Das Museum des Wandels

Government Museum, Chandigarh. Wie die Moderne von ihrer Rückseite aus gesehen erscheint.
Foto: Goethe-Institut / Leonhard Emmerling

"Unsere Aufgabe ist es, immer nach vorne zu schreiten in Richtung des Neuen, und nicht, in Museen zu leben."
 

Obgleich das Museum als eine moderne Institution tief mit der modernen Idee von Kreativität und der Schaffung einer eigenen Geschichte verbunden ist, wurde es dennoch immer heftig kritisiert, da es ein Hindernis für politischen, kulturellen und sozialen Wandel darstelle. Moderne Anhänger revolutionären Wandels verdächtigten das Museum, eine Institution zu sein, in der die traditionelle Ordnung der Dinge bewahrt und am Leben erhalten werden würde: Der revolutionäre Maler Kazimir Malevitch erklärte 1919: „Unsere Aufgabe ist es, immer nach vorne zu schreiten in Richtung des Neuen, und nicht, in Museen zu leben.“Und Walter Benjamin, der revolutionäre Archivar des 19. Jahrhunderts, sah das Museum als Traumhaus an, in dem sich exemplarisch die Traumwelt des frühen Kapitalismus widerspiegele. Adorno verband das Museum mit dem Mausoleum, das die Betrachter von jeder sinnvollen Erfahrung der ausgestellten Objekte abschneide. Für die revolutionäre Moderne gehörte das Museum zur vergangenen, alten Welt – konservativ, kapitalistisch, antidemokratisch –, und als Symbol der alten Welt musste das Museum abgeschafft werden.
 
Wie gehen wir mit dieser Kritik um, wenn wir uns mit der Zukunft des Museums befassen? Ist das Museum ein Hindernis auf dem Weg zu einer emanzipatorischen, demokratischen Politik? Auch wenn diese Fragen immer noch zeitgenössische Fragen sind, sind wir möglicherweise in der Lage, sie anders zu beantworten als die revolutionären Modernen. Denn diese teilten die Überzeugung des 20. Jahrhunderts, dass man, um eine neue Welt zu schaffen, die alte vernichten müsse. Doch die revolutionäre Konstruktion der neuen Welt, die über der alten, zerstörten errichtet wurde, scheiterte am Ende des 20. Jahrhunderts. Heute muss darum die Schaffung einer neuen Welt ihren Anfang in sich selbst finden – und wird aus diesem Grund auch eine andere Auffassung von der Vergangenheit entwickeln. Das Museum könnte dann der Ort sein, an welchem die Schöpfungen früherer Zeiten aufbewahrt werden. Das Museum könnte der Ort sein, an welchem Kunst als Ausnahme zum Kapital gezeigt wird. Das Museum könnte der Ort sein, an welchem sich die Idee einer demokratischen Organisation beispielhaft zeigt. Ein solches Museum kann kein Platz der Teilhabe sein, vielmehr ein Ort der Erziehung – um Meister der jeweiligen eigenen Zukunft zu werden.

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