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Deutsche Serien in Indien
Doppelt hält besser: Stars spielen Stars

In einer Nahaufnahme ist Karl Lagerfeld, gespielt von Daniel Brühl, zu sehen.
Karl Lagerfeld, gespielt von Daniel Brühl | © Disney 2024

In der neuen Streaming-Serie „Becoming Karl Lagerfeld“ wird die Mode-Ikone von Marvel-Superstar Daniel Brühl verkörpert. Dieses neue Biopic ist nur eines von vielen aktuellen Filmen und Serien, in denen ein bekannter Schauspieler eine historische Persönlichkeit darstellt.

Von Jutta Brendemühl

Im Pierrot-verzierten Seidenpyjama sitzt Karl Lagerfeld auf roter Seidenbettwäsche und schiebt sich angespannt einen Schokoriegel in den Mund. „Ich habe es satt, dass mich niemand ernst nimmt", hören wir seine Stimme im Trailer zu Becoming Karl Lagerfeld. Das sechsteilige Originaldrama folgt dem Mode-Superstar als noch relativ unbekanntem Prêt-à-porter-Designer, der seinen Weg und seinen unverwechselbaren Stil inmitten von Leidenschaft und Fehden findet.

Die Produktion so opulent wie das Leben des Designers

Der deutsch-katalanische Schauspieler Brühl wurde bereits bei der Vorstellung der Serie auf dem Festival in Cannes gelobt, wo die lebhafte Modenschau zu Beginn der ersten Folge das Publikum begeisterte. Jenseits des Fächers, des Pferdeschwanzes, der Handschuhe und der Sonnenbrille fängt Brühl den Charakter Lagerfelds ein: ehrgeizig, schnippisch, gleichermaßen selbstbewusst wie ungelenk. Lagerfelds überlebensgroße Vision spiegelt sich im Produktionswert der Serie wider: 3.000 Kostüme, 2.200 Statisten, mehr als 40 Sets. All dies eingebettet in das Paris, Monaco und Rom der wilden 1970er-Jahre.
 

Scharfsinnig, eloquent, witzig, charmant

Daniel Brühls Erinnerungen an den Modeschöpfer


Das Genre Biopic bietet eine einzigartige und persönliche Perspektive, tiefe Einblicke in ein außergewöhnliches Leben jenseits des oberflächlichen Glamours und einen Blick hinter die Kulissen. „Ich habe nur die Persona getroffen, die er geschaffen hat“, erinnert sich Brühl in einem Interview mit Deadline an seine kurze Begegnung mit Lagerfeld bei einem Berlinale-Fotoshooting – damals, vor zwanzig Jahre, als junger Schauspieler, der mit Goodbye, Lenin! soeben die große Filmbühne betreten hatte. Mit der Serie „wollte ich diesen Schutzschild durchbrechen und herausfinden, wer die Person ist“. Scharfsinnig, eloquent, witzig, charmant, so hat Brühl den Designer in Erinnerung. Brühl versuchte, Lagerfelds widersprüchlichen Lebensstil und seine biografischen Winkelzüge einzufangen, indem er Biografien und Interviews las und mit Menschen aus der Pariser Zeit des Designers
sprach. Für Brühl ist es nicht die erste Chance, eine ikonische Persönlichkeit zu porträtieren. Er hat schon früher Berühmtheiten gespielt, so zum Beispiel den unerschrockenen Rennfahrer Nikki Lauda. Zwar mögen Deutsche Biopics weniger bekannt sein als diejenigen aus Hollywood, dennoch bleiben einige nachhaltig im Gedächtnis. Barbara Sukowa hat gleich mehrere feministische Ikonen verkörpert: Hannah Arendt, Rosa Luxemburg und Hildegard von Bingen. Deutsche Biopics stellen häufig Nazis (z.B. Der Untergang; demnächst Robert Stadlober als Goebbels) oder Dissidenten dar (z.B. Sophie Scholl; Gundermann; demnächst Jonas Dassler als Bonhoeffer). Zu einer Rolle ließ sich Brühl allerdings nicht überreden: Er lehnte es ab, Hitler zu spielen, zweimal.

Biopics: Ein boomendes Geschäft

Bei einem guten Biopic geht es weniger um Wahrheit oder die genaue Nacherzählung eines Lebens, sondern um gutes Storytelling und die Verknüpfung zwischen einer faszinierenden, rätselhaften Person mit der Neugier der Zuschauerinnen auf starke Charaktere. Das Publikum fühlt sich von nonkonformistischen Persönlichkeiten angezogen, will dem Geheimnis des Erfolgs auf die Spur kommen.

Einen zusätzlichen Reiz bekommt die Darstellung durch die Verkörperung eines gegenwärtigen Film-Promis. Der Ansatz „Stars spielen Stars“ birgt eine doppelte Anziehungskraft, nicht zuletzt auch für Marketingabteilungen: Er unterstreicht die physische Ähnlichkeit sowie die schauspielerische Verwandlungsfähigkeit und lädt das Publikum außerdem dazu ein, die Verbindungslinien zwischen Schauspieler und Figur zu erkunden. Biopics von Künstler zu Künstler: Der Gipfel der (Selbst-)Darstellung, die das Rezept von Ruhm und Reichtum bereithält und damit bestens in unsere Influencer-Zeit passt.

Den Stars ganz nah

Wer sich an dem Genre nicht sattsehen kann und in diesem Jahr nach Inspirationen für biografische Geniestreiche sucht, wird jedenfalls schnell fündig: Von Timothée Chalamet als Bob Dylan, Kingsley Ben-Adir als Bob Marley über Tom Holland als Fred Astaire, Billy Porter als James Baldwin, bis hin zu Jeremy Allen White als Bruce Springsteen und Angelina Jolie als Maria Callas – letztere als eine der selteneren Künstlerinnen-Darstellungen. Vielleicht liegt der Grund für das aktuell starke Interesse an Prominenten-Biopics im „Werden“ – dem Social Media-freundlichen Moment der Metamorphose, des Durchbruchs, des Gelingens. Dem Zuschauer vermittelt es das Gefühl, erstrebenswertem Charisma nahe zu sein und am Traum teilzuhaben, sich womöglich selbst als ihr Idol vorstellen zu können.

Was die Subjekte von Biopics, von Elvis bis Amy Winehouse, durch Widerstände und Wandel vereint, ist dass sie Spuren hinterlassen, ihre Branche nachhaltig verändert haben und Gegenstand von Debatten sind: umstritten, heldenhaft — nicht selten auch beides. Emotionen werden großgeschrieben: leidenschaftliche Liebe, wildes Feiern, rasende Eifersucht, unbändiger Ehrgeiz, zerstörerische Egomanie, mutige Entscheidungen gegen den Strom sowie die Missachtung von Geschlechter- oder anderen auferlegten sozialen Rollen.

Kruger trifft Dieterich

Vieles davon trifft auf Marlene Dietrich zu, die von Diane Kruger in einer fünfteiligen Miniserie mit dem Titel Marlene Dietrich – Eine Frau im Krieg verfilmt werden wird – einmal mehr von Star zu Star. Ex-Model und Schauspielerin Kruger wandte sich mit ihrer Idee an den Regisseur Fatih Akin, der kürzlich das Leben des Gangsta-Rappers Xatar in Rheingold verfilmte, um Dietrichs Leben als Künstlerin und deutsche Emigrantin zu beleuchten. Nach der Akin-Kruger-Spielfilm-Kollaboration Amrum, die 2024 gedreht wird und im September 2025 in die Kinos kommt, befindet sich Dietrich in der Entwicklungsphase. Das Drehbuch ist geschrieben.

In der zweiten Episode von Becoming Karl Lagerfeld taucht übrigens die 70-jährige Marlene Dietrich auf, gespielt von Sunnyi Melles (Triangle of Sadness). Daniel Brühl hat derweil das Foto, das Karl Lagerfeld vor 20 Jahren von ihm aufnahm, wieder gefunden – ein Star fotografiert einen Star, doppelt hält eben besser.
 
 
Sechs Folgen à ca. 45 Minuten
Produktionsland: Frankreich
Regie: Jérôme Salle, Audrey Estrougo
Drehbuch: Isaure Pisani-Ferry, Dominique Baumard, Jennifer Have, Nathalie Hertzberg 
Darsteller*innen: Daniel Brühl, Théodore Pellerin, Arnaud Valois, Alex Lutz, Agnès Jaoui, Lisa Kreuzer
 

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