Ein zugleich kritischer als auch historischer Ansatz legt nahe, dass es sich hierbei tatsächlich um eine sehr neue Entwicklung handelt. Wird dies erst einmal anerkannt, kann man sich den Gedanken zuwenden, auf welchem Wege „die Anderen“ innerhalb unserer Grenzen integriert werden können. Ein radikal-futuristischer Entwurf für europäische Grenzenlosigkeit.
"In der politischen Psychologie ist sogar die Schizophrenie normal: ist der Bürger zu Hause, will er die Grenzen seines Staates bestens geschützt und schärfstens kontrolliert wissen. Begibt er sich aber auf Reisen, sollen die Grenzen möglichst durchlässig, ja am besten unsichtbar sein. Er will an Grenzen nicht aufgehalten werden, aber er will, dass andere, die in sein Land kommen, an Grenzen aufgehalten und möglichst zurückgewiesen werden. Das Fremde will er am Zielort seiner Reise als „interessante andere Kultur“ erleben, aber zu Hause empfindet er das Andere als Bedrohung „seiner Kultur“. Der Bürger kann euphorisch werden, wenn Grenzen plötzlich verschwinden, wie es etwa beim Fall der Berliner Mauer war, überhaupt beim Fall des Eisernen Vorhangs, aber er will die Grenze wieder zurück, wenn Menschen von „drüben“ womöglich herüber wollen, auf seinen Arbeitsmarkt..."
Ulrike Guérot ist Gründerin und Direktorin des European Democracy Lab an der European School of Governance und war 2014 Senior Fellow bei der Open Society Initiative for Europe und Gastforscherin für Demokratisierung am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialwissenschaft. Zuvor leitete sie von 2007 bis 2013 das Berliner Büro des European Council on Foreign Relations. Sie arbeitet als Publizistin, Essayistin und Analystin zu Themen der europäischen Integration sowie zur Rolle Europas in der Welt. Ulrike Guérot ist aktuell Lehrbeauftragte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und unterichtete bereits an der Bucerius Law School. Sie ist ehrenamtliches Vorstandsmitglied von Europa-Professionell der Berliner Hauptstadtgruppe der überparteilichen Europa-Union Deutschland. Quelle: www.ulrikeguerot.eu @ulrikeguerot
Robert Menasse, der 1954 in Wien in eine jüdische Familie hineingeboren wurde, spricht mit der Stimme der Generation, die auch „Nachgeborene“ genannt werden. Obwohl er der Verfolgung und dem Leben im Exil, das seine Eltern ertragen mussten, entkommen konnte, beziehen sich Menasses Geschichten durch ironische Distanz und einen gefühlvollen Beobachter immer wieder auf das vergangene Leiden. Als Autor von über zwanzig Büchern, darunter kritische Essays zu zeitgeschichtlichen kulturellen Themen sowie Novellen und Kurzgeschichten, konnte sich Menasse als ein Hauptakteur zeitgeschichtlicher Österreichischer Literatur etablieren. Er erhielt zahlreiche angesehene Literaturpreise und lebt zeitweise in Wien und Amsterdam.
Quelle: ariadnebooks.com