Die deutschsprachige Gegenwartsdramatik zeichnet sich durch große Vielfalt aus. Eine reiche Tradition und bedeutende internationale Einflüsse haben sie geformt und tun das nach wie vor. Natürlich wäre es wünschenswert, dem Publikum die Werke in asiatischen Sprachen. Diese Überlegung war der Ausgangspunkt für unser Projekt: Deutschsprachige Gegenwartsdramatik in sechs südasiatischen Sprachen: Bangla, Hindi, Marathi, Singhalesisch, Tamil, Urdu.
Hintergrund
Die deutschsprachige Gegenwartsdramatik zeichnet sich durch große Vielfalt aus. Eine reiche Tradition und bedeutende internationale Einflüsse haben sie geformt und tun das nach wie vor.
Viele in deutscher Sprache geschriebene Theatertexte sind dem asiatischen Publikum vor allem in englischer Übersetzung bekannt. Natürlich wäre es wünschenswert, dem Publikum die Werke in asiatischen Sprachen anzubieten – in Übersetzungen, die von kompetenten Übersetzer*innen aus dem Deutschen angefertigt worden sind. So werden auch Theatergruppen, die die lokale Sprache sprechen, mit der deutschen Theaterszene vertraut werden.
Diese Überlegung war der Ausgangspunkt für unser Projekt: deutschsprachige Gegenwartsdramatik in sechs südasiatischen Sprachen: Bangla, Hindi, Marathi, singalesisch, Tamil, Urdu. Diese Übersetzungen können in erster Linie innerhalb Indiens, aber weiterhin auch von den anderen Goethe-Instituten in Dhaka (Bangla), Colombo (Tamil und Singhalesisch) und Karachi (Urdu) verwendet werden, theoretisch aber auch von Goethe-Zentren und weiteren Theatergruppen in der Region Südasien.
Diese Übersetzungen werden Teil der Theaterbibliothek des Goethe-Instituts.
Die Vorbereitung lief von März 2020 bis Juli 2020, dabei ging es um Auswahl der Theaterstücke und interessierter Übersetzer*nnen. Im Vorfeld wurden von den Mentoren Podcasts zu verschiedenen Themen und Theaterstücken vorbereitet.
Auswahlskrieterien Theaterstücke
Schwerpunkt Roland Schimmelpfennig
Der Autor, Regisseur und Dramaturg Roland Schimmelpfennig, einer der am meisten gespielten Gegenwartsdramatiker Deutschlands, steht in der Tradition literarischer Dramatik: Für ihn bleibt der literarische Text Ausgangspunkt und zentrale Referenz der Inszenierungen seiner Stücke. Hier liegt der entscheidende Anknüpfungspunkt für das Theater in Indien, denn auch hier beruht das (Sprech-)Theater in erster Linie auf dem Text. Roland Schimmelpfennig hat selber Erfahrung auf dem Gebiet Theaterübersetzung.
Während der Werkstatt arbeitete R. Schimmelpfennig mit den Übersetzenden an seinen ausgewählten Texten, acht Stücke von ihm werden in verschiedenen SAS-Sprachen übersetzt. Roland Schimmelpfennig hat weitere Aspekte der Theaterkunst in Bezug auf seine Texte erläutert und so die Perspektive der Übersetzenden erweitert.
Ausgehend von ihrer weitreichenden Erfahrung wurde Frau Dr. Barbara Christ als Hauptleitung der Werkstatt eingeladen. Sie hat diverse Informationsmaterialien über die Stücke im Vorfeld zusammengestellt, was für die Übersetzenden sehr bereichernd war.
Über die Arbeit an Texten Roland Schimmelpfennigs hinaus stand für die Werkstatt eine repräsentative Auswahl von Stücken der wichtigen deutschsprachigen Gegenwartsdramatik zur Verfügung. Thomas Melle, Ewald Palmetshofer, Elfriede Jelinek, Thomas Köck, Anne Lepper, Enis Maci, Ferdinand Schmalz – es steht an, zu gegebener Zeit zu überlegen, ob man Vertreter*innen des postmigrantischen Theaters wie Yael Ronen oder Shivan Ben Yishai hinzunimmt und die Frage der Autorschaft im gegenwärtigen deutschsprachigen Regietheater diskutiert.
Übersicht von ausgewählten Theaterstücken
ROLAND SCHIMMELPFENNIG
Idomeneus
Das fliegende Kind
Wintersonnenwende
Push Up 1-3
Vorher/Nachher
Die ewige Maria
Der Zinnsoldat und die Papiertänzerin
Die vier Himmelrichtungen
Weitere Texte diverser Theaterautoren
Die Geschichte von Löwen, der nicht bis 3 zählen konnte von Martin Baltscheit
Zweite allgemeine Verunsicherung von Felicia Zeller
Versetzung von Thomas Melle
Die Schutzbefohlenen von Elfriede Jelinek
Mädchen in Not von Anne Lepper
Die Unverheiratete von Ewald Palmetshofer
Atlas von Thomas Köck
Dickhäuter von Tina Müller
Ich lieb dich von Kristo Šagor
Es Wird Einmal von Martin Heckmanns
Und dann kam Mirna von Sibylle Berg
Hauptmentoren und Kreativberater
Dr. Barbara Christ studierte Literatur- und Theaterwissenschaften, arbeitete anschließend als Dramaturgin und promovierte mit einer Arbeit über das Dramatische Fragment.
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Neben ihrer Tätigkeit als Übersetzerin, mit der sie 1997 begann, wirkte sie von 1998 bis 2009 als feste freie Lektorin im Verlag der Autoren mit. Ihre Schwerpunkte als Übersetzerin sind Theaterstücke und erzählende Literatur aus Großbritannien, Kanada und den USA, darunter die Werke der Nobelpreisträgerin Doris Lessing. Zu den Theaterautoren, deren Stücke sie übersetzt, zählen unter anderen David Greig, Noah Haidle, Anthony Neilson, Bruce Norris und Simon Stephens.
2012 und 2014 leitete Barbara Christ die Übersetzerseminare während der einwöchigen Werkstatt »Forum Theaterübersetzung« im Rahmen der Theaterbiennale »Neue Stücke aus Europa« des Staatstheaters Wiesbaden in Zusammenarbeit mit dem ITI Deutschland, seit 2013 die Seminare der Internationalen Werkstatt Übersetzen im Rahmen des Mülheimer »Stücke«-Festivals« und seit 2016 die Übersetzerwerkstatt »Transfer« des Kinder-und Jugendtheaterzentrums.
2012 erhielt sie ein Gottsched-Stipendium, 2020 das bedeutende Brockes-Stipendium des Deutschen Übersetzerfonds und 2014 gemeinsam mit David Greig den Deutschen Jugendtheaterpreis. Sie lebt in Frankfurt am Main.
Roland Schimmelpfennig wurde 1967 in Göttingen geboren. Er arbeitete zunächst als freier Journalist und Autor in Istanbul, bevor er 1990 ein Regiestudium an der Otto-Falkenberg-Schule in München begann. More
Sunil Shanbag gilt als einer der führenden Theaterregisseure Indiens. Er ist künstlerischer Leiter des Theatre Arpana und Mitbegründer des Tamaasha Theatre. In den vergangenen vierzig Jahren beschäftigte sich Sunil in seiner die verschiedenen Genres der Theaterpraxis kreuzenden Arbeit mit der komplexen Natur des gegenwärtigen Indien - sowohl auf der Bühne als auch an unterschiedlichsten alternativen Aufführungsorten.
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Zu seinen bedeutendsten Produktionen zählen: Cotton 56, Polyester 84, S*x, M*rality, and Cens*rship, Stories in a Song, Loretta, Blank Page, Words Have Been Uttered, Club Desire und zuletzt die Neuinterpretation des ikonischen Theaterstücks Deewar von Prithviraj Kapoor (1945).
Seit 1985 arbeitet Shanbag in großem Umfang für das Fernsehen. Er entwickelte Programmkonzepte, führte Recherchen durch, schrieb fiktionales und nicht-fiktionales Material, produzierte Programme, Filme und Serien. Er ist unabhängiger Dokumentarfilmer, und er war für große Fernsehprojekte wie Bharat Ek Khoj and Surabhi als Autor und Rechercheur tätig. Darüber hinaus engagiert er sich im Bereich der Theaterausbildung und ist an verschiedenen Dokumentationsprojekten beteiligt, wie etwa an dem bei Shanta Gokhale erschienenen Buch Scenes We Made, das die Geschichte des experimentellen Theaters in Mumbai von den späten 1950er Jahren bis ins Jahr 2000 nachzeichnet.
Zu Shanbags künstlerischen Vorlieben gehört es, Theaterstücke in Theaterstücken einzubauen und damit das Theater als Mittel zum Austausch über die Geschichte der Form einzusetzen. Zum ersten Mal setzte Shanbag diese Schichttechnik oder das Layering in der Produktion S*x, M*rality, and Cens*rship von Shanta Gokhale 2009 ein. Das Stück erzählt von dem Gerichtsverfahren, das sich um die Zensur von Vijay Tendulkars Stück Sakharam Binder dreht und die keimfreie Säuberung von Lavani und Tamaash kommentiert. In allen seinen Arbeiten widmet Shanbag der präzisen Darstellung historischer Details größte Aufmerksamkeit.
Shanbag erhielt die Einladung, eine Gujarati-Adaption von Alles Well That Ends Well im Rahmen des Globe-to-Globe-Festivals in London zu inszenieren, bei dem sämtliche 37 Theaterstücke von Shakespeare in 37 Sprachen am Theater Shakespeare's Globe aufgeführt werden. Die Inszenierung wurde von der britischen Presse gelobt, The Guardian vergab eine Vier-Sterne-Bewertung, und der Arts Desk stellte fest: “Shakespeare's Problemstück wird mit einer schwungvollen Gujarati-Inszenierung aus Mumbai gelöst.” In Indien trug das Stück den Titel Maro Piyu Gayo Rangoon. 2014 wurde es erneut ins Globe eingeladen, wo es fest im Spielplan stand und über mehrere Monate im Rahmen der Feierlichkeiten zum 450. Geburtstag von Shakespeare auf der Bühne gespielt wurde.
Shanbags Arbeiten sind auf großen Theaterfestivals im ganzen Land zu sehen und wurden zudem über zwei Spielzeiten im Shakespeare's Globe in London gezeigt. Für die Bühnenadaption von God’s Little Soldier, einem Roman des verstorbenen Kiran Nagarkar, arbeitete er als leitender künstlerischer Mitarbeiter mit dem Theater Freiburg in Deutschland zusammen.
Sunil Shanbag gehört zum Kernteam von SMART, Indiens einzigem strategischen Managementprogramm für Theater. Sunil Shanbag wurde mit dem Sangeet Natak Akademi Award für Theaterregie 2017 ausgezeichnet.
Der indische Dramatiker und Theaterregisseur Ramakrishnan Ramanathan, weithin bekannt auch als Ramu Ramanathan, zählt eine ganze Reihe von gefeierten Theaterstücken zu seinen Werken. Die Liste seiner Stücke führt unter anderem die jüngsten und enorm erfolgreichen folgenden Titel: The Diary of a Word, Cotton 56 Polyester 84; Jazz; Shanti, Shanti, it’s war, Comrade Kumbhakarna; Curfew; Mahadevbhai (1892–1942); Collaborators; 3, Sakina Manzil; Shakespeare And She sowie Postcards From Bardoli.
Sein Buch mit dem Titel 3, Sakina Manzil And Other Plays versammelt acht Dramen und erschien bei Orient Blackswan in Zusammenarbeit mit der English and Foreign Languages University (EFLU).
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Sein Buch mit dem Titel 3, Sakina Manzil And Other Plays versammelt acht Dramen und erschien bei Orient Blackswan in Zusammenarbeit mit der English and Foreign Languages University (EFLU). Er schrieb zwei äußerst erfolgreiche Theaterstücke für Kinder, die auf dem Grips-Theateransatz basieren: The Boy Who Stopped Smiling und Medha and Zoombish.
Seine beiden Gedichtbände Conversations with a Peacock und To Sit on a Stone and other Shorts erschienen bei Red River. Er ist Mitherausgeber von Babri Masjid – 25 Years on, einem Buch von Kalpaz und CSSS, konzipiert und kuratiert von Dr. Sameena Dalwai.
Für PT Notes, einem monatlichen, von Prithvi Theatre in Mumbai produzierten Theater-Newsletter war Ramu über zehn Jahre als Herausgeber tätig. Er war außerdem Mitherausgeber von e-STQ (Seagull Theatre Quarterly). Er schreibt Kolumnen über Theater sowie Sozialkommentare für überregionale Zeitungen. Er hat unzählige Workshops und Vorträge gehalten, in denen er stets die Bedeutung von gutem Geschmack, Sinn für Humor, Intelligenz und vor allem von fortschrittlichen Werten betont.
Ramu Ramanathan gilt als einer der politisch bewusstesten Dramatiker unserer Zeit und seine Dramen reflektieren die Gegenwart, in der wir leben. Akribisch recherchiert er seine Projekte, historische Prozesse sind die Eckpfeiler der meisten seiner Werke und Politik und Geschichte bilden zusammen das Fundament seiner Arbeit.
Seine Stücke wurden in verschiedene indische und europäische Sprachen übersetzt und inszeniert. Ramu Ramanathan lebt in Mumbai – in der Stadt, in der viele seiner Dramen spielen. In einem ausführlichen Interview mit Mumbai Theatre Guide spricht er über sein Verhältnis zu Mumbai, hier ein Zitat daraus: “Mumbai ist meine Geliebte. Ich liebe sie und gleichzeitig hasse ich sie. Bis heute, selbst an diesem Tag, entdecke ich ständig etwas Neues in ihr. Und das lasse ich in meine Stücke einfließen”. Als Teil seiner Recherche über die Stadt und ihre Kultur hat Ramu eine umfassende Literaturliste erstellt mit dem Titel Literature that Celebrates Mumbai: A List.
Eine Werkstatt, die sich über sechs Tage ( 25.1.-30.1.2021) erstreckte, bot ideale Bedingungen für den Austausch zu dieser komplexen Tätigkeit. Die Übersetzenden sollten einen Überblick über den Stand der deutschsprachigen Gegenwartsdramatik gewinnen und darüber hinaus die Möglichkeit haben, unter erfahrener Anleitung konkret an Texten zu arbeiten. Die Auswahl der zu bearbeitenden Texte ist aus tiefer Überlegung erfolgt, durch enge Zusammenarbeit und Beratung von Dr. Barbara Christ, Roland Schimmelpfennig und dem GI. Ziel war es, eine repräsentative Palette anzubieten, die gleichzeitig Relevanz für Indien hat.
Die Werkstatt richtete sich an erfahrene literarische ÜbersetzerInnen, die von einem tieferen Einblick in die Besonderheiten des Übersetzens für das Theater profitieren sollen: wie funktionieren Dialoge? Was sollte man bei der Überetzung eines Textes beachten, der in erster Linie gesprochen seine Wirkung entfalten soll? Wie werden Bühnenfiguren durch ihre Sprache charakterisiert? Was ist beim Übersetzen von Regieanweisungen zu beachten?
Texte und Bühne
Die übersetztenTexte werden anschliessend an Theaterexperte in verschiedenen Sprachen weitergeleitet, die ihrerseits die Texte kommentieren und analysieren. Ihre Analysen werden in einem Bericht zusammengefasst und den Theatergruppen als Stütze zur Verfügung gestellt. Am Ende der Expertendiskussionen werden Theaterstücke an Theatergruppen verschiedener Sprachen verschickt.
Danach werden die Theatergruppen die szenischen Lesungen vorbereiten - jeweils eine Probe wird von unseren Hauptmentoren kommentiert und analysiert werden.
Ziel ist es, szenische Lesungen an lokalen Goethe-Instituten zu präsentieren, eventuell auch bei Literaturfestivals u.a., gekoppelt mit Podiumsdiskussion mit beteiligten Übersetzern, Bühnentextentwicklern, Regisseurn, Schauspielern.