die derzeit über das Goethe-Institut ein Jahr in Deutschland verbringen. Sie stammt aus der unterägyptischen Stadt Damanhur, 60 Kilometer südöstlich von Alexandria. 250.000 Menschen leben dort. Im Zwickauer Ortsteil Cainsdorf, in dem Fatma ihr deutsches Zuhause gefunden hat, sind es etwas über 2000. Aus dem Esszimmer blickt man auf vereinzelte Häuser, sonntäglich leere Straßen und viel Grün. Die Atmosphäre ist dörflich.
Ihre Gasteltern Dagmar und Steffen Behnken kommen ursprünglich aus Niedersachsen. Auf die Idee, eine Austauschschülerin aufzunehmen, ist ihre 13-jährige Tochter Gesche gekommen. „Eigentlich wollte ich selbst ein Jahr ins Ausland gehen, aber dafür bin ich ja noch zu jung. Also habe ich das meinen Eltern vorgeschlagen“, sagt sie, während sie mit Fatma nach dem Mittagessen puzzelt. „Zu Studienzeiten haben wir im Ausland auch Gastfreundschaft erfahren, da war es ein naheliegender Gedanke“, erklärt Steffen Behnken seine Motivation.
Die Behnkens meldeten sich als Gastfamilie bei der Austauschorganisation Youth for Understanding (YFU), die gemeinnützig Jugendaustausch organisiert und mit dem Goethe-Institut in Ägypten und im Libanon kooperiert. „Weitestgehend war es uns egal, welchen Austauschschüler wir aufnehmen, YFU hat uns Fatma vorgeschlagen“, erzählt Herr Behnken. „Man bekommt Unterlagen verschiedener Schüler und entscheidet sich dann“, fügt seine Frau hinzu.
So kam Fatma nach Zwickau, in eine Region, die weniger mit Weltoffenheit als mit Pegida-Aufmärschen Schlagzeilen macht. „Darüber haben wir uns auch Gedanken gemacht, bisher hat Fatma aber keinerlei negative Erfahrungen gemacht, oder?“, gibt Vater Behnken die Frage an Fatma weiter. Die Ägypterin schüttelt bestätigend den Kopf.
Was ihr in Deutschland besonders gefällt? „Die Bildung. In Ägypten soll man Auswendiglernen, in Deutschland verstehen. Trotzdem muss ich hier viel weniger nach der Schule lernen.“ Ihre Mitschüler empfingen die 16-Jährige herzlich. „Am ersten Tag haben alle gesagt ‚Wenn du Hilfe brauchst, dann komm zu mir‘. Freunde finden war nicht so schwierig.“ Trotzdem sei ihr aufgefallen, dass das Gemeinschaftsgefühl in Deutschland nicht so groß sei. „In Ägypten ist das anders. Alle Ägypter sind eine große Familie.“
Noch bis Juli wird Fatma bei ihrer Gastfamilie in Zwickau bleiben. Anschließend macht sie mit der Schule in Ägypten weiter. „Danach möchte ich Medizin studieren. In Deutschland.“