Dorka Gryllus und Isabelle Stever
Film

Wechselwirkungen_Film
Réka Elekes © Goethe-Institut

Die deutsche Regisseurin Isabelle Stever und die ungarische Schauspielerin Dorka Gryllus haben in dem Film "Das Wetter in geschlossenen Räumen" (2015) zusammengearbeitet. 

 

Wir haben mit der Regisseurin über die Zusammenarbeit gesprochen, sowie über ihre Verbindung zu Ungarn.

Isabelle Stever: Mit Dorka zu arbeiten war durch und durch ein Vergnügen. Dorkas Präsenz, Natürlichkeit, Ausdauer und Empathie Fähigkeit waren ein großes Glück für das Projekt.

„Das Wetter in geschlossenen Räumen“ erzählt über die Einsamkeit einer alleinstehenden Frau um die 50, die eine berufliche Machtposition innehat. Der Film handelt von dem Machtgefälle, das durch institutionalisierte Hilfe entsteht und der Abhängigkeit der Helfer von der Not.

Mit Ungarn verbindet mich, dass meine engsten Freundinnen Ungarinnen sind. Seit den 80ziger Jahren war ich oft dort, bevor der „eiserne Vorhang“ fiel und danach. 1989 begann in meinem Umfeld eine Zeit voller Hoffnung.
Aber war ich naiv oder eurozentrisch, zu glauben, in Europa beginnt nun eine fairere, ich möchte dieses strapazierte Wort benutzen, demokratische Zeit: „Das Ende der Geschichte“?

Ist es zwingend oder nur ein Unglück, dass in Ungarn ein die Demokratie unterwanderndes Gesetz erlassen wurde, das die Freiheit der Presse einschränkt?
Es ist ein Privileg der Kunst, sich nicht vordergründig politisch positionieren zu müssen. Denkräume zu öffnen. Doch in diesen unsicheren Zeiten von Angst und Bedrohung, entsteht bei immer mehr Menschen eine rückschrittliche Sehnsucht nach konservativen Werten, einfachen Antworten, Nationalismus und Ausgrenzung von Andersdenkenden. Wie kann ich dem als Künstlerin entgegenwirken? Reicht es aus, dass mein Werk auf filmisch unkonventionelle Weise erzählt wird? Reicht es aus, in Filmen Perspektiven auf unsere Wirklichkeit zu zeigen, die ein komplexeres Bild schaffen, als die einfachen Antworten der autoritären Staatsführer?

Laila Niklaus: Was würden Sie jungen Regisseurinnen heute von Ihren Erfahrungen mitgeben?

IS: Es ist verführerisch, Filme zu machen, die wiederholen, was Erfolg hatte. Es ist in Ordnung das zu tun. Doch ein Problem hätten wir, wenn alle Filmemacher:innen das täten. Dann würde unsere Gesellschaft kulturell verhungern. Und auch für den Markt ist Innovation auf lange Sicht essentiell.
Ich würde jungen Filmemacher:innen von Herzen den Rat geben, sich nicht an Trends und ausgetrampelten Pfaden der Filmsprache zu orientieren, sondern eigene Erzählformen zu suchen, durchzuhalten und auszuprobieren.

LN: Ungarn hat eine Reihe ungewöhnlicher Produzentinnen und Regisseurinnen hervorgebracht, schauen Sie ungarische Filme?

IS: Neben Mari Cantu, Marian Kiss, Lili Horvát und Gábor Altorjay fallen mir sofort Béla Tarr, Benedek Fliegauf und László Nemes ein.


Neben ihrer Arbeit als Regisseurin und Drehbuchautorin ist Isabelle Stever als Dozentin unter anderem an der DFFB und der Filmakademie Baden-Württemberg tätig.   

 

Dorka Gryllus

pendelt seit 20 Jahren zwischen Deutschland und Ungarn, und bringt die zwei Kulturen in ihrer Arbeit als Schauspielerin ständig zusammen. 

Wir haben auch mit Dorka über die gemeinsame Arbeit gesprochen:.  


Laila Niklaus: Was war besonders aufregend an ihrer Rolle als Selma und der Zusammenarbeit mit der Regisseurin Isabelle Stever?

Dorka Gryllus: Isabelle ist eine in sich freie und inspirierende Künstlerin, die weiß, was sie möchte und trotzdem ganz großzügig viel Raum für das Dazwischen lässt. Das war ein sehr spannendes Projekt, das wir unter anderem auch in Jordanien mit der Schauspielerin Maria Furtwängler gedreht haben. Bis heute pendeln meine Gedanken zu den Erfahrungen während der Dreharbeiten zwischen Verwunderung und Faszination. Die Idee dieser Hilfsarbeit und des Engagements auch selbst die Menschen dort zu unterstützen ist in mir vorhanden. Jedoch wie vor Ort dann vorgegangen wird und von diesen Ländern förmlich erwartet wird, auf westlichem, europäischem Niveau zu agieren ist absurd. Wie kann man eine andere Kultur unterstützen, ohne in sie einzutauchen?  

LN: Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es zwischen Deutschland und Ungarn? 

DG: Ich beobachte beispielsweise kulturelle Unterschiede. In Ungarn begrüßen wir uns mit zwei Küsschen gefeiert, während in Deutschland mehr umarmt wird. In Ungarn wird die Hand nicht gegeben.

Die Unterschiede liegen in den kleinen Details, in den kleinen Bewegungen. Kleine Verwirrungen entstehen und man findet den anderen komisch. Es ist wichtig, eine Ebene zu finden, auf der man sich finden kann - und hoffentlich zusammen lachen kann.

In meiner persönlichen Erfahrung gibt es zahlreiche Parallelen zwischen Budapest und Berlin. Ich glaube die Ungarn und die Deutschen haben einen Hang zur Melancholie. Deshalb gibt es wohl auch so viele berührende Texte und Filme aus beiden Ländern, weil wir uns in beiden Nationen immer etwas unter der Oberfläche bewegen.

Aber ich habe auch private Bande zu Deutschland: Vor langer Zeit kamen meine Urgroßeltern väterlicherseits aus Deutschland nach Ungarn. Bestimmte Gewohnheiten haben sich in der Familienkultur nicht verändert. Aufgewachsen in Budapest, habe ich viel Zeit mit meiner Urgroßmutter verbracht, die sehr deutsch war. Es wurde viel über Regeln gesprochen, um Probleme zu lösen und Kompromisse zu finden. Eine Art Diskurs-Bereitschaft ist dem Deutschen inne. Ich habe es dann in Deutschland bei meinen ersten Reisen erneut entdeckt. Ich dachte: Wow, die sprechen hier wie meine Großeltern!

Als ich nach Deutschland kam, habe ich sofort im Goethe-Institut angefangen Deutsch zu lernen. Es war eine fantastische Erfahrung und das Institut hat viele Aktivitäten für uns organisiert. Aber es erinnerte mich auch sehr an meine wohlorganisierte Großmutter. (lacht)

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