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Roma und die bildende Kunst
Sind die Bilder von Roma-Künstlerinnen und -Künstlern nicht gut genug? Steht hinter ihnen vielleicht kein professionelles Management? Haben die Kuratoren selbst Vorurteile oder haben sie vielleicht Angst vor der Romafeindlichkeit des Publikums? Die Antwort auf diese Fragen ist gar nicht so einfach.
Im Anschluss an die internationale Konferenz Bilder der Roma in der Kunst, veranstaltet vom Goethe-Institut Budapest im Rahmen des Projekts RomArchive, fand am 3. April 2017 auch eine öffentliche Podiumsdiskussion für Interessierte im Institut statt. Eines der Hauptthemen der Diskussion bildete die Frage, warum die Kunstwerke romastämmiger bildender Künstlerinnen und Künstler in den Museen und öffentlichen Sammlungen nicht vertreten sind. Diese Frage ist nicht neu, Akteure des öffentlichen Lebens der Roma sowie auch Journalistinnen und Journalisten, die sich mit der Thematik auseinandersetzen, stellen sie immer wieder. (Der Verfasser dieser Zeilen hat bereits an mindestens einem Dutzend Konferenzen und Diskussionen teilgenommen, im Rahmen derer diese Frage in irgendeiner Form aufgetaucht ist.)
Die Malerei als Kulturträger
Eines ist gewiss: Die bildende Kunst der Roma kann nicht von deren ethnografischem Aspekt getrennt betrachtet werden – was schließlich macht eine bildende Kunst zur bildenden Kunst der Roma, wenn nicht die Tatsache, dass die Kunstschaffenden uns die Welt aus der Perspektive der Roma zeigen?Die Malerei als Ausdrucksmittel ist keineswegs ein organischer Bestandteil der in erster Linie verbalen Roma-Kultur. Die Sichtweise der Malerinnen und Maler ist geprägt von der Schicksalsgemeinschaft der im Elend der Roma-Siedlungen lebenden Ausgegrenzten und schöpft aus den Werten der Roma-Kultur, ihren Volksliedern, ihren Märchen, ja, sogar ihrer Tracht. Das alles fügt sich zu einer heterogenen, aber dennoch markant-charakteristischen Welt zusammen. Die Roma-Malerei ist in den vergangenen Jahrzehnten zu einem der bedeutendsten Fahnenträger der Roma-Kultur und dadurch zu einer identitätsbildenden Kraft geworden.
Diese Sichtweise ist natürlich gewiss nicht frei von kulturellen Topoi, was unter anderem dem Einfluss der bekannteren Künstlerinnen und Künstler geschuldet ist. Tamás Péli beispielsweise hat als ausgebildeter Maler quasi aus dem Nichts eine Formenwelt geschaffen, die häufig positive Stereotype von Roma oder Themen wie die Wanderschaft, Sinnlichkeit, Reiterei etc. aufgreift, aber – im Gegensatz zu den Malerinnen und Malern der Mehrheitsgesellschaft – einen internen Blick auf das Leben der Roma bietet. Nicht ohne Grund dienen diese bewährten und ikonischen Stilmerkmale vielen Roma-Malerinnen und Malern bei ihrer Identitäts- und Wegsuche zu Beginn ihrer Karriere bis heute als Leuchtturm. So wird der Topos als seit jeher verzerrtes Bild zu einem festen Bestandteil der Identität und Kultur. Das ist natürlich kein neues Phänomen: Franz Liszt zum Beispiel hielt – dem Zeitgeist gemäß – die Zigeunermusik für ungarische Volksmusik und schrieb dementsprechend seine Ungarischen Rhapsodien, welche die Rhythmen der Zigeunermusik (der ungarischen volkstümlichen Lieder) heraufbeschwören.
In den vergangenen Jahrzehnten konnten dank des zwar rudimentären, aber lückenfüllenden Mäzenatentums mehrere Dutzend Roma-Malerinnen und -Maler aus der Welt der Malerlager beziehungsweise Kulturhäuser heraustreten und zu bekannten, mitunter sogar gefragten Künstlerinnen und Künstlern werden. Ihre Kunstwerke sind in der Vergangenheit dank temporärer Ausstellungen, Publikationen und Bücher, welche sich der Roma-Thematik widmen, zugänglich geworden und sind es bis heute noch.
Die Malerei als Business
Allerdings bleiben diese Werke für Kunstaffine, die sich nicht explizit für die Roma-Kultur interessieren, praktisch unsichtbar, denn in den bedeutenden Museen, öffentlichen Sammlungen und Galerien sind Kunstwerke von Roma-Kunstschaffenden kaum anzutreffen.Eine der seltenen Ausnahmen bildet János Balázs, der bedeutendste Roma-Kunstmaler, dessen Vermächtnis Jahre lang von der Kieselbach Galéria kuratiert wurde. Abgesehen davon, dass sich die Galerie engagiert für die Bekanntmachung der Kunst Balázs’ einsetzte, sah sie natürlich auch eine Geschäftsmöglichkeit in dem einst umschwärmten, dann Jahrzehnte lang vergessenen Künstler. Der Großteil des Lebenswerks des Malers befindet sich aktuell im Béla Dornyay Museum in Salgótarján beziehungsweise in einer Privatsammlung.
Wert hat nur, was bekannt ist. Dafür muss heutzutage nicht nur dem Kunstwerk Raum gegeben, sondern auch das Image des Künstlers oder der Künstlerin aufgebaut werden, und das kostet Zeit und Geld.
Viele sind der Ansicht, dass das professionelle Management ein Bereich ist, in dem sich die Roma-Kunstschaffenden im Nachteil befinden. Die geschwächten und abgesehen von einigen Ausnahmen autodidaktischen Mäzenen sind derzeit nämlich noch nicht imstande, eigenständige Brands aufzubauen und effizient zu lobbyieren, da momentan noch die Etablierung der bildenden Kunst der Roma, ja, sogar ihre Rettung die Priorität bildet, sodass die Anpassung der Roma-Kunst an die mehrheitsgesellschaftlichen Standards in den Hintergrund rückt.
Um ein Teil des Mainstreams werden zu können, müssen Roma-Künstlerinnen und -Künstler es zu Wege bringen, mit ihren Werken aus dem ethnografischen Bezugsrahmen herauszutreten, um eigenständig interpretierbar zu sein.
Von den gegenwärtigen Roma-Kunstschaffenden hat OMARA (Mara Oláh) diesen Sprung geschafft. Aus der Anfang der Neunzigerjahre entdeckten romastämmigen naiven Malerin ist eine anerkannte zeitgenössische Künstlerin geworden, die ihren Bildern gerade durch ihren Blickwinkel einer Romni Authentizität und Nachdruck verleiht. „Omara spricht nicht im Namen anderer, sondern ausschließlich im Namen ihrer selbst, die Rezipienten sind sich dennoch darüber im Klaren, dass sich ihre Äußerungen an die gesamte Gesellschaft richten”, erklärt das Ludwig Múzeum, das einige Bilder der Künstlerin gekauft hat, auf seiner Homepage.
Die Malerei als Beruf
Neben den naiven Malerinnen und Malern tauchte im letzten Jahrzehnt auch eine neue Generation von universitär ausgebildeten, professionellen romastämmigen bildenden Künstlerinnen und Künstlern auf, die sich eigene Brands aufzubauen versuchen – wofür sie noch dringender als naive Kunstschaffende ein professionelles Management hinter sich benötigen – und natürlich auch Raum für sich in den Ausstellungen fordern.Allerdings gibt es in Ungarn kaum permanente Ausstellungsorte und Sammlungen, nun ist sogar das Schicksal einer der bedeutendsten Sammlungen fraglich, denn die Selbstverwaltung des Budapester Bezirks Josefstadt ließ das Gebäude, welches das Roma-Parlament beherbergte, erst kürzlich räumen. Die Frage nach der sachgerechten Lagerung der mehreren Hundert obdachlos gewordenen Gemälde ist bis heute ungeklärt.
Für die Weiterentwicklung und Integration der bildenden Kunst der Roma sollte der Fokus statt auf ihre Untergrabung vielmehr auf den Ausbau von Werkstätten gelegt werden, in denen das Talent frühzeitig erkannt, bewusst gefördert und später gemanagt wird. Wie weit sind wir davon noch entfernt? Diese Frage werden wir in den kommenden Jahren wohl noch einige Male stellen. Bis dahin können sich Interessierte neben dem bereits erwähnten Béla Dornyay Museum in Salgótarján auch in der Gallery8 und im KuglerArt Salon in Budapest mit den Kunstwerken namhafter romastämmiger bildender Künstlerinnen und Künstler vertraut machen.