Juni 2023
Sharon Dodua Otoo: Adas Raum

Titel in farbigen Buchstaben auf schwarzem Hintergrund
© Maclehose Press

Die Mutterschaft, die Freiheit und das Erbe des Kolonialismus sind die Hauptthemen in Sharon Dodua Otoos faszinierendem Adas Raum, einem Debütroman von unglaublicher Ausdruckskraft und Fantasie, der Fans von Bernardine Evaristos Mädchen, Frau, etc. ansprechen wird.

Wenn Gott eine Frau wäre, und wenn Türklopfer sprechen könnten . . .

Dies sind nur zwei der vielen eher ungewöhnlichen Hypothesen, die in Adas Raum untersucht werden, dem schwindelerregenden Debütroman der in London geborenen Sharon Dodua Otoo. Dieses ehrgeizige, fantasievolle und zum Nachdenken anregende Buch, das die Leserin auf eine Reise durch Zeit und Raum mitnimmt, behandelt große Themen mit einem schiefen Grinsen und Liebe zum Wortspiel, und sprengt dabei alle Grenzen.

Mit seiner rasanten, freilaufenden Art lässt sich Adas Raum nur schwer kategorisieren oder vergleichen. Es wird jedoch Fans von Bernardine Evaristos Mädchen, Frau, etc. (von Tanja Handels übersetzt) ansprechen: Auch ein schillernd kreatives Werk, das ähnliche Themen unter die Lupe nimmt und sich an seinen eigenen literarischen Ambitionen erfreut. Beide Romane haben eine fragmentierte Struktur – bestehend aus Geschichten, die jeweils für sich stehen und doch miteinander verbunden sind – und obwohl Adas Raum nicht in Evaristos Prosa-Poesie geschrieben ist, ist der einzigartige Erzählstil ebenso fesselnd. Vom Westafrika des fünfzehnten Jahrhunderts bis ins heutige Berlin, über das viktorianische London und ein KZ im Jahr 1945, umkreist der Roman diese verschiedenen Stimmen und Schauplätze wie ein Planet im Sonnensystem. Wo genau Gott in dieser Struktur steht, ist nicht immer klar. Aber ist sie eine Frau? Ja, natürlich ist sie das.

Ada ist auch eine Frau – nicht nur eine, sondern viele. Eine junge Frau, die kurz vor dem Kolonialismus im Westafrika lebt; zu Beginn des Romans finden wir sie von anderen Frauen umgeben, ihr Baby liegt tot in ihren Armen, auf dem Meer nähern sich die portugiesischen Schiffe. Vier Jahrhunderte später ist sie eine brillante Mathematikerin: Ada Lovelace, deren großartiger Verstand nicht ausreichen wird, um sie zu retten, und die sich hier in einer gefährlichen Liebesaffäre mit einem gewissen Mr. Dickens verwickelt ist. Noch hundert Jahre später ist Ada eine Insassin der „Spezialbaracke“ im Arbeitslager Dora, mit einer auf den Arm tätowierten Nummer und einer endlosen Reihe von Männern, die durch ihre Tür marschieren. Und schließlich ist sie eine müde werdende Mutter, die gerade aus Ghana nach Berlin gekommen ist und darum kämpft, eine Wohnung zu finden, einen Platz für sich selbst, ihre eigene Identität.

Während der Roman zwischen den Schicksalen dieser Frauen hin- und herwechselt, werden wir von einer körperlosen Stimme geleitet, die verschiedenste unscheinbare Gegenstände bewohnt – einen Türklopfer mit Löwenkopf am Eingang des Lovelace-Stadthauses; genau den Raum, in dem 1945-Ada arbeiten muss. Aufbauend auf diesem konzeptionell anspruchsvollen Fundament ist jede Seite des Buchs ein Wortschwall: Lebendige Prosa überlagert von Gedichtfetzen, reichhaltigen Bildern und intertextuellen Verweisen. Das Ergebnis ist sowohl beunruhigend als auch tiefgründig, fordert ständig unser Vertrauen als Leser heraus und offenbart eine scharfsichtige Darstellung schwarzer und weiblicher Identitäten im Laufe der Geschichte. 

Doch Sharon Dodua Otoo ist damit noch nicht fertig: Sie thematisiert auch die Mutterschaft aus verschiedenen Blickwinkeln und zieht weitere wichtige Themen wie Migration, Unterdrückung und das Erbe des Kolonialismus durch jede Erzählung. Ein so breites Spektrum lässt sich nicht ganz auf 300 Seiten verdichten, so dass sich der Roman an manchen Stellen ein wenig gehetzt anfühlt – doch das ist vielleicht ein Spiegelbild des Lebens im Allgemeinen und zum Teil auch das, was die unnachahmliche Charme dieses Romans ausmacht. Schließlich geht es in Adas Raum vor allem um die Freiheit: Was diese auf persönlicher und gesellschaftlicher Ebene bedeutet, wie schnell sie uns vorenthalten werden kann, wo wir sie suchen. Mit der entsprechenden Freiheit geschrieben, ist Adas Raum ein regelrechtes literarisches Sammelsurium, das sich an seiner eigenen Kreativität erfreut und eine aufregende Zukunft für diese einzigartige Schriftstellerin verspricht.

Über die Autorin

Eleanor Updegraff liest extrem gerne, besonders übersetzte Literatur. Sie ist Ghostwriterin, Übersetzerin aus dem Deutschen, Lektorin und Buchrezensentin, sowie Autorin von Kurzgeschichten und Essays. Sie ist in Großbritannien aufgewachsen und wohnt nun seit 2015 in Österreich. Wenn sie nicht gerade liest, sitzt sie im Kaffeehaus oder läuft um einen österreichischen See herum.


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