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Interview mit Dr. Nishant Shah

Interview mit Dr. Nishant Shah
© Sijya Gupta

In einem Interview mit dem Projektleiter, Dr. Nishant Shah, erläutert er die ethische Verantwortung, die mit die mit dem Geschichtenerzählen verbunden sind und warum wir sie nicht ignorieren können.

Im vergangenen Jahr haben Sie an mehreren Projekten gearbeitet, welche die politische Dimension des Geschichtenerzählens und narrativer Praktiken erkunden. Was reizt Sie an diesem Thema?

Ich denke, in unserer Arbeit vereinen sich intellektueller wie politischer Anspruch. Mir geht es darum, Praktiken nicht nur des Geschichtenerzählens, sondern des narrativen Wandels zu durchdenken. Als Forscher im Bereich digitaler und neuer Medien habe ich die Entstehung neuer Technologien, Plattformen Netzwerke und Communitys verfolgt. Es hieß immer, wenn nur genügend Menschen genügend Geschichten erzählten, wären viele Fragen im Bereich der sozialen Gerechtigkeit bereits gelöst. Doch wenn man das heutige Internet betrachtet, sieht man: Je mehr diverse, widerständige und marginalisierte Stimmen sich erheben, desto mehr Gegenreaktionen in Form von Wut, Gewalt und Einschüchterung erleben wir. Die Idee des narrativen Wandels und insbesondere von Once Upon a Tomorrow ist, dass Diversität und Inklusion nicht erreicht werden, indem einfach immer mehr diverse und inklusive Inhalte geteilt werden. Stattdessen muss sich der Kontext ändern, in dem Geschichten erzählt werden und die Tropen, die - in bester Absicht - so oft wiederholt werden. Es geht darum, die Gewohnheiten des Geschichtenerzählens zu überdenken, und wie sich Akte der Aggression in unseren alltäglichen Routinen verstecken. Wir müssen sie uns bewusst machen und sie verändern. Das ist der politische Anspruch, insbesondere in Bezug auf die neuen Medien. Mir, als jemandem der in der Gemeindeorganisation arbeitet, war auch klar, dass unsere Geschichten zu oft in Untergangsstimmung und Verzweiflung schwelgen. Sie führen zu Apathie anstatt Aktivismus. Wir wollen keine Geschichten über Exklusion und Diskriminierung, die uns lediglich vor Augen halten, wie kaputt unsere Welt ist; das ist nichts Neues. Wir müssen Geschichten auf eine Weise erzählen, die Raum für Hoffnung lässt und die Menschen zusammenführt, anstatt sie zu entzweien.

Sie erwähnen, dass in der erzählerischen Praxis bestimmte Tropen immer wieder auftauchen. Welche sind das?

Ein Beispiel habe ich bereits erwähnt: die wiederholte Bekräftigung der Gebrochenheit dieser Welt. Die Idee, dass der Inhalt wichtiger ist als der Kontext seiner Weitergabe. Das führt dazu, dass man mehr und mehr Leute einbezieht und ihnen sagt: "Deine Stimme ist wichtig." Doch dann merkt man, wie ungeschützt und verletzlich diese Stimmen im virtuellen Raum sind. Wer könnte sie dort beschützen? Wer kann ihre Sicherheit garantieren? Wie kann man verhindern, dass sie angegriffen, gemobbt und zur Zielscheibe gemacht werden? Oder denken wir, dass es mit dem Erzählen einer Geschichte getan ist? Wir denken nicht an das Nachleben einer Geschichte oder daran, welche neuen Rahmenbedingungen oder welche Infrastruktur für diese Geschichte geschaffen werden müssen. Es sind diese Tropen, die sich auf die Umstände und die Nachwirkung von Geschichten beziehen, um die es sich in der narrativen Praxis dreht. Es geht nicht nur um den Inhalt, sondern auch die Intention, das Eigenleben, die Weitergabe von Geschichten. Bis sich das ändert ist es egal, wie viele Geschichten wir hervorbringen; sie alle werden nur die gängigen Narrative und Machtstrukturen stützen.

Zu guter Letzt: Sie haben den Titel Once Upon a Tomorrow ersonnen. Wie kamen Sie darauf?

Wir müssen verstehen, dass Geschichten nicht nur die Welt reflektieren, sondern neue Welten erschaffen. Es heißt immer: "Once upon a time" oder: "Es war einmal." Das klingt, als ginge es in Geschichten ausschließlich um Dinge, die bereits geschehen sind. Ich glaube wirklich daran, dass Geschichten, unabhängig vom Genre, Welten erschaffen. Wenn wir also eine Geschichte beginnen, denken wir an die Welt, die wir für die Zukunft wollen, anstatt nur zu erzählen, was sich bereits zugetragen hat. Sobald wir das tun, lassen unsere Worte im Jetzt die Welt entstehen, in der wir leben möchten. Durch diese Intentionalität nimmt das Geschichtenerzählen eine ethische Dimension an. Mit Once Upon a Tomorrow hoffen wir, auf diese ethische Frage hinzudeuten; darauf, was wir mit Geschichten erreichen und was sie in Fragen der sozialen Gerechtigkeit bewirken können.

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