Gib mir Tiernamen!
10 animalische Köstlichkeiten aus Deutschland
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Ein „falscher Fuffziger“ ist ein hinterlistiger Mensch. Aber was bitte ist ein „falscher Hase“? Und was hat „Bärendreck“ mit Naschen zu tun? Hier kommt die ultimative Liste von deutschen Speisen, die Tiernamen tragen.
Von Hendrik Werner
1. Kalter Hund
Zur Beruhigung: Für einen „Kalten Hund“ muss kein Vierbeiner leiden. Vielmehr handelt es sich um einen Kuchen, in dem sich Schichten von Butterkeksen und Schokolade abwechseln – ganz ohne Backen. Du schmilzt einfach Schoki in Butter oder Kokosfett. Mit der entstandenen Masse übergießt du nacheinander mehrere Lagen Kekse.
Woher der Name kommt
Wahrscheinlich geht die Assoziation zu einem Hund auf ein Missverständnis zurück. Der Kuchen wird in einer kastenförmigen Backform zubereitet, der an einen Grubenhunt erinnert. Das ist ein Förderwagen, mit dem die Bergleute früher Bodenschätze zutage gefördert haben. Je nach Region heißt der Kalte Hund auch Schwarzer Peter, Kalte Schnauze, Wandsbecker Speck oder Schichtschoki.
2. Katzenzunge
Ok, damit wir uns keinen Ärger mit den Katzenfreunden einhandeln, geht’s nach dem Kalten Hund mit Katzenzungen weiter. Das sind längliche Plätzchen, die vorn ein bisschen dicker sind als hinten. Das dickere Ende entsteht während der Zubereitung: Du kleckst den Teig mit einem Spritzbeutel aufs Backblech und ziehst dann vorsichtig, bis ein etwa sechs, sieben Zentimeter langes Plätzchen entsteht.
So viele Varianten wie Katzenrassen
Für Katzenzungen brauchst du vor allem Mehl, Zucker, weiche Butter und Eiweiß. Je nach Rezept kommen Schokolade, Nougat, Zitrone, Nüsse und/oder Vanillezucker hinzu. Sogar Katzenzungen mit Ingwer haben wir schon gesehen. Deiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
3. Falscher Hase
Als Vegetarier*in musst du jetzt tapfer sein. Denn ein „Falscher Hase“ ist nicht etwa ein Fleischersatzprodukt aus Seitan oder Tofu. Im Gegenteil. Es handelt sich um einen Braten aus Hackfleisch, gemischt vom Rind und Schwein. Außerdem enthält ein Falscher Hase Paniermehl und Zwiebeln und in der Mitte werden Eier mitgebraten beziehungsweise mitgebacken.
Wo gibt’s denn so was?
In freier Wildbahn kommen Falsche Hasen überwiegend in urigen Restaurants vor, die sich auf einfache deutsche Gerichte verlegt haben. Meistens gibt es dazu Kartoffeln und Mischgemüse – und jede Menge Bier. Wohl bekomm’s.
4. Blindhuhn
Wahrscheinlich kennst du das Sprichwort „Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn.“ Heißt: Auch ungeschickte Menschen kriegen manchmal was auf die Reihe. Zum Beispiel in der Küche. Denn als „Blindhuhn“ bezeichnet man in Westfalen einen Eintopf, den selbst hartnäckige Kochverweigerer*innen mühelos hinbekommen.
Was drin ist
Der Eintopf besteht überwiegend aus Bohnen (weißen und grünen), Möhren, Kartoffeln, Brühe und Speck. Außerdem kommt Obst hinein, wahlweise Äpfel oder Birnen.
5. Bärendreck
Vom Weißwurst-Äquator hast du wahrscheinlich schon gehört: Nördlich dieser imaginären Linie kämen nur wenige Deutsche auf die Idee, zum Frühstück bleiche Siedewürstchen zu verspeisen. Aber sagt dir auch der Lakritz-Äquator etwas? Südlich davon nennen viele Menschen die Bonbons aus Süßholzextrakt „Bärendreck“. Nördlich werden sie als „schwarzes Gold“ vergöttert.
Bäriger Fabrikant
Der Ausdruck „Bärendreck“ beruht nicht nur auf der Tatsache, dass die Süddeutschen deutlich weniger Lakritze konsumieren als die Menschen im Norden. Vielmehr war es hier ein Fabrikant namens Karl Bär, der Lakritzprodukte unters Volk brachte. Seine zahlreichen Patente erwarben sich seit 1913 den etwas despektierlichen Spitznamen.
6. Mettigel
Süß, der Kleine, oder? Das dachten sich die Deutschen schon im frühen 18. Jahrhundert und kneteten aus gekochter Kalbsleber, Eiern und Brötchen Gebilde in Form von Igeln, spickten sie mit Mandelstückchen, die wie Stacheln aussehen sollten, und schoben das Ganze in den Ofen.
Deutsche Effizienz in Reinkultur
Und jetzt wird’s verrückt. Mit dem Siegeszug des Kühlschranks war es ab den 1950er-Jahren möglich, dieses Rezept deutlich zu vereinfachen. Bei Geburtstagen und anderen Feiern standen fortan Igel aus rohem gehackten Schweinefleisch (Mett) auf der Festtafel, gespickt mit rohen Zwiebeln. Der Name „Mettigel“ setzte sich für diesen effizienten Partyklassiker wahrscheinlich erst in den 2000er-Jahren durch.
7. Zimtschnecke
Zum Kaffee eine Schnecke gefällig? Nein, nicht so eine wie auf dem Foto. In Deutschland erfreut sich ein Gebäck wachsender Beliebtheit, das in seiner schwedischen Heimat den ziemlich sachlichen Namen „Kanelbulle“ trägt, übersetzt „Zimtteilchen“. Ganz im Sinne von „Baby, gib mir Tiernamen“ heißen Kanelbullar in Deutschland Zimtschnecken. Der Grund ist simpel: Die Form erinnert an die Windungen eines Schneckenhauses.
Schnecken aus Haaren
Die Deutschen lieben Tiermetaphern. Kein Wunder also, dass sie nicht nur schwedisches Zimtgebäck mit Schnecken vergleichen. Kommst du drauf? Denk mal an junge Frauen im traditionellen bayerischen Dirndl. Genau: Viele von ihnen flechten Zöpfe und winden diese zu Schnecken, entweder an jeder Seite eine oder am Hinterkopf.
8. Rollmops
Platte Schnauze, flaches Hinterteil und in der Mitte eine Rolle aus Muskeln: So sieht ein Mops aus. Was lag also näher, als einem gleichfalls ziemlich rundlichen Snack den Namen „Rollmops“ zu geben? Die Deutschen bezeichnen damit eine Rolle aus gefülltem Hering. Der Fisch wird ausgenommen, entgrätet und in Essig und Salz eingelegt. Mit dem entstandenen Heringslappen (heißt wirklich so) werden anschließend Gurken, Zwiebeln und Gewürze eingewickelt. Zum Schluss wird das Gebilde mit einem Holzstäbchen fixiert.
Vom Meeresbewohner zum Kneipensnack
Essig und Salz machen Hering haltbar. Deshalb kamen vor der Erfindung des Kühlschranks auch Menschen in seinen Genuss, die nicht an den Küsten wohnten. Zum Beispiel in Berlin. Und genau dort, in den Kneipen der deutschen Hauptstadt, soll der Rollmops erfunden worden sein.
9. Bienenstich
Der Stich einer Biene kann schmerzen– oder zuckersüß schmecken. Einer der deutschesten Kuchen, die du dir überhaupt vorstellen kannst, nennt sich Bienenstich. Es gibt ihn in nahezu jeder Bäckerei. Bienenstich besteht aus Hefeteig und einer Decke aus Fett, Zucker und Mandeln, die beim Backen karamellisiert. Häufig findest du Varianten, die zusätzlich mit einer Creme gefüllt sind.
Bittersüßes Gerichtsverfahren
Mehr als nur einen Stich hatten wahrscheinlich ein Bäcker und eine Angestellte, die 1984 wegen Bienenstich vor Gericht zogen. Die Frau hatte unerlaubt ein Stück Kuchen genascht und erhielt dafür die fristlose Kündigung. Die Angelegenheit ging als Bienenstichfall in die Rechtsgeschichte ein.
10. Halver Hahn
Angenommen wir machen eine Umfrage: „Wie verstehst du den Begriff ‚halber Hahn‘?“ Dann würden die meisten Deutschen wohl an gegrilltes Federvieh denken. Eine zweite, kleinere Gruppe würde einen schmächtigen Mann assoziieren. Nur in der Region Köln würde jede*r sofort antworten: Käsebrot. In der Rheinmetropole ist ein „halver Hahn“ ein halbes Roggenbrötchen, belegt mit Gouda und einer sauren Gurke. Enttäuschend? Wahrscheinlich hat sich irgendwann einmal ein Kneipenwirt einen Scherz erlaubt.
Warum das V das B ersetzt
Viel interessanter als der Ursprung des Namens ist ohnehin, wie das „v“ hineinrutschen konnte. In Köln und Umgebung spricht man einen Dialekt des Niederdeutschen. Niederdeutsch unterscheidet sich von Hochdeutsch unter anderem dadurch, dass bestimmte Konsonanten klingen wie im frühen Mittelalter. Die Rheinländer gehören also zu jenen Völkern, an denen die sogenannte Zweite Lautverschiebung abprallte. Sie sind beim „v“ geblieben, wo beispielsweise Bayern und Thüringer ein „b“ verwenden.